06.03.2017

Zur Verrechnung wechselseitiger Forderungen im Kontokorrentverhältnis

Die Verrechnung wechselseitiger Forderungen im Kontokorrentverhältnis benachteiligt die Gläubiger nicht, soweit die eingegangenen Gutschriften auf der Bezahlung solcher Forderungen beruhen, welche der Bank anfechtungsfest zur Sicherheit abgetreten worden waren, und der Bank eine anfechtungsfeste Sicherheit am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift zusteht. Die mit der Einzahlung auf ein bei der Bank geführtes Kontokorrentkonto des Schuldners verbundene Kontokorrentbindung steht einem AGB-Pfandrecht der Bank am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift nicht entgegen

BGH 12.1.2017, IX ZR 245/14
Der Sachverhalt:
Die S-GmbH (Schuldnerin) unterhielt bei der Beklagten ein Kontokorrentkonto. Die Beklagte räumte der Schuldnerin im Mai 2008 einen Rahmenkredit zugunsten des Kontokorrents i.H.v. 350.000 € ein. Einbezogen waren neben den Allgemeinen Kreditbedingungen der Beklagten auch deren AGB. Zudem erfolgte eine Globalabtretung; die Schuldnerin trat mit Vereinbarung von Mai 2008 zur Sicherung aller Ansprüche der Beklagten aus der bankmäßigen Geschäfts-verbindung gegen die Schuldnerin die ihr aus Warenlieferungen und Leistungen gegen alle Kunden mit den Anfangsbuchstaben A-Z gegenwärtig und zukünftig zustehenden Forderungen an die Beklagte ab.

Im November 2009 betrug der Sollsaldo des Kontokorrentkontos rd. 330.000 €. Aufgrund von Zahlungseingängen, denen an die Beklagte abgetretene Forderungen zugrunde lagen, ging er innerhalb eines Monats auf rd. 101.000 € zurück. Auf einen Insolvenzantrag von Dezember 2009 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren am 1.2.2010 und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Mit Schreiben vom 5.1.2010 kündigte die Beklagte die Kreditlinie. Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung Rückgewähr von rd. 230.000 €, um welche die Kreditlinie vor dem Insolvenzantrag zurückgeführt worden ist.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des LG zurück.

Die Gründe:
Eine Anfechtung setzt nach § 129 Abs. 1 InsO voraus, dass die Rechtshandlung die Insolvenzgläubiger benachteiligt. Hieran fehlt es vorliegend.

Die Verrechnung wechselseitiger Forderungen im Kontokorrentverhältnis benachteiligt die Gläubiger nicht, soweit die eingegangenen Gutschriften auf der Bezahlung solcher Forderungen beruhen, welche der Bank anfechtungsfest zur Sicherheit abgetreten worden waren. In diesem Fall gelangt die Einzahlung der Drittschuldner auf das bei der Bank geführte Konto des Schuldners unmittelbar in das Vermögen der Bank. Diese erhält den Erlös aufgrund der Sicherungsabtretung als wahre Berechtigte, und zwar auch dann, wenn die Abtretung noch nicht offen gelegt war. Zwar erlischt mit der Zahlung die an die Bank als Sicherheit abgetretene Forderung. Die Bank erwirbt jedoch nach ihren AGB (§ 14 Abs. 1 AGB-Banken oder § 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen) an deren Stelle ein Pfandrecht an dem neu entstandenen Anspruch des Schuldners aus § 667 BGB.

Hierbei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen unmittelbaren Sicherheitentausch, der die Gläubiger nicht benachteiligt, wenn die Bank an im Voraus abgetretenen Forderungen ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht gem. § 51 Nr. 1 InsO erworben hatte, welches sich als Pfandrecht an dem auf das Konto der Schuldnerin bei der Beklagten eingezahlten Beträgen fortsetzte. So liegt es hier. Die Beklagte erhielt den Erlös aus den Forderungen, welche die Drittschuldner mit der Überweisung auf das Kontokorrentkonto der Schuldnerin bezahlten, als wahre Berechtigte, weil die Schuldnerin diese Forderungen nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien aufgrund der Globalabtretung wirksam an die Beklagte abgetreten hatte. Dass die Forderungsabtretungen anfechtbar gewesen seien, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Die Zahlungen der Drittschuldner auf das Kontokorrentkonto führten dazu, dass die Einzelforderungen untergingen und an ihre Stelle der Anspruch der Schuldnerin auf Gutschrift trat (§ 667 BGB). Dieser Anspruch auf Gutschrift unterliegt der Kontokorrentbindung. Jedoch ist der Anspruch auf Gutschrift pfändbar, so dass die Kontokorrentbindung einem AGB-Pfandrecht der Banken an diesem Anspruch nicht entgegensteht. Vorliegend enthielt § 21 Abs. 1 der wirksam vereinbarten AGB der Beklagten ein Pfandrecht zugunsten der Beklagten an Werten jeder Art, die im bankmäßigen Geschäftsverkehr durch den Kunden oder durch Dritte für seine Rechnung in die Verfügungsgewalt der Beklagten gelangen. Ausdrücklich erfasst werden auch Ansprüche des Kunden gegen die Bank und damit auch der Anspruch auf Gutschrift.

Die Kontokorrentbindung verhindert zwar, dass nach Eintritt der Kontokorrentbindung selbständige Verfügungen über die in das Kontokorrent eingebrachten Forderungen möglich sind. Sie steht jedoch nach der Rechtsprechung des Senats einem anfechtungsfesten Sicherheitentausch im Verhältnis der Parteien der Kontokorrentabrede nach Zahlungseingängen auf das Kontokorrentkonto nicht entgegen. Daher mag zwar für die Anfechtbarkeit im Streitfall der Kontokorrentabschluss im Januar 2010 maßgeblich sein und die Beklagte zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Insolvenzantrag gehabt haben; zu ihren Gunsten bestand jedoch eine anfechtungsfeste Sicherheit mit dem Pfand-recht am Anspruch auf Gutschrift.

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