26.04.2012

Zur selbst beantragten Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses wegen ungesicherter Übernahme der Kosten einer Haftpflichtversicherung durch die Masse

Die Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses auf seinen eigenen Antrag setzt einen wichtigen Grund voraus, etwa wenn die Fortsetzung der Tätigkeit für das Mitglied des Ausschusses bei Abwägung der Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist. Die Fortsetzung der Tätigkeit als Mitglied des Gläubigerausschusses kann unzumutbar sein, wenn nicht gesichert ist, dass die Kosten einer angemessenen Haftpflichtversicherung für diese Tätigkeit von der Masse getragen werden können.

BGH 29.3.2012, IX ZB 310/11
Der Sachverhalt:
Der weitere Beteiligte zu 1) ist Mitglied des Gläubigerausschusses in dem am 1.7.2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Mit Schreiben vom 26.8.2011 beantragte der weitere Beteiligte zu 1) seine Entlassung aus wichtigem Grund und führte zur Begründung aus, die Prämien für die Haftpflichtversicherung des Gläubigerausschusses könnten wegen Massearmut seit Juli 2011 aus der Masse nicht mehr bezahlt werden.

Ein Ende des Insolvenzverfahrens sei nicht absehbar, weil noch Ansprüche i.H.v. bis zu rd. 5,8 Mio. € gegen die Haftpflichtversicherung des ursprünglichen, später entlassenen Insolvenzverwalters gerichtlich geltend gemacht würden. Es sei den Mitgliedern des Gläubigerausschusses nicht zuzumuten, an den anstehenden Entscheidungen erheblichen wirtschaftlichen Umfangs ohne angemessenen Versicherungsschutz mitzuwirken.

Das AG wies den Antrag zurück. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) hatte vor dem LG keinen Erfolg. Auf seine Rechtsbeschwerde hob der BGH die Beschlüsse von AG und LG auf und entließ den weiteren Beteiligten zu 1) aus dem Amt als Mitglied des Gläubigerausschusses.

Die Gründe:
Ein Mitglied des Gläubigerausschusses kann sein Amt nicht niederlegen. Es kann aber auf eigenen Antrag vom Insolvenzgericht aus seinem Amt entlassen werden. Voraussetzung ist ein wichtiger Grund (§ 70 S. 1 und 2 InsO). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats liegt ein solcher vor, wenn die weitere Mitarbeit des zu entlassenden Mitglieds die Erfüllung der Aufgaben des Gläubigerausschusses nachhaltig erschwert oder unmöglich macht und die Erreichung der Verfahrensziele objektiv nachhaltig gefährdet. Sie betrifft Fälle, in denen die Entlassung gegen den Willen des Ausschussmitglieds erfolgen soll. Diese Formel kann aber nicht verwendet werden, wenn ein Mitglied des Gläubigerausschusses selbst seine Entlassung beantragt.

In diesem Fall ist eine Beeinträchtigung der Arbeit des Gläubigerausschusses und eine Gefährdung der Verfahrensziele regelmäßig als Folge seines Ausscheidens zu erwarten. Diesen möglichen Nachteilen ist das Interesse des Ausschussmitglieds an einer Beendigung seines Amtes gegenüberzustellen. Erweist sich bei Abwägung der Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung der Tätigkeit als Mitglied des Gläubigerausschusses für dieses als unzumutbar, ist ein wichtiger Grund für die von ihm beantragte Entlassung gegeben. Vorliegend rechtfertigen die vom weiteren Beteiligten zu 1) vorgebrachten Gründe seine Entlassung als Mitglied des Gläubigerausschusses aus wichtigem Grund gem. § 70 S. 1 InsO und die Beschwerdeentscheidung war daher gem. § 577 Abs. 5 ZPO abzuändern.

Die Tätigkeit im Gläubigerausschuss birgt ein beträchtliches Haftungsrisiko. Jedenfalls in umfangreichen Insolvenzverfahren haben die Mitglieder des Gläubigerausschusses deshalb ein berechtigtes Interesse, sich durch eine angemessene Haftpflichtversicherung abzusichern. Im vorliegenden Fall ist der weitere Beteiligte zu 1) wegen der von der Masse gerichtlich verfolgten umfangreichen Schadensersatzansprüche gegen die Haftpflichtversicherung des früheren Insolvenzverwalters auch noch im gegebenen fortgeschrittenen Verfahrensstadium - etwa im Zusammenhang mit einem Vergleichsabschluss - einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt. Sein Interesse, dieses Risiko auf Kosten der Masse durch eine Haftpflichtversicherung abgesichert zu wissen, ist berechtigt.

Die Versicherungsprämie ist entgegen der zunächst jahrelang gehandhabten Übung ab Juli 2011 nicht mehr aus der Masse bezahlt worden und die Masse reicht derzeit nicht aus, um die rückständigen und die künftigen Prämien zu bezahlen. Ob die verfolgten Schadensersatzansprüche zu einer ausreichenden Erhöhung der Masse führen, ist ungewiss. Der weitere Beteiligte zu 1) muss deshalb damit rechnen, eigene Zahlungen auf die Prämien nicht erstattet zu bekommen. Demgegenüber wiegt das Interesse an einem Fortbestand des Gläubigerausschusses unter Einschluss des weiteren Beteiligten zu 1) weniger schwer. Der Gläubigerausschuss ist auch ohne ihn funktionsfähig.

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