27.11.2023

Zur Transparenzkontrolle von Anlagebedingungen

Der BGH hat sich vorliegend mit der Transparenzkontrolle von Anlagebedingungen einer Kapitalverwaltungsgesellschaft eines inländischen Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) befasst.

BGH v. 5.10.2023 - III ZR 216/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die beklagte Kapitalverwaltungsgesellschaft auf anteilige Rückzahlung dem Fondsvermögen entnommener Vertriebsentgelte in Anspruch. Die Beklagte verwaltet u.a. den offenen Investmentfonds "D." (D-Fonds), ein Sondervermögen in der Rechtsform eines inländischen Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW). Zulasten des Fondsvermögens entnimmt die Beklagte gestützt auf § 30 Abs. 1 Buchst. a ihrer "Besonderen Anlagebedingungen" eine als Kostenpauschale bezeichnete Gebühr. Diese wird u.a. für die Auskehr von sog. Bestandsprovisionen (Vertriebsfolgeprovisionen), das heißt zur Finanzierung von Leistungen Dritter, etwa von Anlagevermittlern oder Anlageberatern, verwendet.

§ 30 der Besonderen Anlagebedingungen (BABen) lautet auszugsweise wie folgt:
"1. Die Gesellschaft erhält aus dem OGAW-Sondervermögen eine tägliche Kostenpauschale i.H.v. 1,5 % p. a. des OGAW-Sondervermögens auf Basis des börsentäglich ermittelten Inventarwertes (vgl. § 18 der "AABen"). Mit dieser Pauschale sind folgende Vergütungen und Aufwendungen abgedeckt und werden dem OGAW-Sondervermögen nicht separat belastet:
a) Vergütung für die Verwaltung des OGAW-Sondervermögens (Fondsmanagement, administrative Tätigkeiten, Kosten für den Vertrieb, Service Fee für Reporting und Analyse)."


§ 18 der Allgemeinen Anlagebedingungen (AABen) lautet auszugsweise:
"1. Zur Errechnung des Ausgabe- und Rücknahmepreises der Anteile werden die Verkehrswerte der zu dem OGAW-Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände abzüglich der aufgenommenen Kredite und sonstigen Verbindlichkeiten (Nettoinventarwert) ermittelt und durch die Zahl der umlaufenden Anteile geteilt (Anteilwert). Die Bewertung der Vermögensgegenstände erfolgt gem. §§ 168 und 169 KAGB und der Kapitalanlage-Rechnungslegungs- und Bewertungsverordnung (KARBV).
4. Die Ausgabe- und Rücknahmepreise werden börsentäglich ermittelt. Soweit in den BABen nichts weiteres bestimmt ist, können die Gesellschaft und die Verwahrstelle an gesetzlichen Feiertagen, die Börsentage sind, sowie am 24. und 31. Dezember jeden Jahres von einer Ermittlung des Werts absehen. Die BABen für Sondervermögen mit länderspezifischem Anlageschwerpunkt können darüber hinaus weitere länderspezifische Ausnahmen vorsehen. Die Details hinsichtlich der Ermittlung der Ausgabe- und Rücknahmepreise regelt der Verkaufsprospekt."


Der Kläger verlangt die Rückzahlung der von der Beklagten im Zeitraum von August 2017 bis Juni 2020 entnommenen Vertriebsentgelte, die er auf 102 € beziffert. Er behauptet, 44,987 Stück der Anteile des D-Fonds in Folge von dessen Verschmelzung mit dem vormaligen Fonds "O." erworben zu haben und weiterhin zu halten. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Anlagebedingungen der Beklagten seien nicht wirksam in den Investmentvertrag der Parteien einbezogen worden und hielten jedenfalls einer Inhaltskontrolle nicht stand. Im Übrigen verstoße die Klausel gegen § 26 KAGB.

AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LG lässt sich ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung der von der Beklagten vereinnahmten Vertriebsprovisionen nicht ausschließen.

