Zur Zulässigkeit der Veröffentlichung kontextbezogener Fotos in einem Presseartikel über Prominente beim Besuch einer Vernissage
BGH 18.10.2011, VI ZR 5/10Die Klägerin, eine Tochter von Caroline Prinzessin von Hannover und Nichte des Staatsoberhaupts des Fürstentums Monaco, verlangt von der Beklagten als Verlegerin der Zeitschrift "Bunte" die Unterlassung einer Bildberichterstattung.
In einer Ausgabe der Zeitschrift von April 2008 wurde unter der Überschrift "Die lange Nacht der Goldkinder" ein Artikel veröffentlicht, der u.a. mit einem die Klägerin zeigenden Foto bebildert ist, in das folgender Text eingeblendet ist: "Im Gedränge der Vernissage: Galerist und Millionenerbe Alex D. und eine Besucherin diskutieren mit der jungen Kunstkolumnistin Charlotte Casiraghi die Werke eines Warhol-Schülers in der Scream Gallery, die Rolling Stone Ron Wood gehört". Der Artikel befasst sich mit dem Londoner Nachtleben der in der Berichterstattung sog. "Jungsociety", u.a. mit dem Besuch der Klägerin in der Vernissage.
LG und KG verurteilten die Beklagte, es zu unterlassen, "das Foto auf Seite 22 in Bunte Nr. 16 vom 10.4.2008 mit der Bildinnenschrift "Im Gedränge der Vernissage: Galerist und Millionenerbe Alex D. und eine Besucherin diskutieren mit der jungen Kunstkolumnistin Charlotte Casiraghi" das u.a. Charlotte Casiraghi zeigt, erneut zu veröffentlichen". Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des KG steht der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu. Die beanstandete Bildveröffentlichung war nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zulässig.
Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Hiervon besteht gem. § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinne zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Die grundrechtliche Gewährleistung umfasst auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- oder Alltagsleben prominenter Personen, sowie die Abbildung von Personen.
Allerdings bedarf es bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Dabei ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, oder ob sie lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen. Insoweit reicht allerdings bereits die Möglichkeit aus, dass der Beitrag der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann.
Nach diesen Grundsätzen liegt bei Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Veröffentlichung einschließlich der Wortberichterstattung ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vor. Es handelt sich um einen unterhaltenden Beitrag über das Privat- oder Alltagsleben prominenter Personen, der Anlass zu sozialkritischen Überlegungen sein kann. Es interessiert weite Kreise der Öffentlichkeit zu erfahren, dass junge Menschen als Abkömmlinge reicher/adliger Prominenz an einem Londoner Abend ihre Freizeit in der in dem Artikel geschilderten Weise gestalten. In diesem Zusammenhang wird auch über die Eröffnung der Vernissage berichtet, bei der das beanstandete Foto aufgenommen wurde.
Es handelt sich nicht um einen Eingriff in den privaten Bereich oder einen Bericht, der sich auf das Privatleben der Klägerin beschränkt. Die Klägerin hat sich durch die Teilnahme an der Veranstaltung in den Bereich des gesellschaftlichen Lebens begeben. Dies gilt insbes. im Hinblick darauf, dass sie selbst in dem "AnOther Magazine" über eine Kunstausstellung in Spanien berichtet hat und der Besuch der Kunstausstellung mithin bei ihr nicht nur unter privaten Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Insbes. an dem Bezug zur Tätigkeit der Klägerin als "junge Kunstkolumnistin" und ihrem vertrauten Umgang mit Galleristen wird aufgezeigt, welche Türen für Nachkommen gesellschaftlich einflussreicher und vermögender Personen offenstehen, wodurch zugleich ihre berufliche Entwicklung gefördert wird.
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