14.04.2014

Zur Steuerbefreiung für Investmentfonds

Ein Mitgliedstaat darf Dividenden, die von gebietsansässigen Gesellschaften an einen in einem Drittstaat ansässigen Investmentfonds ausgeschüttet werden, nicht von einer Steuerbefreiung ausschließen, wenn zwischen beiden Staaten eine wechselseitige Verpflichtung zur Amtshilfe besteht. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob das vertraglich vereinbarte Verfahren zum Informationsaustausch den Steuerbehörden eine Überprüfung der vom Investmentfonds zur Verfügung gestellten Informationen ermöglicht.

EuGH 10.4.2014, C-190/12
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft eine Regelung im polnischen Körperschaftsteuergesetz, die eine Steuerbefreiung für Investmentfonds vorsieht. Um in den Genuss dieser Steuerbefreiung kommen zu können, müssen diese Fonds jedoch ihren Sitz in Polen haben.

Die Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, ein amerikanischer Investmentfonds, zu dessen Tätigkeit u.a. der Erwerb von Beteiligungen an polnischen Gesellschaften gehört, beantragte im Jahr 2010 bei der polnischen Finanzverwaltung die Erstattung einer Überzahlung der für die Steuerjahre 2005 und 2006 entrichteten pauschalen Körperschaftsteuer. Diese Steuer war i.H.v. 15 Prozent auf die Dividenden erhoben worden, die die in Polen ansässigen Gesellschaften an den Investmentfonds gezahlt hatten.

Nachdem sein Antrag abgelehnt worden war, erhob der Investmentfonds eine Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht in Polen. Dieses Gericht wendete sich an den EuGH u.a. mit der Frage, ob das Unionsrecht einer nationalen Steuerregelung entgegensteht, nach der Dividenden, die von Gesellschaften, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind, an einen Investmentfonds ausgeschüttet werden, der in einem Drittstaat ansässig ist, nicht in den Genuss der Steuerbefreiung kommen können.

Die Gründe:
Die Bestimmung des Vertrags, nach der die Mitgliedstaaten Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln dürfen, stellt eine Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs dar und ist daher eng auszulegen. Eine nationale Steuerregelung kann nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die Ungleichbehandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

Mit der Notwendigkeit, die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen zu gewährleisten, lässt sich eine Beschränkung nur rechtfertigen, wenn nach der Regelung eines Mitgliedstaats die Gewährung eines Steuervorteils von der Erfüllung von Bedingungen abhängt, deren Einhaltung nur durch Einholung von Auskünften bei den zuständigen Behörden eines Drittstaats nachgeprüft werden kann, und es sich wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittstaats zur Auskunftserteilung als unmöglich erweist, entsprechende Auskünfte zu erhalten. Vorliegend gibt es einen von Polen und den USA geschaffenen Regelungsrahmen für die gegenseitige Amtshilfe, der den Austausch der erforderlichen Informationen ermöglicht. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese vertraglichen Verpflichtungen tatsächlich den polnischen Steuerbehörden ermöglichen können, die Informationen, die von den in den USA ansässigen Investmentfonds vorgelegt werden, zu überprüfen.

Eine Rechtfertigung, die sich auf die Notwendigkeit stützt, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, kann nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht. Mangels eines solchen unmittelbaren Zusammenhangs lässt sich jedoch die polnische nationale Regelung nicht mit der Notwendigkeit rechtfertigen, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren. Hinsichtlich der Notwendigkeit, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zu wahren und das Steueraufkommen zu sichern, kann sich ein Mitgliedstaat, wenn er sich dafür entschieden hat, die gebietsansässigen Investmentfonds, die Dividenden inländischer Herkunft beziehen, nicht zu besteuern, nicht auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten berufen, um die Besteuerung der gebietsfremden Investmentfonds, die derartige Einkünfte haben, zu rechtfertigen.

Im Übrigen kann eine fehlende Gegenseitigkeit in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten eine Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und den betreffenden Drittstaaten nicht rechtfertigen. Auch Steuermindereinnahmen sind nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses anzusehen, der eine solche Beschränkung rechtfertigen könnte.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 61 vom 10.4.2014
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