20.10.2016

Zur Schätzung des durch Nutzung im Insolvenzeröffnungsverfahren eingetretenen Wertverlusts an Aussonderungsgut

Der durch die Nutzung im Insolvenzeröffnungsverfahren eingetretene Wertverlust an Aussonderungsgut (hier: Lkw) kann anhand der Kauf- und Rückkaufpreise und der nach der durchschnittlichen Laufleistung ermittelten Gesamtlebensdauer geschätzt werden.

BGH 8.9.2016, IX ZR 52/15
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Verwalter in dem am 28.7.2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der N-GmbH, die ein international tätiges Transport- und Logistikdienstleistungsunternehmen betrieb (Schuldnerin). Die Schuldnerin hatte bei der Klägerin im August 2009 26 Lkw gekauft. Finanziert wurde der Kauf im Wege des Finanzierungsleasings. Ab Februar 2010 zahlte die Schuldnerin keine Leasingraten mehr. Die Leasinggeberin nahm die Klägerin aus einer von dieser übernommenen Garantie in Anspruch und übertrug ihr im Gegenzug das Eigentum an den 26 Fahrzeugen. Mit Beschluss vom 26.5.2010 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt.

Mit weiterem Beschluss vom 28.5.2010 wurde zur Sicherung der künftigen Masse angeordnet, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 InsO erfasst werden würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, von den Gläubigern nicht verwertet oder eingezogen werden durften, sondern vom vorläufigen Verwalter nach Maßgabe des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO zur Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin eingesetzt werden konnten. Auf der Grundlage dieses Beschlusses nutzte der Beklagte die 26 Fahrzeuge. Vom 1.8.2010 an zahlte der Beklagte die Leasingraten. Die Klägerin verlangt Ersatz der Wertminderung, welche die Fahrzeuge im Zeitraum vom 28.5.2010 bis zum 1.8.2010 erlitten hätten. Sie hat einen Betrag von rd. 60.000 € errechnet.

LG und OLG gaben der Klage teilweise statt und verurteilten den Beklagten, an die Klägerin rd. 43.000 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Darlegung und Beweis des Wertersatzanspruchs richten sich nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses, insbesondere nach § 287 ZPO. Die Anknüpfung an Erfahrungssätze wie die vom BMF herausgegebenen Abschreibungslisten oder eine Berechnung auf der Grundlage des Verhältnisses der tatsächlichen Nutzung zur durchschnittlichen Gesamtnutzung, bei Fahrzeugen anhand der tatsächlichen Laufleistung zur durchschnittlichen Gesamtlaufleistung, kann danach ebenso zulässig sein wie die konkrete Berechnung des Wertverlustes anhand von Gutachten, welche den Wert der betroffenen Gegenstände zu Beginn und Ende des Nutzungszeitraums dokumentieren.

Das OLG ist vorliegend zutreffend von § 287 ZPO ausgegangen. Es hat die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung zur Berechnung eines durch Nutzung eingetretenen Wertverlustes dargestellt. Maßgeblich ist die zeitanteilige lineare Wertminderung, die nach dem Verhältnis der tatsächlichen Nutzung zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer des betroffenen Gegenstandes zu ermitteln ist. Da es hier um Fahrzeuge geht, hat das OLG sich an den gefahrenen Kilometern orientiert. Den von der Klägerin mitgeteilten durchschnittlichen Wertverlust pro Kilometer hat es danach überprüft, welche Gesamtlaufleistung der einzelnen Fahrzeuge sich nach den mitgeteilten Kaufpreisen ergeben, und diese für plausibel gehalten.

Soweit die Revision den vom OLG angenommenen Wertverlust für zu hoch erachtet, setzt sie lediglich ihre Bewertung an die Stelle derjenigen des OLG. Sie weist nicht nach, dass der Beklagte den "üblichen" Wertverlust, welchen die Klägerin unter Beweisantritt vorgetragen hat, in den Tatsacheninstanzen überhaupt bestritten hat. Die vom OLG angenommenen Laufleistungen und Kilometerstände werden von der Revision hingenommen.

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