Zur Wirksamkeit des Widerrufs eines Immobiliendarlehensvertrages
LG Hamburg v. 5.3.2021, 318 O 27/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Mai 2011 mit der Beklagten zur Finanzierung des Erwerbs einer privat genutzten Eigentumswohnung einen Darlehensvertrag über 150.000 € vereinbart. Das Darlehen ist durch eine Grundschuld gesichert. Als Sollzins vereinbarten die Parteien einen Zinssatz von 4,66 % p.a. bei einer Zinsbindung bis zum 31.5.2026. Der Darlehensvertrag enthält eine Widerrufsinformation, in der es u.a. wörtlich heißt:
"Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat."
Mit Schreiben vom 2.7.2019 erklärte die Klägerin zunächst die Kündigung des Darlehensvertrages. Sie war unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 22.11.2016 (Az.: XI ZR 434/15) der Auffassung, dass sie den Vertrag noch wirksam widerrufen konnte, da ihr in der Vertragsurkunde nicht sämtliche Pflichtangaben mitgeteilt worden seien. So sei im Vertrag die zuständige Aufsichtsbehörde nicht genannt worden.
Das LG hat festgestellt, dass die Klägerin ab Zugang des Widerrufs vom 1.10.2019 nicht mehr aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag über 150.000 € verpflichtet ist, die vertraglich geschuldeten Zinszahlungen und Tilgungsleistungen zu erbringen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Auf die Hilfswiderklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 108.086,40 € nebst Zinsen seit dem 26.8.2020 zu zahlen Zug um Zug gegen Freigabe der im Wohnungsgrundbuch eingetragenen Grundschuld über 150.000 €.
Die Gründe:
Die Klägerin hat den Vertrag mit Schreiben vom 1.10.2019 wirksam widerrufen. Ihr stand noch ein Widerrufsrecht zu, da die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als für die Beklagte zuständige Aufsichtsbehörde nicht im Vertrag benannt ist, obwohl es sich hierbei nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen um eine Pflichtangabe handelt.
Gem. § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BGB in der hier zum Vertragsschluss maßgeblichen Fassung begann die Widerrufsfrist nicht zu laufen, bevor die Klägerin die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Die Angabe der Aufsichtsbehörde war zwar nach den zum Vertragsschluss maßgeblichen Regelungen keine gesetzliche Pflichtangabe für Immobiliardarlehensverträge der vorliegenden Art. Nach Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 EGBGB aF galten bei Immobiliardarlehensverträgen gem. § 503 BGB aF über § 492 Abs. 2 BGB reduzierte Mitteilungspflichten. Gleichwohl war die Angabe der Aufsichtsbehörde im Darlehensvertrag für das Anlaufen der Widerrufsfrist nach BGH-Rechtsprechung im vorliegenden Fall erforderlich, da der Klammerzusatz nach der Angabe des § 492 Abs. 2 BGB in der Widerrufsinformation den Antrag der Beklagten enthält, die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist auf vertraglicher Grundlage zu erweitern.
Mit dem Klammerzusatz bot die Beklagte ihren Vertragspartnern an, den Beginn der Widerrufsfrist nicht lediglich vom Erhalt der für Immobiliardarlehensverträge gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben, sondern außerdem von der Angabe weiterer Pflichtangaben wie der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde abhängig zu machen. Zugleich trug die Beklagte ihren Vertragspartnern an, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der Erteilung dieser Angaben in der für gesetzliche Pflichtangaben vorgeschriebenen Form bei Vertragsschluss und nicht lediglich im Zuge weiterer Informationen außerhalb des Vertrags abhängig zu machen. Mit der Unterzeichnung des Darlehensvertrages hat die Klägerin dieses Angebot angenommen. Daher war es vorliegend erforderlich, im Darlehensvertrag auf die zuständige Aufsichtsbehörde hinzuweisen und nicht lediglich im Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten, welches der Klägerin unstreitig bei Vertragsschluss nicht übergeben worden ist
Die Hilfswiderklage ist zulässig und begründet. Soweit die Klägerin die Hilfswiderklage in Höhe eines Betrages von 103.116,48 € anerkannt hat, war sie im Wege eines Anerkenntnisteilurteils zur Zahlung in der anerkannten Höhe zu verurteilen. Der Beklagten steht nach dem Widerruf der Klägerin auch der darüber hinaus geltend gemachte Betrag in Höhe von 4.969,92 € und damit insgesamt ein Betrag in Höhe von 108.086,40 € zu.
