Zur Streitgenossenschaft bei Klage gegen Vermittler einer Kapitalanlage und in Anspruch genommenes Wirtschaftsprüfungsunternehmen
BGH 3.5.2011, X ARZ 101/11Der Kläger begehrt von den Beklagten Ersatz des Schadens aus einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage. Der Kläger beteiligte sich im November 2004 auf Vermittlung der Beklagten zu 1) über eine Treuhandkommanditistin an einem Vermögensfonds in der Rechtsform einer KG. Über das Vermögen der KG wurde im September 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte zu 2), eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, begutachtete im Auftrag der KG deren Emissionsprospekt in der Fassung vom 17.3.2004. Ferner schloss sie mit der KG einen Vertrag über die Kontrolle der Mittelverwendung. Nach diesem Vertrag durften Verfügungen über das Bankkonto, auf das die Kommanditeinlagen überwiesen wurden, nur mit Zustimmung der Beklagten zu 2) erfolgen. Diese hatte vor der Erteilung der Zustimmung zu prüfen, ob bestimmte im Vertrag festgelegte formale Kriterien erfüllt waren.
Der Kläger nimmt beide Beklagten vor dem LG Berlin u.a. auf Erstattung seiner Einlagen Zug um Zug gegen Abtretung seiner Beteiligungsrechte an der KG in Anspruch. Er macht geltend, die Beklagte zu 1) habe ihn bei der Vermittlung der Anlage nicht hinreichend über die mit der Anlage verbundenen Risiken, über beanstandete Verstöße gegen die Vorschriften des KWG bei vergleichbaren Geschäften, über negative Presseberichte und über Fehler des Emissionsprospekts aufgeklärt. Die Beklagte zu 2) habe die ihr obliegenden Pflichten aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag, in dessen Schutzbereich der Kläger einbezogen sei, verletzt, weil sie fahrlässig nicht erkannt habe, dass das Geschäftsmodell der KG gegen die Vorschriften des KWG verstoßen habe und dass der Emissionsprospekt unrichtig und unvollständig gewesen sei.
Die Beklagte zu 2) rügte die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Der Kläger beantragt nunmehr, das LG Berlin, hilfsweise ein anderes Gericht gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Beklagte zu 2) tritt diesem Antrag entgegen und beantragt hilfsweise, als zuständiges Gericht das LG München I zu bestimmen. Das KG hält den Antrag auf Bestimmung eines Gerichtsstands für zulässig und begründet. Es sieht sich an einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung durch einen gegenläufigen Beschluss des OLG Naumburg gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH vorgelegt. Der BGH sah die Voraussetzungen für eine Bestimmung des Gerichtsstands gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als erfüllt an und bestimmte das LG Berlin als zuständiges Gericht.
Die Gründe:
Zutreffend ist das KG davon ausgegangen, dass die Parteien nicht denselben allgemeinen Gerichtsstand haben und dass für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.
Für die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage ist der besondere Gerichtsstand für Haustürgeschäfte (§ 29c ZPO) nicht gegeben. Die Ansprüche, die der Kläger gegen die Beklagte zu 2) geltend macht, erfüllen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht. Die Beklagte zu 2) war nicht in die Anbahnung, den Abschluss oder die Abwicklung des nach dem Vortrag des Klägers als Haustürgeschäft zu qualifizierenden Anlagevertrages einbezogen. Die gegen sie erhobenen Ansprüche stellen auch keine Folgeansprüche aus diesem Vertrag dar. Sie werden auf den Vertrag über die Kontrolle der Mittelverwendung gestützt. Dieser Vertrag steht nicht in rechtlichem Zusammenhang mit dem Haustürgeschäft.
Auch wenn ein Vertrag über die Beteiligung an einem in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft organisierten Vermögensfonds im Rahmen eines Haustürgeschäfts zustande gekommen ist, kann eine Klage gegen ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen, das vom Anleger wegen Verletzung von Pflichten aus einem mit der KG geschlossenen Vertrag über die Kontrolle der Mittelverwendung in Anspruch genommen wird, nicht im besonderen Gerichtsstand des Haustürgeschäfts gem. § 29c ZPO erhoben werden.
Die Beklagten sind Streitgenossen i.S.v. § 60 ZPO. Es kann auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft angenommen werden, wenn diese Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt. Ein solcher Zusammenhang ist auch im Streitfall gegeben. Er ergibt sich entgegen der Auffassung des OLG Naumburg nicht nur daraus, dass hinter beiden Lebenssachverhalten derselbe Vermögensfonds steht. Der Kläger nimmt die Beklagten vielmehr auch auf Ersatz derselben Schäden in Anspruch und stützt seine Ansprüche gegenüber beiden Beklagten jedenfalls auch darauf, dass diese Fehler im Emissionsprospekt und Verstöße gegen Vorschriften des KWG übersehen haben.
Der sachliche Zusammenhang wird nicht dadurch aufgehoben, dass die Ansprüche gegen die beiden Beklagten auf unterschiedliche Verträge gestützt werden, die ihrerseits nicht in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang stehen. Er ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Pflichten, deren Verletzung der Kläger geltend macht, unterschiedlichen Inhalt haben. Trotz der bestehenden Unterschiede erscheinen die erhobenen Ansprüche ihrem Wesen nach gleichartig, weil der Kläger seine Klage darauf stützt, dass beide Beklagten einen Beitrag zum Vertrieb der Kapitalanlage geleistet haben, obwohl sie hätten erkennen können und müssen, dass der Emissionsprospekt Fehler aufweise und die Tätigkeit der KG gegen Vorschriften des KWG verstoße.
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