24.01.2012

Zur Streitwertfestsetzung bei einer aktienrechtlichen Beschlussmängelklage

In die Ermessensentscheidung bei der Bemessung des Streitwerts für eine aktienrechtliche Beschlussmängelklage von Kleinaktionären ist zunächst deren Interesse mit einzubeziehen, welches aber in der Regel nur maximal mit dem Kurswert ihrer Beteiligungen als Kleinaktionäre zu bemessen ist. Auf der Gegenseite ist das Interesse der beklagten Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der angefochtenen Beschlüsse zu berücksichtigen.

OLG Düsseldorf 20.12.2011, I-6 W 214/11
Der Sachverhalt:
Durch den angefochtenen Beschluss setzte das LG den Streitwert für die von den beiden Klägern - Kleinaktionäre der beklagten Aktiengesellschaft - eingereichte, mangels Einzahlung eines Vorschusses für die Gerichtskosten aber niemals zugestellte Anfechtungsklage gegen zwei Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten von März 2009 endgültig auf 500.000 € fest. Durch die Beschlüsse waren zwei Beschlüsse aus einer früheren Hauptversammlung von März 2008 wieder aufgehoben worden, mit denen die Durchführung einer Sonderprüfung zur Untersuchung von möglichen Pflichtverletzungen des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Beklagten beschlossen worden war.

Zur Begründung führte das LG aus, der hohe Streitwert sei aufgrund der gerichtsbekannten Gesamtumstände gerechtfertigt. Den angefochtenen Beschlüssen komme eine besonders hohe wirtschaftliche Bedeutung zu, da sie Auswirkungen auf eine Vielzahl von Haftungsprozessen mit hohen Streitwerten hätten. Aus einem Parallelverfahren sei außerdem gerichtsbekannt, dass bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Beschlüsse für die Maßnahmen im Rahmen der Sonderprüfung allein schon Kosten von ca. 1,2 Mio. € angefallen seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die - nach der Auslegung des Senats von beiden Klägern im eigenen Namen eingelegten - Streitwertbeschwerde, mit der diese geltend machen, der festgesetzte Streitwert sei überhöht. Von den zum Zeitpunkt der angefochtenen Beschlüsse schon aufgelaufenen Kosten hätten sie bei Erhebung der Klage nichts gewusst. Sie hätten daher von einem Streitwert in der üblichen Größenordnung von rd. 50.000 € ausgehen dürfen.

Das LG half der Streitwertbeschwerde nicht ab und legte diese dem Senat zur Entscheidung vor. Das OLG änderte den Streitwertbeschluss des LG ab und setzte der Streitwert für das Verfahren auf 250.000 € - 125.000,00 € pro angefochtenem Beschluss - fest.

Die Gründe:
Gem. § 247 Abs. 1 S. 1 AktG bestimmt das Prozessgericht den Streitwert für eine aktienrechtliche Beschlussmängelklage unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles - insbes. der Bedeutung der Sache für die Parteien - nach billigem Ermessen, wobei dieser jedoch gem. § 247 Abs. 1 S. 2 AktG ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als 500.000 € beträgt, 500.000 € nur insoweit übersteigen darf, als die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist. In die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen ist also zunächst das Interesse der beiden Kläger, welches aber in der Regel - und so auch hier - nur maximal mit dem Kurswert ihrer Beteiligungen als Kleinaktionäre zu bemessen ist.

Auf der Gegenseite ist das Interesse der beklagten Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der angefochtenen Beschlüsse zu berücksichtigen. Dazu gehört auch das Interesse, das die anderen Aktionäre an der Verteidigung der angefochtenen Beschlüsse haben, weil sie von einem rechtskräftigen Urteil gem. § 248 Abs. 1 S. 1 AktG mitbetroffen werden. Maßgeblich für den Wert des von der Gesellschaft verfolgten Interesses ist vorrangig der Vermögenswert der beschlossenen Maßnahme; kann ein solcher nicht festgestellt werden, ist auf die Bedeutung der betroffenen Gesellschaft abzustellen, für die etwa der Betrag des Grundkapitals oder die Bilanzsumme Indizien bilden.

Nach diesen Grundsätzen hält der Senat hier im Ergebnis auch unter Berücksichtigung der in dem angefochtenen Beschluss angeführten Umstände nur einen Streitwert i.H.v. 250.000 € (= 2 x 125.000 €) für angemessen. Denn es geht hier nur um eine Beschlussmängelklage zweier Kleinaktionäre, deren besonderes Interesse an einem für sie nicht unzumutbar hohen Streitwert der Gesetzgeber zudem durch die Sondervorschrift des § 247 Abs. 1 AktG gerade gewahrt sehen will. Hinzu kommt, dass es entgegen der Auffassung des LG auf die bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Hauptversammlung von März 2009 angefallenen Kosten der Sonderprüfung in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht ankommen kann, weil der Anfall dieser Kosten in der Vergangenheit durch den Ausgang der von den Klägern erhobenen Beschlussmängelklage ohnehin nicht mehr hätte beeinflusst werden können.

Auch im Hinblick auf die in dem angefochtenen Beschluss weiter angeführten Auswirkungen auf andere Haftungsprozesse mit zum Teil hohen Streitwerten ist außerdem zu beachten, dass die hier in Betracht kommenden Verfahren im wesentlichen bereits deutlich vor der Hauptversammlung im März 2009 eingeleitet waren und aus Gründen, die der Senat in dem Beschwerdeverfahren über die Sonderprüfung in anderem Zusammenhang bereits näher dargelegt hat, durch den hier streitgegenständlichen Abbruch der Sonderprüfung nur noch in einem begrenzten Umfang beeinflusst werden konnten.

Linkhinweis:

Rechtsprechungsdatenbank NRW
Zurück