08.08.2017

Zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen

Für die Beurteilung, ob eine Wortmarke oder deren Bestandteile die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, kommt es nicht darauf an, welche Bedeutung der Markeninhaber dem Markenwort beimessen will; maßgeblich ist vielmehr die Sicht des angesprochenen Verkehrs. Eine Verwechslungsgefahr kann ausnahmsweise trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen wegen eines ohne weiteres erkennbaren eindeutigen abweichenden Begriffsinhalts der Zeichen zu verneinen sein; ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht hierfür jedoch nicht aus.

BGH 2.3.2017, I ZR 30/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz für die beim Deutschen Patent- und Markenamt im April 2003 für "Dienstleistungen eines Apothekers, nämlich Beratungen in der Pharmazie" eingetragene deutsche Wortmarke Nr. 30200734 "Medicon-Apotheke" und die im Juli 2010 für "medizinische Dienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Apothekers, Beratung in der Pharmazie" eingetragene deutsche Wort-Bild-Marke Nr. 302009051781, die aus den beiden übereinander stehenden Worten MEDICON (blau) und APOTHEKE (rot) besteht.

Die Beklagte betreibt eine Apotheke in P unter der Bezeichnung "MediCo Apotheke" und unterhält unter der Domain "medico-apotheke-p " einen Internetauftritt, in dem sie die Bezeichnung "MediCo Apotheke" verwendet. Nach ihrer Behauptung betreibt sie die Apotheke bereits seit dem Jahr 2011 auf dem Gelände des B in dem dort befindlichen Gesundheitszentrum "MediCo". Die Klägerin sieht in der Verwendung der Bezeichnung "MediCo Apotheke" eine Verletzung der ihr lizenzierten Marken unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage insbesondere Unterlassung sowie Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein auf die Wortmarke "Medicon-Apotheke" gestützter Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 S. 1 MarkenG nicht verneint werden.

Das OLG hat zu Unrecht angenommen, zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen bestehe keine Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Das OLG hat den Grad der Kennzeichnungskraft der Wortmarke nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Das Kunstwort "Medicon" ist der deutschen Sprache fremd. Die Annahme des OLG, der Verkehr fasse die Bezeichnung "Medicon" ohne Weiteres als Kombination der Wortbestandteile "medi" und "con" auf, widerspricht jedoch dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr in der Regel nicht zu einer zergliedernden und analysierenden Betrachtung eines Zeichens neigt. Die Annahme, der Verkehr verstehe den Wortbestandteil "medi" als Abkürzung der beschreibenden Begriffe "Medizin", "medizinisch" oder "Medikament" und den Wortbestandteil "con" als Abkürzung des Begriffs "consulting", wird zudem von seinen Feststellungen nicht getragen.

Das OLG hat seine Beurteilung der Verkehrsauffassung damit begründet, dass nach dem Vortrag der Klägerin die Markeninhaberin ein innovatives Konzept für den Betrieb von Apotheken entwickelt habe, in dessen Mittelpunkt eine qualitativ hochwertige Beratung und die Beratung zu Präparaten stehe, die auf natürliche Weise die eigenen Körperfunktionen unterstützten. Für die Beurteilung, ob eine Wortmarke oder deren Bestandteile die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, kommt es jedoch nicht darauf an, welche Bedeutung der Markeninhaber dem Markenwort beimessen will. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht des angesprochenen Verkehrs.

Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann zudem die Zeichenähnlichkeit nicht verneint werden. Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild oder in der Bedeutung zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem dieser Wahrnehmungsbereiche aus; es genügt daher, wenn die Zeichen einander entweder im (Schrift-)Bild oder im Klang oder in der Bedeutung ähnlich sind. Allerdings kann eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn zumindest einem der Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukommt. Dies setzt jedoch einen die Zeichen unterscheidenden, ohne weiteres erkennbaren konkreten Begriffsinhalt voraus; ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht nicht aus.

Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des OLG, der Annahme der Zeichenähnlichkeit stehe der Umstand entgegen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt hätten. Die Ansicht des OLG, die einander gegenüberstehenden Zeichen hätten einen klar erkennbaren, die Zeichen unterscheidenden Sinngehalt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ihr liegt die im Rahmen der Beurteilung der Kennzeichnungskraft rechtsfehlerhaft vorgenommene zergliedernde und analysierende Betrachtung der Bedeutung des Worts "Medicon" zugrunde; sie wird zudem nicht von den Feststellungen des OLG getragen. Bei Identität der Dienstleistungen, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Wortmarke und schriftbildlicher Zeichenähnlichkeit kann die Verwechslungsgefahr nicht verneint werden. Dies gilt erst recht, wenn zusätzlich von klanglicher Zeichenähnlichkeit auszugehen wäre. Im Falle hoher Zeichenähnlichkeit könnte auch bei nur unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Klagemarke Verwechslungsgefahr bestehen.

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