10.10.2024

Zur Verarbeitung personenbezogener Daten zwecks personalisierter Werbung

Ein soziales Online-Netzwerk wie Facebook darf nicht sämtliche personenbezogenen Daten, die es für Zwecke der zielgerichteten Werbung erhalten hat, zeitlich unbegrenzt und ohne Unterscheidung nach ihrer Art verwenden. Der Umstand, dass Maximilian Schrems bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion seine sexuelle Orientierung mitgeteilt hat, gestattet dem Betreiber einer Online-Plattform für ein soziales Netzwerk nicht, andere Daten über seine sexuelle Orientierung zu verarbeiten, die er ggf. außerhalb dieser Plattform im Hinblick darauf erhalten hat, sie zu aggregieren und zu analysieren, um ihm personalisierte Werbung anzubieten.

EuGH v. 4.10.2024 - C-446/21
Der Sachverhalt:
Maximilian Schrems (Kläger) wendet sich vor den österreichischen Gerichten gegen die seiner Ansicht nach rechtswidrige Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch die Beklagte (Meta Platforms Ireland) im Rahmen des sozialen Online-Netzwerks Facebook. Dabei geht es u.a. um Daten zu seiner sexuellen Orientierung. Die Beklagte erhebt personenbezogene Daten der Nutzer von Facebook, darunter der Kläger, über deren Tätigkeiten innerhalb und außerhalb dieses sozialen Netzwerks. Dazu gehören u.a. Daten über den Abruf der Online-Plattform sowie von Websites und Anwendungen Dritter. Zu diesem Zweck verwendet die Beklagte auf den betreffenden Websites eingebaute "Cookies", "Social Plugins" und "Pixel" (Begriffserklärungen siehe unten).

Die Beklagte kann anhand der ihr zur Verfügung stehenden Daten auch das Interesse des Klägers an sensiblen Themen wie sexuelle Orientierung erkennen, was es ihr ermöglicht, hierzu zielgerichtete Werbung an ihn zu richten (Seit dem 6.11.2023 sind die Dienste von Facebook nur noch für die Nutzer kostenlos, die zugestimmt haben, dass ihre personenbezogenen Daten erhoben und verwendet werden, um personalisierte Werbung an sie zu richten. Nutzer haben seitdem die Möglichkeit, ein kostenpflichtiges Abonnement abzuschließen, um Zugang zu einer Version dieser Dienste ohne zielgerichtete Werbung zu erhalten.).

Es stellt sich vorliegend die Frage, ob der Kläger ihn betreffende sensible personenbezogene Daten dadurch offensichtlich öffentlich gemacht hat, dass er bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion die Tatsache, dass er homosexuell sei, mitgeteilt und somit die Verarbeitung dieser Daten gemäß der DSGVO genehmigt hat. In diesem Kontext hat der mit der Sache befasste österreichische Oberste Gerichtshof das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um Auslegung der DSGVO ersucht.

Die Gründe:
Der in der DSGVO festgelegte Grundsatz der "Datenminimierung" steht dem entgegen, dass sämtliche personenbezogenen Daten, die ein Verantwortlicher wie der Betreiber einer Online-Plattform für ein soziales Netzwerk von der betroffenen Person oder von Dritten erhält und die sowohl auf als auch außerhalb dieser Plattform erhoben wurden, zeitlich unbegrenzt und ohne Unterscheidung nach ihrer Art für Zwecke der zielgerichteten Werbung aggregiert, analysiert und verarbeitet werden.

Es ist vorliegend nicht ausgeschlossen, dass der Kläger durch seine Aussage bei der fraglichen Podiumsdiskussion seine sexuelle Orientierung offensichtlich öffentlich gemacht hat. Es wird Sache des österreichischen Obersten Gerichtshofs sein, dies zu beurteilen. Der Umstand, dass eine betroffene Person Daten zu ihrer sexuellen Orientierung offensichtlich öffentlich gemacht hat, führt zwar dazu, dass diese Daten unter Einhaltung der Vorschriften der DSGVO verarbeitet werden können. Dieser Umstand allein berechtigt jedoch nicht, andere personenbezogene Daten zu verarbeiten, die sich auf die sexuelle Orientierung dieser Person beziehen.

Daher gestattet der Umstand, dass sich eine Person bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion zu ihrer sexuellen Orientierung geäußert hat, dem Betreiber einer Online-Plattform für ein soziales Netzwerk nicht, andere Daten über ihre sexuelle Orientierung zu verarbeiten, die er ggf. außerhalb dieser Plattform von Anwendungen und Websites dritter Partner im Hinblick darauf erhalten hat, sie zu aggregieren und zu analysieren, um dieser Person personalisierte Werbung anzubieten.

Hintergrund:
  • Cookies, die auf dem verwendeten Gerät installiert sind, erlauben Meta, die Quelle der Aufrufe zuzuordnen.
  • Die "Social Plugins" von Facebook werden von dritten Betreibern von Websites in ihre Seiten "eingebaut". Am weitesten verbreitet ist die Schaltfläche "Gefällt mir" von Facebook. Bei jedem Abruf von Websites, die diese Schaltfläche enthalten, werden die auf dem verwendeten Gerät hinterlegten Cookies, die URL der besuchten Seite und weitere Daten wie IP-Adressen und Zeitangaben an Meta übertragen. Zu diesem Zweck ist es nicht erforderlich, dass der Nutzer die Schaltfläche "Gefällt mir" angeklickt hat, da die bloße Betrachtung einer Website, die ein solches Plugin enthält, ausreicht, um diese Daten anschließend an diese Gesellschaft zu übermitteln.
  • Pixel können, ebenso wie Social Plugins, in die Seiten von Websites integriert werden und ermöglichen es, Informationen über die Nutzer zu erheben, die diese Seiten besucht haben, insbesondere um die Werbung auf diesen Seiten zu messen und zu optimieren. Beispielsweise können Betreiber von Websites, indem sie einen Facebook-Pixel in ihre eigene Website integrieren, von Meta Berichte darüber erhalten, wie viele Personen ihre Werbung auf Facebook gesehen haben und sich dann anschließend mit ihrer eigenen Website verbunden haben, um diese zu besuchen oder einen Kauf zu tätigen.

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag
EuGH: Einschränkung der Datennutzung durch Facebook
Jan Pfeiffer, CR 2024, R53
CR0067065

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