Zur Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO
BGH 18.9.2014, IX ZB 72/13Am 7.5.2013 stellte der Schuldner durch seinen anwaltlichen Vertreter beim AG Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen und auf Restschuldbefreiung. Das AG forderte den Schuldner zur Nachbesserung des in näher bezeichneter Weise unvollständigen Antrags mit dem Hinweis auf, dass der Insolvenzantrag als zurückgenommen gelte, wenn nicht binnen Monatsfrist dem Nachbesserungsverlangen nachgekommen werde.
Mit Anwaltsschriftsatz erklärte sich der Schuldner hierzu und legte weitere Unterlagen vor. Mit Schreiben vom 19.6.2013 teilte daraufhin das AG mit, dass der Insolvenzantrag mangels ausreichender Nachbesserung kraft Gesetzes als zurückgenommen gelte, womit auch der Restschuldbefreiungsantrag gegenstandslos sei. Am 7.8.2013 stellte der Schuldner erneut Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen und auf Restschuldbefreiung, zudem auf Stundung der Verfahrenskosten.
AG und LG wiesen diese Anträge zurück. Sie seien jedenfalls innerhalb einer Frist von drei Jahren nach der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO unzulässig. Die Rechtsbeschwerde des Schuldners blieb vor dem BGH ohne Erfolg.
Die Gründe:
Für das hier anwendbare Recht - es gilt die InsO in der vor dem 1.7.2014 geltenden Fassung, also vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte - ergibt sich für den Fall der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO eine Sperrfrist von drei Jahren.
Allerdings ist die Frage streitig. Nach einer Auffassung gibt es hier keine Sperrfrist. Nach anderer Auffassung, der die Vorinstanzen gefolgt sind, ist eine Sperrfrist jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation einzuhalten, in der die Rücknahmefiktion eintritt, weil der Schuldner solche Mängel nicht beseitigt hat, die er in der Monatsfrist des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO hätte beheben können. Die zweite Auffassung ist zutreffend.
Die Pflicht des Insolvenzgerichts, den Schuldner auf Mängel der Anträge hinzuweisen, würde ebenso wie die Pflicht, ihn auf die Möglichkeit der Eigenantragstellung mit Antrag auf Restschuldbefreiung hinzuweisen und eine richterliche Frist zu setzen, ihrer beschleunigenden Funktion beraubt, wenn die Nichtbefolgung des Hinweises wegen der Befugnis zur sofortigen Einleitung eines weiteren Insolvenzverfahrens ohne verfahrensrechtliche Konsequenzen bliebe. Im Falle der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO käme dieser keine praktische Wirkung zu, wenn der Schuldner die Gerichte schon am nächsten Tag mit einem neuen Verfahren belasten könnte, obwohl er die Möglichkeit und Gelegenheit hatte, die fehlenden Erklärungen und Unterlagen beizubringen. Dies wäre weder mit Sinn und Zweck der entsprechenden Belehrungspflichten noch mit derjenigen der Rücknahmefiktion vereinbar, die gerade verhindern sollen, dass Verfahren innerhalb kurzer Zeiträume wiederholt durchgeführt werden müssen.
Der Erstreckung der Sperrfrist auf die hier behandelten Fälle des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO steht auch nicht entgegen, dass gegen die Rücknahmefiktion in der InsO kein Rechtsmittel vorgesehen ist. Die aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes erfordert nicht eine Überprüfung in einem Instanzenzug. Im Übrigen ist zu beachten, dass eine sofortige Beschwerde in analoger Anwendung des § 34 Abs. 1 InsO in Betracht kommt, wenn - anders als im Streitfall - die gerichtlichen Anforderungen an die beizubringenden Unterlagen und Erklärungen nicht erfüllbar sind oder das Insolvenzgericht Anforderungen stellt, die willkürlich von den vom Schuldner zu erfüllenden gesetzlichen Anforderungen nach § 305 Abs. 1 InsO abweichen.
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