26.02.2025

Zur Verjährung von Rückzahlungsansprüchen des Versicherungsnehmers einer privaten Krankenversicherung

Der Versicherungsnehmer erlangt bei einem Anspruch auf Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen aufgrund einer unwirksamen Prämienanpassung die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes mit Erhalt der seiner Ansicht nach formal unzureichenden Änderungsmitteilung. Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände hat der versicherte aufgrund des vorangegangenen Erhalts der entsprechenden Mitteilung der Prämienanpassungen bereits zum Zeitpunkt der Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeträge.

BGH v. 29.1.2025 - IV ZR 221/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten bis Ende 2015 eine Krankenversicherung u.a. in den Tarifen B nebst gesetzlichem Beitragszuschlag und T. Die Beklagte hatte sie über Prämienerhöhungen im Tarif B nebst gesetzlichem Beitragszuschlag zum 1.1.2010 um 52,07 €, zum 1.1.2011 um 41,96 € und zum 1.4.2013 um 35,49 € sowie im Tarif T zum 1.1.2010 um 9,41 €, zum 1.4.2013 um 10 €, zum 1.4.2014 um 4,13 € und zum 1.4.2015 um 12,73 € informiert. Die Klägerin hielt die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig.

Mit Anwaltsschreiben aus April 2018 forderte die Klägerin die Beklagte u.a. zur Rückzahlung der auf diese Beitragsanpassungen gezahlten Prämienanteile einschließlich daraus gezogener Nutzungen auf. Die Beklagte wies die Ansprüche zurück. Mit ihrer am 14.11.2018 bei Gericht eingegangenen Klage forderte die Klägerin die Rückzahlung von 9.390,18 € nebst Zinsen ab dem 1.5.2018 und verlangte die Feststellung, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie vor dem 1.5.2018 aus diesem Betrag gezogen hat, verpflichtet ist.

Das LG hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 2.106,69 € nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie in der Zeit vom 1.1.2015 bis zum 30.4.2018 aus dem Zahlbetrag gezogen hat. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Mögliche Ansprüche der Klägerin auf Rückgewähr der Erhöhungsbeträge, die die Klägerin bis zum 31.12.2014 gezahlt hatte, sowie auf Herausgabe der daraus gezogenen Nutzungen (§ 217 BGB) waren vor Klageerhebung verjährt.

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass für Bereicherungsansprüche aus § 812 Abs. 1 BGB wegen rechtsgrundloser Zahlung von Erhöhungsbeträgen Verjährung eingetreten ist und die Beklagte die Leistung daher verweigern konnte (§ 214 Abs. 1 BGB). Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem die Prämienanteile gezahlt wurden, da die Klägerin ab dem vorangegangenen Zugang der Mitteilung über die Prämienanpassungen die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners hatte. Die Frist für hier noch in Rede stehenden Zahlungen lief damit spätestens mit dem Ende des Jahres 2017 ab.

Der Versicherungsnehmer erlangt bei einem Anspruch auf Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen aufgrund einer unwirksamen Prämienanpassung die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes mit Erhalt der seiner Ansicht nach formal unzureichenden Änderungsmitteilung (BGH v. 25.10.2023 - IV ZR 330/22; vgl. BGH v. 17.11.2021 - IV ZR 113/20). Die erforderliche Kenntnis von anspruchsbegründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Gläubiger die Erhebung einer Klage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (BGH v. 22.6.2022 - IV ZR 193/20). Als anspruchsbegründende Tatsachen werden dabei grundsätzlich solche Umstände nicht angesehen, die unter die Behauptungs- und Beweislast des Beklagten fallen. Danach wäre der Klägerin die Klageerhebung bereits ab Mitteilung der Prämienanpassungen - und Zahlung des ersten Erhöhungsbetrages - möglich gewesen.

Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass auch etwaige auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge gerichtete Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB verjährt waren. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung liegt in der unberechtigten Geltendmachung der nicht geschuldeten Erhöhungsbeträge aus der unwirksamen Prämienanpassung bei der Beitragsabrechnung des Versicherers. Wenn ein Partner eines gegenseitigen Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner ableitet, die ihm nicht zustehen, kommt ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht.

Die danach möglichen Schadensersatzansprüche aufgrund der Geltendmachung von Ansprüchen aus formell und/oder materiell unwirksamen Prämienanpassungen wären spätestens im Jahr 2014 entstanden. Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände hatte die Klägerin auch insoweit aufgrund des vorangegangenen Erhalts der entsprechenden Mitteilung der Prämienanpassungen bereits zum Zeitpunkt der Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeträge.

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