Zur Vorlagepflicht der Geschäftsführer hinsichtlich der geprüften Jahresabschlüsse
KG Berlin 11.8.2011, 23 U 114/11Der Verfügungsbeklagte ist Geschäftsführer der Verfügungsklägerin zu 1). Die Gesellschaft ist mit der Umwandlung eines ehemaligen Marinestützpunktes in Schleswig-Holstein in ein Ferienresort befasst. Der Verfügungsbeklagte wurde auf einer Gesellschafterversammlung mit den Stimmen der Verfügungsklägerin zu 2), die 90 % der Geschäftsanteile der Gesellschaft hält, mit sofortiger Wirkung abberufen. Die weitere Gesellschafterin, die durch den Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer vertreten wird, stimmte gegen diese Beschlüsse. Diese wurden nicht festgestellt und nicht zur Eintragung angemeldet. Ein Antrag der Verfügungsklägerin zu 1) auf Bestellung eines Notgeschäftsführers wurde vom Registergericht zurückgewiesen.
Der Verfügungsbeklagte hatte bis zu seiner Abberufung den Jahresabschluss 2009 nicht aufgestellt und den Gesellschaftern nicht zur Beschlussfassung vorgelegt. Außerdem hatte er der Mehrheitsgesellschafterin, die das Unternehmen allein finanziert, vor seiner Abberufung die verlangte Einsicht in Geschäftsunterlagen verweigert. Die begehrte Einsicht gewährte er erst vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung.
Die Verfügungsklägerinnen sah darin das Vertrauensverhältnis zwischen der Mehrheitsgesellschafterin und dem Geschäftsführer aufgrund schwerwiegender Pflichtverletzungen und Vertrauensbrüche unheilbar zerstört. Das LG wies den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurück. Auf die Berufung der Verfügungsklägerinnen hob das KG das Urteil auf und gab dem Antrag statt.
Die Gründe:
Dem Verfügungsbeklagten wird vorläufig untersagt, die Geschäfte der Gesellschaft zu führen.
Die Abberufung des Verfügungsbeklagten war wirksam und das beantragte Unterlassungsgebot erforderlich, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Der Abberufungsbeschluss war formal einwandfrei zustande gekommen. Die Entscheidung über die Abberufung des Geschäftsführers fiel gem. § 46 Nr. 5 GmbHG in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung. Für einen Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer aus wichtigem Grund genügt im Hinblick auf die zwingende Regelung des § 38 Abs. 2 GmbHG die einfache Mehrheit. Entgegenstehende Satzungsregelungen sind unwirksam. Die Verfügungsklägerin zu 2) verfügte zum einen über die einfache Mehrheit. Zum anderen war die andere Gesellschafterin an der Ausübung des Stimmrechts gehindert, da der sie vertretende Verfügungsbeklagte bei der Beschlussfassung über seine eigene Abberufung nicht mit stimmen konnte.
Die Abberufung des Verfügungsbeklagten war auch durch wichtige Gründe gerechtfertigt. Der Verfügungsbeklagte hat seine Geschäftsführerpflichten grob verletzt, indem er bis zu seiner Abberufung den Jahresabschluss 2009 nicht aufgestellt und den Gesellschaftern zur Beschlussfassung vorgelegt hatte. Nach § 42 Abs. 1 u. 2 GmbH hat der Geschäftsführer dafür Sorge zu tragen, dass der geprüfte Jahresabschluss den Gesellschaftern innerhalb der Frist des § 42 Abs. 2 GmbH zur Feststellung vorgelegt wird. Dies unterlassen zu haben stellt ein gravierendes Fehlverhalten dar.
Der Verfügungsbeklagte hat seine Geschäftsführerpflichten außerdem in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass er der Mehrheitsgesellschafterin, die das Unternehmen allein finanziert, vor seiner Abberufung die verlangte Einsicht in Geschäftsunterlagen verweigert hatte. Denn nach § 51a Abs. 1 GmbH hat der Geschäftsführer jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten. Auf die Erwägung des LG, dass der Verfügungsbeklagte die begehrte Einsicht letztlich noch vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung gewährt habe, kam es nicht an. Denn für die Wirksamkeit der Abberufung ist entscheidend, ob am Tag der Abberufung, ein wichtiger Grund für die Abberufung bestand. Das war der Fall.
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