03.09.2024

Zur Übernahme von GRAIL durch Illumina

Die Beschlüsse, mit denen die EU-Kommission Anträgen nationaler Wettbewerbsbehörden auf Prüfung des geplanten Zusammenschlusses Illumina-Grail stattgab, werden für nichtig erklärt. Die Kommission ist nicht berechtigt, die Verweisung von geplanten Zusammenschlüssen ohne europaweite Bedeutung durch nationale Wettbewerbsbehörden an sie anzuregen oder zu akzeptieren, wenn diese nach nationalem Recht nicht für die Prüfung dieser Vorhaben zuständig sind.

EuGH v. 3.9.2024 - C-611/22 P u.a.
Der Sachverhalt:
Im September 2020 gaben die US-amerikanische Gesellschaft Grail LLC, die Bluttests für die Früherkennung von Krebserkrankungen entwickelt, und die Illumina Inc., eine auf genetische Analysen spezialisierte US-amerikanische Gesellschaft, den geplanten Erwerb der ausschließlichen Kontrolle über Grail durch Illumina bekannt. Da der Zusammenschluss keine europaweite Bedeutung hatte (insbesondere, weil Grail weder in der EU noch an einem anderen Ort der Welt Umsätze erwirtschaftete), wurde er nicht bei der Kommission angemeldet. Ferner wurde er auch nicht in den Mitgliedstaaten oder den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angemeldet, da er die maßgeblichen nationalen Schwellenwerte nicht erreichte.

Die Kommission, die mit einer Beschwerde gegen diesen Zusammenschluss befasst war, forderte die Mitgliedstaaten auf, gem. Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen mögliche Anträge zu stellen, um diesen geplanten Zusammenschluss gleichwohl von ihr prüfen zu lassen, da er den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen könne und den Wettbewerb in ihrem Hoheitsgebiet erheblich zu beeinträchtigen drohe. Bei der Kommission ging ein entsprechender Antrag der französischen Wettbewerbsbehörde ein, dem sich auch die griechische, die belgische, die norwegische, die isländische und die niederländische Wettbewerbsbehörde anschlossen.

Das EuG wies die Klage ab, die Illumina gegen die Beschlüsse, mit denen die Kommission dem Verweisungsantrag und den Anträgen auf Anschließungen stattgab, erhoben hatte. Illumina und Grail legten gegen dieses Urteil jeweils Rechtsmittel ein. Der EuGH hob das Urteil des EuG auf und erklärte die streitigen Kommissionsbeschlüsse für nichtig.

Die Gründe:
Das EuG ist zu dem fehlerhaften Ergebnis gelangt, dass nach einer wörtlichen, historischen, systematischen und teleologischen Auslegung der Fusionskontrollverordnung die nationalen Wettbewerbsbehörden bei der Kommission die Prüfung eines Zusammenschlusses beantragen könnten, der nicht nur keine europaweite Bedeutung hat, sondern darüber hinaus ihrer Kontrollzuständigkeit entzogen ist, weil er nicht die anwendbaren nationalen Schwellenwerte erreicht.

Insbesondere hat das EuG zu Unrecht festgestellt, dass diese Verordnung ein "Korrektiv" vorsehe, das auf eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse mit erheblichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Union abziele. Die Auslegung des EuG ist geeignet, das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen mit dieser Verordnung verfolgten Zielen zu stören. Insoweit sind die Schwellenwerte, die festgelegt werden, um zu bestimmen, ob ein Zusammenschluss anzumelden ist oder nicht, ein wichtiger Garant für Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen. Diese müssen leicht feststellen können, ob ihr geplanter Zusammenschluss einer vorherigen Prüfung zu unterziehen ist und, wenn ja, durch welche Behörde und unter welchen Verfahrensanforderungen.

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EuGH PM Nr. 127 vom 3.9.2024
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