13.04.2023

Abänderung einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich

Bei der Abänderung einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich bleibt ein Anrecht in der Art von Entgeltpunkten aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) außer Betracht, wenn es nicht in die abzuändernde Erstentscheidung einbezogen war.

BGH v. 1.3.2023 - XII ZB 444/22
Der Sachverhalt:
Der antragstellende Ehemann begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer "Totalrevision" nach § 51 Abs. 1 VersAusglG. Seine am 14.4.1965 geschlossene Ehe wurde auf den am 25.2.1995 gestellten Antrag mit Urteil des Familiengerichts vom 26.10.1995 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt.

Während der Ehezeit (1965 bis 1995) hatte der Ehemann ein Anrecht i.H.v mtl. rd. 2.100 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung und ein betriebliches Anrecht i.H.v. jährlich rd. 730 DM erworben. Letzteres rechnete das Familiengericht mithilfe der Barwertverordnung in eine dynamisierte Rente von mtl. rd. 20 DM um. Die Ehefrau hatte ein Anrecht von mtl. rd. 130 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich im Wege des Splittings und des erweiterten Splittings durch, indem es zulasten des Anrechts des Ehemanns in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Anwartschaft i.H.v. 987,29 DM mtl., bezogen auf das Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertrug. Die Ehefrau verstarb am 3.3.2015.

Mit Antrag vom 17.3.2020 begehrte der Ehemann eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Er beruft sich auf eine wesentliche Änderung des Werts der gesetzlichen Rentenversicherung seiner Ehefrau und erstrebt im Hinblick auf deren Vorversterben eine Rückgängigmachung des gesamten Versorgungsausgleichs. Nach Auskunft des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (Beteiligte zu 1) beträgt der geänderte Ehezeitanteil des Anrechts der Ehefrau 4,6005 Entgeltpunkte bei einem Ausgleichswert von 2,3003 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von rd. 11.150 €.

Das AG - Familiengericht - lehnte den Abänderungsantrag ab. Das OLG wies die Beschwerde des Ehemanns zurück. Die Dessen Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Zutreffend hat das OLG die von der Ehefrau rechnerisch inzwischen hinzuerworbenen 0,1501 Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung gem. § 76 g SGB VI nicht den allgemeinen Entgeltpunkten hinzuaddiert.

Zwar handelt es sich bei den Entgeltpunkten aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) um ein im Versorgungsausgleich auszugleichendes Anrecht (vgl. Senatsbeschluss vom 1.3.2023 - XII ZB 360/22 - wir berichteten). Sie stellen jedoch ein eigenständiges Anrecht dar, das im Versorgungsausgleich gesondert intern zu teilen ist und deshalb weder den allgemeinen Entgeltpunkten hinzugerechnet noch solchen im Rahmen einer Geringfügigkeitsprüfung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG gegenübergestellt werden darf. Da ein Anrecht in der Art von Entgeltpunkten aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung jedoch nicht in die abzuändernde Erstentscheidung zum Versorgungsausgleich einbezogen war (vgl. § 51 Abs. 2 VersAusglG iVm § 225 Abs. 2 FamFG), bleibt dieses Anrecht bei der Abänderungsprüfung insgesamt außer Betracht.

Daran ändert auch nichts, dass die ab 1.1.2021 neu eingeführten Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (§§ 76 g, 307 e, 307 f SGB VI) rechnerisch aus Anrechten ermittelt werden, die zum Zeitpunkt der Erstentscheidung bereits in der Ehezeit angelegt waren. Denn schon durch die andersartige Finanzierung des Anrechts (aus Steuermitteln anstatt durch Umlage) einerseits und aufgrund der Einkommensanrechnung in der Leistungsphase (§ 97 a SGB VI) andererseits handelt es sich um ein von den übrigen Entgeltpunktearten losgelöstes Anrecht, das folgerichtig auch der Gesetzgeber ausdrücklich als nicht gleichartig definiert hat (§ 120 f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI). Kehrseite der Trennung der Entgeltpunktearten ist, dass diese jeweils eigenständige Versorgungsanrechte mit eigener Bezugsgröße darstellen und infolgedessen nur solche Entgeltpunktearten in das Abänderungsverfahren einbezogen werden können, die auch bereits in die Ausgangsentscheidung einbezogen waren.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
§§ 2 I, II, 19 II VersAusglG, 97a I, IV SGBVI: Anrechte aus dem Grundrentenzuschlag im Versorgungsausgleich [LSe m. Anm. d. Red.]
OLG Bamberg vom 02.11.2022 - 2 UF 136/22
FamRZ 2023, 125

Rechtsprechung:
Ausgleich eines Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (Grundrentenentgeltpunkte)
Bdb. OLG vom 06.10.2022 - 9 UF 28/21
Walther Siede, FamRB 2023, 13

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