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Die Klägerin hatte im Mai 2011 mit der Beklagten zur Finanzierung des Erwerbs einer privat genutzten Eigentumswohnung einen Darlehensvertrag über 150.000 € vereinbart. Das Darlehen ist durch eine Grundschuld gesichert. Als Sollzins vereinbarten die Parteien einen Zinssatz von 4,66 % p.a. bei einer Zinsbindung bis zum 31.5.2026. Der Darlehensvertrag enthält eine Widerrufsinformation, in der es u.a. wörtlich heißt:
"Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat."
Mit Schreiben vom 2.7.2019 erklärte die Klägerin zunächst die Kündigung des Darlehensvertrages. Sie war unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 22.11.2016 (Az.: XI ZR 434/15) der Auffassung, dass sie den Vertrag noch wirksam widerrufen konnte, da ihr in der Vertragsurkunde nicht sämtliche Pflichtangaben mitgeteilt worden seien. So sei im Vertrag die zuständige Aufsichtsbehörde nicht genannt worden.
Das LG hat festgestellt, dass die Klägerin ab Zugang des Widerrufs vom 1.10.2019 nicht mehr aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag über 150.000 € verpflichtet ist, die vertraglich geschuldeten Zinszahlungen und Tilgungsleistungen zu erbringen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Auf die Hilfswiderklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 108.086,40 € nebst Zinsen seit dem 26.8.2020 zu zahlen Zug um Zug gegen Freigabe der im Wohnungsgrundbuch eingetragenen Grundschuld über 150.000 €.
Die Gründe:
Die Klägerin hat den Vertrag mit Schreiben vom 1.10.2019 wirksam widerrufen. Ihr stand noch ein Widerrufsrecht zu, da die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als für die Beklagte zuständige Aufsichtsbehörde nicht im Vertrag benannt ist, obwohl es sich hierbei nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen um eine Pflichtangabe handelt.
Gem. § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BGB in der hier zum Vertragsschluss maßgeblichen Fassung begann die Widerrufsfrist nicht zu laufen, bevor die Klägerin die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Die Angabe der Aufsichtsbehörde war zwar nach den zum Vertragsschluss maßgeblichen Regelungen keine gesetzliche Pflichtangabe für Immobiliardarlehensverträge der vorliegenden Art. Nach Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 EGBGB aF galten bei Immobiliardarlehensverträgen gem. § 503 BGB aF über § 492 Abs. 2 BGB reduzierte Mitteilungspflichten. Gleichwohl war die Angabe der Aufsichtsbehörde im Darlehensvertrag für das Anlaufen der Widerrufsfrist nach BGH-Rechtsprechung im vorliegenden Fall erforderlich, da der Klammerzusatz nach der Angabe des § 492 Abs. 2 BGB in der Widerrufsinformation den Antrag der Beklagten enthält, die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist auf vertraglicher Grundlage zu erweitern.
Mit dem Klammerzusatz bot die Beklagte ihren Vertragspartnern an, den Beginn der Widerrufsfrist nicht lediglich vom Erhalt der für Immobiliardarlehensverträge gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben, sondern außerdem von der Angabe weiterer Pflichtangaben wie der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde abhängig zu machen. Zugleich trug die Beklagte ihren Vertragspartnern an, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der Erteilung dieser Angaben in der für gesetzliche Pflichtangaben vorgeschriebenen Form bei Vertragsschluss und nicht lediglich im Zuge weiterer Informationen außerhalb des Vertrags abhängig zu machen. Mit der Unterzeichnung des Darlehensvertrages hat die Klägerin dieses Angebot angenommen. Daher war es vorliegend erforderlich, im Darlehensvertrag auf die zuständige Aufsichtsbehörde hinzuweisen und nicht lediglich im Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten, welches der Klägerin unstreitig bei Vertragsschluss nicht übergeben worden ist
Die Hilfswiderklage ist zulässig und begründet. Soweit die Klägerin die Hilfswiderklage in Höhe eines Betrages von 103.116,48 € anerkannt hat, war sie im Wege eines Anerkenntnisteilurteils zur Zahlung in der anerkannten Höhe zu verurteilen. Der Beklagten steht nach dem Widerruf der Klägerin auch der darüber hinaus geltend gemachte Betrag in Höhe von 4.969,92 € und damit insgesamt ein Betrag in Höhe von 108.086,40 € zu.