01.04.2025

1970er Fertighaus: Kein Rücktritt vom Kaufvertrag wegen vermeintlicher Schadstoff- und Geruchsbelastung

Nach BGH-Rechtsprechung besteht bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Nur dann, wenn der zu eigen gemachte Sachvortrag in seiner Gesamtheit eine feststehend unzureichende, weil entstellende oder verharmlosende Aufklärung zum Inhalt hätte, läge eine Aufklärungspflichtverletzung vor.

OLG Hamm v. 17.2.2025 - 22 U 117/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte mit notariellem Kaufvertrag vom 4.2.2021 von der Beklagten ein Fertighaus aus den 1970er-Jahren erworben. Darin war auch ein Haftungsausschluss enthalten. Dem Vertragsabschluss vorangegangen war eine Besichtigung, die am 4.1.2021 stattgefunden hatte. Die Schlüsselübergabe erfolgte am 30.4.2021. Mit Schreiben vom 8.9.2022 forderte der Kläger die Beklagte zum Anerkenntnis der Haftung für Schäden und Aufwendungen dem Grunde nach bis zum 24.9.2022 auf. Hilfsweise wurde zudem der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Das Haus sei mangelhaft, da es mit krebserregenden Substanzen belastet sei. Zudem bestehe innerhalb der Wohnräume eine extreme Geruchsbelastung. Die Beklagte wies die Forderung zurück.

Der Kläger hat behauptet, dass die Raumluftanalyse einen zu hohen Wert an Formaldehyd und Lindan ergeben habe. Im November 2022 sei der Kläger aufgrund der Schadstoffbelastung mit seiner Familie aus dem Haus ausgezogen. Die Geruchsbelastung sei ihm erst nach Abschluss des Kaufvertrages aufgefallen. Es handele sich um einen spezifischen Geruch, der sämtlichen Kleidungsstücken anhafte. Der Kläger hat weiter behauptet, die Schadstoffbelastungen sowie die Geruchsbelästigung seien der Beklagten bekannt gewesen. Eine etwaige Schadstoffbelastung sei im Rahmen der Besichtigung nicht thematisiert worden.

Die Beklagte hat behauptet, dass zu keinem Zeitpunkt eine Geruchs- oder eine Schadstoffbelastung gegeben gewesen sei. Es sei im Rahmen der Besichtigung zudem ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Anfang der 1970er Jahre Fertighäuser wie das hier streitgegenständliche in die Kritik geraten seien, weil schadstoffbelastete Objekte aufgefallen seien. Danach wurde allerdings die Bauweise geändert. Das Kaufobjekt im vorliegenden Fall sei in den späteren 1970er Jahren erbaut worden, sodass davon ausgegangen werde, dass alles in Ordnung sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.

Die Gründe:
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche auf fiktive Mängelbeseitigungskosten gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB nicht zu.

Unerheblich war, ob das streitgegenständliche Wohnhaus die von dem Kläger behaupteten Mängel einer Geruchsbelästigung sowie einer Schadstoffbelastung mit Formaldehyd und Lindan zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs aufgewiesen hat und es sich daher weder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F.) noch für die gewöhnliche Verwendung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB a.F.) eignete. Es konnte zudem dahinstehen, ob der Beklagten hinsichtlich dieser Mängel für den Fall deren Vorliegens objektiv eine Aufklärungspflicht oblag. Schließlich konnte sich die Beklagte auf den zwischen den Parteien vereinbarten Haftungsausschluss des notariellen Kaufvertrags berufen.

Danach sollte die Haftung der Beklagten wegen offener oder versteckter Sachmängel ausgeschlossen sein, wobei der Haftungsausschluss nicht bei schuldhafter Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit und bei grobem Verschulden, Vorsatz oder Arglist der Verkäuferpartei, ihres Vertreters oder Erfüllungsgehilfen gelten solle. Somit war die Kenntnis der Beklagten, zumindest in Form des Eventualvorsatzes, von den zu unterstellenden Mängeln oder bei bestehender Kenntnis eine nicht erfolgte oder unzureichende Aufklärung Voraussetzung. Diese Voraussetzungen lagen jedoch weder hinsichtlich einer Geruchsbelästigung noch einer Schadstoffbelastung mit Formaldehyd oder Lindan vor. Dies ging zulasten des Klägers, der die Darlegungs- und Beweislast dafür trug, dass sich die Beklagte nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen konnte.

Aus den Schwankungen und Unsicherheiten der Aussage der Zeugen konnte der Kläger nichts zu seinen Gunsten ableiten. Denn nur dann, wenn der zu eigen gemachte Sachvortrag in seiner Gesamtheit eine feststehend unzureichende, weil entstellende oder verharmlosende Aufklärung zum Inhalt hätte, läge eine Aufklärungspflichtverletzung vor. Eine solche ließ sich hier aber nicht feststellen. Insofern bestand auch kein Anspruch des Klägers auf Ersatz einer mangelbedingten Wertminderung gem. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Nach BGH-Rechtsprechung besteht bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen.

Als Anknüpfungspunkt für eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung kamen insoweit lediglich Ausführungen eines Zeugen zur Wertermittlung des Grundstücks nebst Einfamilienhaus in Betracht, die sich der Kläger prozessual wirksam zu eigen gemacht hatte. Die Ausführungen belegten die Mitteilung unrichtiger tatsächlicher Angaben jedoch nicht.

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