25.10.2011

Zur Zuständigkeit nationaler Gerichte bei Verfahren betreffend Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch Inhalte auf Internetseiten

Die Opfer von Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die über das Internet begangen werden, können wegen des gesamten entstandenen Schadens die Gerichte ihres Wohnsitzmitgliedstaats anrufen. Der Betreiber einer Website, für die die Richtlinie über den elektronischen Rechtsverkehr gilt, darf jedoch in diesem Staat keinen strengeren als den im Recht seines Sitzmitgliedstaats vorgesehenen Anforderungen unterworfen werden.

EuGH 25.10.2011, C-509/09 u.a.
Der Sachverhalt:

+++ C-509/09 +++
Der in Deutschland wohnhafte X wurde im Jahr 1993 zusammen mit seinem Bruder von einem deutschen Gericht wegen Mordes an einem bekannten Schauspieler zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Januar 2008 wurde er auf Bewährung entlassen. Die in Österreich niedergelassene Gesellschaft eDate Advertising betreibt unter der Adresse "www.rainbow.at" ein Internetportal, auf dem sie über Rechtsbehelfe von X und dessen Bruder gegen ihre Verurteilung berichtete.

Obwohl eDate Advertising die streitige Meldung aus ihrem Internetauftritt entfernte, beantragte X bei den deutschen Gerichten, der österreichischen Gesellschaft aufzugeben, es zu unterlassen, über ihn im Zusammenhang mit der Tat unter voller Namensnennung zu berichten. eDate Advertising rügt ihrerseits die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung über diesen Rechtsstreit, da sie der Auffassung ist, dass sie nur vor den österreichischen Gerichten verklagt werden könne.

+++ C 161/10 +++
Am 3.2.2008 erschien auf der Website der britischen Zeitung Sunday Mirror ein in Englisch verfasster, mit "Kylie Minogue ist wieder mit Olivier Martinez zusammen" überschriebener Text mit Details zu einem Treffen zwischen der australischen Sängerin und dem französischen Schauspieler. Dieser und dessen Vater Robert Martinez rügen eine Verletzung ihres Privatlebens sowie des Rechts am eigenen Bild von Olivier Martinez. Sie gingen in Frankreich gegen die britische Gesellschaft MGN, die Herausgeberin des Sunday Mirror, vor.

Diese bestreitet wie eDate Advertising die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, denn sie ist der Ansicht, dass es an einem hinreichend engen Bezug zwischen der Veröffentlichung im Vereinigten Königreich und dem geltend gemachten Schaden im französischen Hoheitsgebiet fehle. Allein ein solcher Bezug könne aber die Zuständigkeit der französischen Gerichte für die Entscheidung über die schädigenden Ereignisse im Zusammenhang mit der streitigen Veröffentlichung im Internet begründen.


Der BGH (C-509/09) und das Tribunal de grande instance de Paris (C 161/10) haben den EuGH um Klärung hinsichtlich der Zuständigkeit der nationalen Gerichte bei Verfahren betreffend Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Inhalte auf Internetseiten ersucht.

Die Gründe:
Anders als bei der gebietsabhängigen Verbreitung eines Druckerzeugnisses können die Veröffentlichung von Inhalten auf einer Website von einer unbestimmten Zahl von Internetnutzern überall auf der Welt unmittelbar abgerufen werden. Aus diesem Grund kann die weltumspannende Verbreitung zum einen die Schwere der Verletzungen von Persönlichkeitsrechten erhöhen, und zum anderen ist es dadurch sehr schwierig, die Orte zu bestimmen, an denen sich der Erfolg des aus diesen Verletzungen entstandenen Schadens verwirklicht hat.

Unter diesen Umständen - und da die Auswirkungen eines im Internet veröffentlichten Inhalts auf die Persönlichkeitsrechte einer Person am besten von dem Gericht des Ortes beurteilt werden können, an dem das Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen hat - erklärt der EuGH dieses Gericht für zuständig, über den gesamten im Gebiet der EU verursachten Schaden zu entscheiden. In diesem Zusammenhang gilt, dass der Ort, an dem eine Person den Mittelpunkt ihrer Interessen hat, im Allgemeinen ihrem gewöhnlichen Aufenthalt entspricht.

Das Opfer kann aber anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des gesamten Schadens auch die Gerichte jedes Mitgliedstaats anrufen, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. In diesem Fall sind die Gerichte wie bei Schäden durch ein Druckerzeugnis nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Staates entstanden ist, in dem sie ihren Sitz haben. Ebenso kann die verletzte Person wegen des gesamten entstandenen Schadens auch die Gerichte des Mitgliedstaats anrufen, in dem der Urheber der im Internet veröffentlichten Inhalte niedergelassen ist.

Schließlich legt der EuGH die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr dahin aus, dass es der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs grundsätzlich nicht zulässt, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs im Aufnahmemitgliedstaat strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das Recht des Mitgliedstaats vorsieht, in dem der Anbieter niedergelassen ist

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 115 vom 25.10.2011
Zurück