§ 30 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Anlagebedingungen verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist daher unwirksam. Gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Aus § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB folgt, dass das Transparenzgebot auch für das Hauptleistungsversprechen und das Preis-/Leistungsverhältnis gilt. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von AGB, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist; sie muss auch im Kontext mit dem übrigen Klauselwerk verständlich sein. Die Klausel muss die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lassen, wie dies unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach den Umständen gefordert werden kann. Der Vertragspartner muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. "auf ihn zukommt". Eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung in die Irre zu führen, verstößt gegen das Transparenzgebot.

Dabei dürfen die Transparenzanforderungen allerdings nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Weder bedarf es eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können. Sogar eine unnötige Wirrnis im Klauseltext ist unschädlich, wenn sich der Klauseltext mit der gebotenen Aufmerksamkeit erschließen lässt. Bei der Beurteilung, ob eine Regelung dem Transparenzgebot genügt, ist nicht auf den flüchtigen, sondern den aufmerksamen und sorgfältigen Betrachter abzustellen. Dabei sind die Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Klauselwerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Kunden erkennbar sind.

Unter Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich § 30 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Anlagebedingungen als intransparent. Die Angabe einer "täglichen" Kostenpauschale mit einem Zinssatz von 1,5 % "p.a." ist noch hinreichend klar. Es wird deutlich, dass nicht etwa eine (ansonsten massiv überhöhte) Kostenpauschale von 1,5 % täglich geschuldet wird, sondern eine solche von 1,5 % pro Jahr, wobei der zugrunde zu legende Wert der Fondsanteile tagesgenau berechnet wird. Unklar bleibt jedoch, in welchem Zeitintervall die Beklagte diese Vergütung erhalten soll. Dies ist deshalb für die Berechnung der Vergütung relevant, weil sich der Inventarwert durch die Entnahme verringert. Je länger die Entnahmeabstände sind, desto höher bleibt der der Abrechnung zugrunde zu legende Inventarwert. Offen bleibt auch, wie die Vergütung für solche Tage zu berechnen ist, die nicht Börsentage sind. Hierzu verhalten sich weder § 30 Abs. 1 der Besonderen Anlagebedingungen noch der dort in Bezug genommene § 18 der Allgemeinen Anlagebedingungen.

Schließlich bleibt der Begriff des "Inventarwerts", der nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Anlagebedingungen für die Berechnung der Vergütung maßgeblich ist, unklar. Zwar wird insoweit - mit dem relativierenden - Zusatz "vgl." auf § 18 der Allgemeinen Anlagebedingungen verwiesen. Dort wird aber der sprachlich abweichende Begriff "Nettoinventarwert" definiert, was aus Sicht eines verständigen und redlichen Vertragspartners Zweifel begründet, ob jener mit dem "Inventarwert" i.S.d. § 30 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Anlagebedingungen gleichzusetzen oder hiervon zu unterscheiden ist. Es bleibt mithin für den Vertragspartner unklar, welche Vergütung er der Beklagten schuldet, obwohl eine klare Regelung ohne weiteres möglich gewesen wäre, wie sich bereits aus dem Vergleich mit der jedenfalls teilweise erheblich klareren Regelung in § 30 der Anlagebedingungen des Fonds "O." ergibt.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Aktuelle Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Kapitalanlagerecht
WM 2023, 453

Rechtsprechung:
Inhaltskontrolle von Anlagebedingungen eines Investmentfonds
BGH vom 02.03.2023 - III ZR 108/22
WUB 2023, 286

Beratermodul WM / WuB Wirtschafts- und Bankrecht:
WM und WuB in einem Modul: Die WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht informiert wöchentlich aktuell und umfassend im Rechtsprechungsteil über Urteile und Beschlüsse der Gerichte. Die WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht informieren monatlich aktuell und praxisbezogen kommentiert über alle wichtigen wirtschafts- und bankrechtlichen Entscheidungen. 4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Zurück