Zur Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Veröffentlichung einer redaktionellen Anmerkung zu einer Gegendarstellung (sog. Redaktionsschwanz)
BGH v. 27.4.2021 - VI ZR 166/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist im Künstlermanagement tätig und vertritt unter anderem J. E. Die Beklagte verlegt die Tageszeitung "Main-Post - Würzburger Neueste Nachrichten" und verantwortet den Internetauftritt www.mainpost.de. In der Printausgabe der Beklagten vom 6.11.2012 und bereits am Vortag in der Online-Version erschien ein Artikel über J. E., in dem u.a. berichtet wurde: "A. R. von der Agentur kick.management, die E. vertritt, bestätigt den Aufenthalt der 40-Jährigen in Bad Birkenau: 'Es stimmt, sie war für sechs Wochen in der Betty-Ford-Klinik.'"
Nach gerichtlicher Anordnung veröffentlichte die Beklagte eine Gegendarstellung zu diesem Bericht mit der Erwiderung der Klägerin: "Hierzu stellen wir fest: Unser Mitarbeiter hat dies nicht geäußert." Die Gegendarstellung versah die Beklagte mit folgender Anmerkung ihrer Redaktion: "Nach Paragraf 10 Bayerisches Pressegesetz wurden wir zum Abdruck dieser Gegendarstellung verurteilt. Nach Gesetzeslage ist die Redaktion verpflichtet, nicht nur wahre, sondern auch unwahre Gegendarstellungen abzudrucken. Die Main-Post bleibt bei ihrer Darstellung vom 6.11. bzw. 5.11. in der Online-Version."
Die Klägerin war der Ansicht, die in der redaktionellen Anmerkung enthaltene Tatsachenbehauptung, der Inhalt der Gegendarstellung sei unwahr, und der damit zu Unrecht erhobene Vorwurf der Lüge seien von der Beklagten zu unterlassen.
Das LG hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten war erfolgreich..
Gründe:
Die Revision führt, soweit es um die Veröffentlichung des sog. Redaktionsschwanzes in der Printausgabe der Beklagten geht, zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin insoweit nämlich ein Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB nicht zu. Im Übrigen führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Im Ergebnis ist im Revisionsverfahren zwar mit dem Berufungsgericht von der Unwahrheit der angegriffenen Behauptung der Beklagten auszugehen. Prozessual ist davon auszugehen, dass die im Streit stehende Behauptung der Beklagten nicht (erweislich) wahr ist, weil die Beweislast für die Wahrheit dieser persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptung nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden obliegt. Die Revision macht jedoch nicht geltend, dass die Beklagte Beweisangebote zur Wahrheit ihrer Behauptung unterbreitet hätte, die vom Berufungsgericht übergangen worden wären.
Dennoch hat das Berufungsgericht die Beklagte zu Unrecht zur Unterlassung entsprechend dem Klageantrag verurteilt. Dabei kann offenbleiben, ob die Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin durch die angegriffene redaktionelle Anmerkung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtswidrig war, wie das OLG angenommen hat. Denn jedenfalls war die Bejahung der für das Bestehen eines Anspruchs entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen Wiederholungsgefahr rechtsfehlerhaft.
Die Beurteilung, ob die Wiederholungsgefahr für ein beanstandetes Verhalten fortbesteht, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Sie ist im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbar darauf, ob das Berufungsgericht von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist und keine wesentlichen Tatumstände außer Acht gelassen hat. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist das OLG noch davon ausgegangen, dass dann, wenn bereits ein - hier unterstellter - rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfolgt ist, eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr besteht.
Es hat allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, dass diese Vermutung entkräftet werden kann, wobei an die Entkräftung strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr kann ausnahmsweise etwa dann angenommen werden, wenn der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst war. Hiervon ist vorliegend sowohl hinsichtlich der vom Unterlassungsbegehren der Klägerin erfassten Printausgabe der Beklagten als auch hinsichtlich der Online-Version auszugehen.
BGH online
Die Klägerin ist im Künstlermanagement tätig und vertritt unter anderem J. E. Die Beklagte verlegt die Tageszeitung "Main-Post - Würzburger Neueste Nachrichten" und verantwortet den Internetauftritt www.mainpost.de. In der Printausgabe der Beklagten vom 6.11.2012 und bereits am Vortag in der Online-Version erschien ein Artikel über J. E., in dem u.a. berichtet wurde: "A. R. von der Agentur kick.management, die E. vertritt, bestätigt den Aufenthalt der 40-Jährigen in Bad Birkenau: 'Es stimmt, sie war für sechs Wochen in der Betty-Ford-Klinik.'"
Nach gerichtlicher Anordnung veröffentlichte die Beklagte eine Gegendarstellung zu diesem Bericht mit der Erwiderung der Klägerin: "Hierzu stellen wir fest: Unser Mitarbeiter hat dies nicht geäußert." Die Gegendarstellung versah die Beklagte mit folgender Anmerkung ihrer Redaktion: "Nach Paragraf 10 Bayerisches Pressegesetz wurden wir zum Abdruck dieser Gegendarstellung verurteilt. Nach Gesetzeslage ist die Redaktion verpflichtet, nicht nur wahre, sondern auch unwahre Gegendarstellungen abzudrucken. Die Main-Post bleibt bei ihrer Darstellung vom 6.11. bzw. 5.11. in der Online-Version."
Die Klägerin war der Ansicht, die in der redaktionellen Anmerkung enthaltene Tatsachenbehauptung, der Inhalt der Gegendarstellung sei unwahr, und der damit zu Unrecht erhobene Vorwurf der Lüge seien von der Beklagten zu unterlassen.
Das LG hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten war erfolgreich..
Gründe:
Die Revision führt, soweit es um die Veröffentlichung des sog. Redaktionsschwanzes in der Printausgabe der Beklagten geht, zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin insoweit nämlich ein Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB nicht zu. Im Übrigen führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Im Ergebnis ist im Revisionsverfahren zwar mit dem Berufungsgericht von der Unwahrheit der angegriffenen Behauptung der Beklagten auszugehen. Prozessual ist davon auszugehen, dass die im Streit stehende Behauptung der Beklagten nicht (erweislich) wahr ist, weil die Beweislast für die Wahrheit dieser persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptung nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden obliegt. Die Revision macht jedoch nicht geltend, dass die Beklagte Beweisangebote zur Wahrheit ihrer Behauptung unterbreitet hätte, die vom Berufungsgericht übergangen worden wären.
Dennoch hat das Berufungsgericht die Beklagte zu Unrecht zur Unterlassung entsprechend dem Klageantrag verurteilt. Dabei kann offenbleiben, ob die Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin durch die angegriffene redaktionelle Anmerkung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtswidrig war, wie das OLG angenommen hat. Denn jedenfalls war die Bejahung der für das Bestehen eines Anspruchs entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen Wiederholungsgefahr rechtsfehlerhaft.
Die Beurteilung, ob die Wiederholungsgefahr für ein beanstandetes Verhalten fortbesteht, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Sie ist im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbar darauf, ob das Berufungsgericht von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist und keine wesentlichen Tatumstände außer Acht gelassen hat. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist das OLG noch davon ausgegangen, dass dann, wenn bereits ein - hier unterstellter - rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfolgt ist, eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr besteht.
Es hat allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, dass diese Vermutung entkräftet werden kann, wobei an die Entkräftung strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr kann ausnahmsweise etwa dann angenommen werden, wenn der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst war. Hiervon ist vorliegend sowohl hinsichtlich der vom Unterlassungsbegehren der Klägerin erfassten Printausgabe der Beklagten als auch hinsichtlich der Online-Version auszugehen.