10.11.2015

Zur Wirksamkeit eines Pfändungspfandrechts nach der lex causae

Ist die Zahlungsklage des Verwalters in einem in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren über eine Gesellschaft nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegen einen Insolvenzgläubiger nach deutschem Recht begründet, weil das der nach Eröffnung erfolgten Auszahlung zugrunde liegende Pfändungspfandrecht infolge der Rückschlagsperre gem. § 88 InsO und die Auszahlung an den Gläubiger gem. § 91 InsO unwirksam waren, steht der Umstand, dass das Pfändungspfandrecht nach der lex causae wirksam geblieben ist, dem Erfolg der Klage nicht entgegen, wenn die Auszahlung ihrerseits nach der lex causae insolvenzrechtlich wirksam angefochten worden ist. Die Auszahlung des Geldes ist jedoch nach dem Recht der lex causae in keiner Weise angreifbar i.S.d. Art. 13 EuInsVO, wenn die nach diesem Recht geltenden Verjährungs-, Anfechtungs- oder Ausschlussfristen oder die Formvorschriften nicht eingehalten sind.

BGH 15.10.2015, IX ZR 265/12
Der Sachverhalt:
Die E-GmbH mit Sitz in Deutschland betrieb einen Autohandel. Für den österreichischen Markt bediente sie sich dazu einer Tochtergesellschaft, der österreichischen E-Autohandel-GmbH (Schuldnerin) mit Sitz in Österreich. Der österreichische Beklagte kaufte bei der Schuldnerin ein Auto, das jedoch nicht geliefert wurde. Wegen seines Schadens aus einem Deckungskauf erwirkte er am 17.3.2008 beim Bezirksgericht Bregenz einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl gegen die Schuldnerin über rd. 10.000 € zzgl. Zinsen. Am 20.5.2008 bewilligte das Bezirksgericht Bregenz als Vollstreckungsgericht die Fahrnis- und Forderungsexekution, mit der drei Konten der Schuldnerin gepfändet wurden. Die Forderungsexekution ging bei der S als Drittschuldnerin am 23.5.2008 ein.

Auf Eigenantrag vom 13.4.2008 eröffnete das AG Ravensburg (Deutschland) mit Beschluss vom 4.8.2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, in welchem die Klägerin als Insolvenzverwalterin bestellt ist. Etwa sieben Monate später, am 17.3.2009, zahlte die S als Drittschuldnerin aufgrund der Pfändung den streitgegenständlichen Betrag von rd. 12.000 € an den Beklagten aus, nachdem der damalige Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 10.3.2009 mitgeteilt hatte, dass er keine Gegenrechte gegenüber der S geltend machen werde, sich jedoch eine Insolvenzanfechtung vorbehalte.

Rund zehn Monate nach Insolvenzeröffnung erklärte der damalige Insolvenzverwalter durch außergerichtliches Schreiben vom 3.6.2009 die Insolvenzanfechtung bzgl. der Fahrnis- und Forderungsexekution vom 20.5.2008 und der Auszahlung vom 17.3.2009. Mit der am 14.10.2009 eingereichten und am 23.10.2009 zugestellten Klage begehrte er die Rückgewähr des vereinnahmten Betrages zur Masse. Der Beklagte hält die Insolvenzanfechtung nach dem österreichischen Insolvenzanfechtungsrecht für ausgeschlossen, weil die Anfechtung nicht binnen eines Jahres nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mittels Klage geltend gemacht worden sei.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH - nach Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH zu der Sache (EuGH 16.4.2015, C-557/13) - das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der Beklagte kann sich erfolgreich darauf berufen, dass die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages nach der lex causae, hier dem österreichischem Recht, infolge des Ablaufs einer Ausschlussfrist i.S.d. Art. 13 EuInsVO in keiner Weise mehr angreifbar sei und deshalb ein Anspruch nach deutschem Recht ausscheide.

Nach österreichischem Recht hätte die erforderliche Anfechtungsklage nach § 43 Abs. 2 S. 1 östKO keinen Erfolg gehabt, weil seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 4.8.2008 bereits mehr als ein Jahr verstrichen war, bevor die Insolvenzanfechtungsklage im Oktober 2009 erhoben wurde. Würde sich die Fristenregelung nicht nach der lex causae, sondern nach dem Insolvenzstatut gem. Art. 4 EuInsVO richten, wäre dagegen die Klageerhebung rechtzeitig erfolgt, weil im deutschen Insolvenzanfechtungsrecht gem. § 146 Abs. 1 InsO die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB gilt, die vorliegend gewahrt ist. Es stellen sich demzufolge nach wie vor die drei Fragen, die der Senat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt und die dieser bejaht hat.

Wie der EuGH festgestellt hat, ist Art. 13 EuInsVO dahin auszulegen, dass er auch dann anwendbar ist, wenn die von einem Insolvenzverwalter angefochtene Auszahlung eines vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gepfändeten Geldbetrages erst nach Eröffnung dieses Verfahrens erfolgt ist). Art. 13 EuInsVO ist demgemäß auf den vorliegenden Fall anwendbar. Nach dem Urteil des EuGH ist Art. 13 EuInsVO dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift enthaltene Ausnahmeregelung auch die Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausschlussfristen erfasst, die nach dem Recht vorgesehen sind, das für die vom Insolvenzverwalter angefochtene Rechts-handlung gilt. Nach österreichischem Recht hätte die Anfechtungsklage aber wegen Versäumung der Anfechtungsfrist keinen Erfolg gehabt. Dies führt dazu, dass der Beklagte der Zahlungsklage Art. 13 EuInsVO erfolgreich entgegenhalten kann.

Schließlich richten sich nach dem Urteil des EuGH die Formvorschriften für die Erhebung einer Insolvenzanfechtungsklage im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Art. 13 EuInsVO nach dem Recht, das für die vom Insolvenzverwalter angefochtene Rechtshandlung gilt, hier also nach österreichischem Recht. Während § 43 Abs. 1, Abs, 2 östKO vorsieht, dass die Anfechtung binnen eines Jahres ab der Konkurseröffnung durch Klage geltend zu machen ist, kann das Anfechtungsrecht nach deutschem Recht durch Abgabe einer nicht formbedürftigen Willenserklärung ausgeübt werden, die zum Ausdruck bringt, dass der Insolvenzverwalter einen Rückgewähranspruch durchsetzen will.

Diese Willenserklärung hat zwar als solche auf den Lauf der Verjährungsfrist nach deutschem Recht keinen Einfluss, könnte aber das Vertrauen auf die Beständigkeit der Zahlung beseitigen, wie das OLG gemeint hat. Eine entsprechende Erklärung hat der vormalige Insolvenzverwalter vor Ablauf der Jahresfrist durch Schreiben vom 3.6.2009 abgegeben, indem er die Anfechtung der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages erklärt hat. Da die Art und Weise der Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs sich aber nach der lex causae richtet, hat der Kläger in offener österreichischer Frist die erforderliche Form nicht eingehalten.

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