22.09.2011

Zur Zurechnung von Stimmrechten eines Dritten in fremdnützigen Verwaltungstreuhandverhältnissen bei abgestimmtem Verhalten (§ 22 Abs. 2 WphG)

Eine aktienrechtliche Beschlussmängelklage wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft nur dann nach § 240 ZPO unterbrochen, wenn der angefochtene Beschluss zu einer Vergrößerung der Insolvenzmasse führt. Im Rahmen eines fremdnützigen Verwaltungstreuhandverhältnisses werden dem Treuhänder Stimmrechte eines Dritten, der sein Verhalten mit dem Treugeber abgestimmt hat, nicht nach § 22 Abs. 2 WpHG zugerechnet.

BGH 19.7.2011, II ZR 246/09
Der Sachverhalt:
Die drei Kläger sind Aktionäre der Beklagten, einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Sie haben Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen verschiedene Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 26.8.2008 erhoben. Der Kläger zu 3) hielt treuhänderisch für L. V. 52.262 von insgesamt 4.130.633 Stückaktien bei einem Grundkapital der Beklagten i.H.v. rd. 4,1 Mio. €. Die Aktionäre Dr. T. G. und S. G. (die Eheleute G) hielten 93.411 bzw. 93.410 Aktien. Sie hatten ihr Stimmverhalten mit L. V. abgestimmt.

Der Kläger zu 3) hatte der Beklagten und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitgeteilt, dass ihm 52.262 Aktien direkt zustünden und weitere 186.830 Aktien gem. § 22 Abs. 2 WpHG zuzurechnen seien. Nachdem L. V. diese Mitteilung gegenüber der Beklagten und der BaFin zurückgenommen hatte, lagen zuletzt noch Meldungen von L. V., Dr. T. G. und S. G. vor, wonach u.a. L. V. sämtliche Aktien der Eheleute G und des Klägers zu 3) zuzurechnen sein.

Die Beklagte, die mit den Klägern zu 1) und 2) einen Vergleich geschlossen hat, ist der Auffassung, der Kläger zu 3) habe seine Mitteilungspflicht aus § 21 WpHG verletzt und sei daher gem. § 28 S. 1 WpHG nicht klagebefugt.

LG und OLG wiesen die Klage des Klägers zu 3) ab. Auf dessen Revision hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Revisionsverfahren wurde durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten nicht unterbrochen. Eine aktienrechtliche Beschlussmängelklage wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft nur dann nach § 240 ZPO unterbrochen, wenn der angefochtene Beschluss zu einer Vergrößerung der Insolvenzmasse führt. Danach führte hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf keinen der angefochtenen Beschlüsse zu einer Unterbrechung des Verfahrens, da diese entweder masseneutral sind oder aber zu einer Verringerung der Masse führen.

Bei der - hier vorliegenden - sog. (fremdnützigen) Verwaltungstreuhand werden die Stimmrechte des Treuhänders dem Treugeber nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet. Das hat zur Folge, dass sowohl der Treuhänder - wegen der ihm gehörenden Aktien und der daraus folgenden Stimmrechte - als auch der Treugeber - wegen der ihm zuzurechnenden Stimmrechte - mitteilungspflichtig sein können. Das allein führte hier aber noch nicht zu einer Mitteilungspflicht des Klägers. Denn sein Aktienbesitz (52.262 Stück) erreichte nicht die nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG meldepflichtige Schwelle von 3 Prozent der Stimmrechte. Anders wäre es nur, wenn dem Kläger die Stimmrechte der Eheleute G zuzurechnen wären (dann 5,79 Prozent).

Rechtsfehlerhaft ist aber die weitere Annahme des OLG, in einem Treuhandverhältnis seien dem Treuhänder nach § 22 Abs. 2 WpHG auch die Stimmrechte anderer Aktionäre zuzurechnen, wenn der Treugeber sein Stimmverhalten mit diesen abstimme. Nach § 22 Abs. 2 S. 1 WpHG findet eine Zurechnung von Stimmrechten zwischen solchen Personen statt, die ihr Verhalten aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abgestimmt haben. Das waren hier L. V. und die Eheleute G, nicht dagegen der Kläger. Eine "Weiterreichung" der den Treugeber aufgrund seines "acting in concert" treffenden Mitteilungspflicht nach § 21 Abs. 1 S. 1, § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 WpHG an den daran nicht beteiligten Treuhänder widerspräche damit schon dem Wortlaut des Gesetzes.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), und die Sache an das OLG zurückzuverweisen, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Zwar sind Nichtigkeitsgründe nicht gegeben; hinsichtlich der geltend gemachten Anfechtungsgründe fehlt es aber an hinreichenden Feststellungen für eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts.

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