Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG
BGH v. 18.10.2023 - XII ZB 197/23
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin (Ehefrau) begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer "Totalrevision" nach § 51 Abs. 1 VersAusglG. Die von den Beteiligten am 19.1.1981 geschlossene Ehe wurde auf den im Februar 2001 gestellten Antrag mit Urteil des Familiengerichts vom 2.8.2001 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich wurde geregelt. Während der Ehezeit (1.6.1981 bis 31.1.2001; § 1587 Abs. 2 BGB a.F., jetzt: § 3 Abs. 1 VersAusglG) hatte der Ehemann ein Anrecht i.H.v. mtl. rd. 650 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung, ein Anrecht bei dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen i.H.v. mtl. rd. 2.300 DM, ein Anrecht bei der BHF-Bank i.H.v. jährlich rd. 16.000 DM sowie bei dem BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. volldynamische Anrechte auf Stammrente i.H.v. mtl. rd. 1.000 DM und auf Überschussrente i.H.v. mtl. rd. 240 DM erworben. Das Anrecht bei der BHF-Bank rechnete das Familiengericht mithilfe der Barwertverordnung in eine dynamisierte Rente von mtl. rd. 260 DM um. Die Ehefrau hatte ein Anrecht von mtl. rd. 560 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben.
Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich durch, indem es im Wege des Splittings zulasten des Anrechts des Ehemanns in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Anwartschaft i.H.v. rd. 50 DM mtl., bezogen auf das Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertrug. Ferner übertrug es im Wege des Quasi-Splittings zulasten des Anrechts des Ehemanns bei dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte eine Anwartschaft i.H.v. rd. 1.200 DM mtl., bezogen auf das Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zusätzlich übertrug es im Wege des erweiterten Splittings zulasten des Anrechts des Ehemanns in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Anwartschaft i.H.v. rd. 90 DM mtl., bezogen auf das Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto der Ehefrau. Im Übrigen behielt es den schuldrechtlichen Ausgleich vor. Inzwischen beziehen beide Ehegatten Altersrente.
Mit ihrem am 2.3.2020 eingegangenen Antrag begehrt die Ehefrau eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich, hilfsweise die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs. Das AG - Familiengericht - änderte nach Einholung neuer Versorgungsauskünfte die Entscheidung über den Versorgungsausgleich ab und teilte die genannten Anrechte jeweils intern. Auf die Beschwerde der Ehefrau änderte das OLG den Ausgleichswert des bei der Rechtsnachfolgerin der BHF-Bank bestehenden Anrechts ab und ergänzte die Beschlussformel um einzelne Klarstellungen und Maßgaben zur Durchführung der internen Teilung. Die weitergehende Beschwerde der Ehefrau und diejenige des Ehemanns wies das OLG zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Ehemanns hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG ist nur für echte Wertänderungen des Anrechts eröffnet und nicht für die Korrektur von möglichen Fehlern bei der Ausgangsentscheidung. Denn mit der Regelung des § 51 VersAusglG hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die bisher in weitem Umfang bestehenden Abänderungsmöglichkeiten nach § 10 a VAHRG einzuschränken. Nach § 10 a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG war eine Abänderung formell und materiell rechtskräftiger Entscheidungen zur Verwirklichung des materiell richtigen Ausgleichsergebnisses nicht nur bei nachträglichen und unvorhersehbaren Veränderungen der Anrechte möglich. Vielmehr genügte auch das Vorliegen bloßer Fehler der Ausgangsentscheidung wie Rechen- und Methodenfehler, ungenügende Berechnungsgrundlagen, eine fehlerhafte Bestimmung der Ehezeit oder unrichtige Auskünfte der Versorgungsträger für eine Durchbrechung der Rechtskraft.
Bei der Anwendung des § 51 VersAusglG ist demnach zu beachten, dass nur nachträglich eingetretene Wertänderungen, nicht aber Fehler der Ausgangsentscheidung eine Abänderung der Ursprungsentscheidung eröffnen können. Die nachträglich eingetretene Wertänderung muss für sich genommen die Wesentlichkeitsgrenze nach § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 2 und 3 FamFG übersteigen. Nach diesen Grundsätzen genügen die vom OLG getroffenen Feststellungen nicht für die Annahme wesentlicher Wertänderungen i.S.d. § 51 Abs. 1 VersAusglG. Über die Ausgleichswerte der beiden genannten Anrechte und deren Wertänderung hat das OLG keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern auf die Darstellungen des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen. Der angefochtene Beschluss konnte daher keinen Bestand haben. Der Senat konnte in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
Sollte sich nach vollständiger Sachverhaltsaufklärung (§§ 26, 220 Abs. 4 Satz 2 FamFG) eine mit den Unverfallbarkeitsannahmen der Erstentscheidung vereinbare, die Wertgrenzen übersteigende (negative) Wertänderung eines der ausgeglichenen Anrechte ergeben, wäre das Abänderungsverfahren nach § 51 Abs. 1 VersAusglG eröffnet. Dem stünde nicht entgegen, dass sich die Abänderung rechnerisch nicht zugunsten des antragstellenden, sondern zugunsten des anderen Ehegatten auswirkte.
Als weitere Voraussetzung des Abänderungsverfahrens neben dem Erfordernis des Übersteigens bestimmter Wertgrenzen (§ 225 Abs. 3 FamFG) oder der Erfüllung einer Wartezeit (§ 225 Abs. 4 FamFG) ist zwar durch § 51 Abs. 5 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 5 FamFG normiert, dass sich die Abänderung zugunsten eines Ehegatten oder seiner Hinterbliebenen auswirken muss. Mit der Gesetzesformulierung "zugunsten eines Ehegatten" wird aber nicht vorausgesetzt, dass sich die Abänderung zugunsten des Antragstellers des Verfahrens selbst auszuwirken hat. Durch die Vorschrift soll zwar hauptsächlich verhindert werden, dass ein Versorgungsträger ausschließlich zu seinen Gunsten eine Abänderung begehrt. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzgebungsmaterialien kann jedoch entnommen werden, dass die Anwendung des § 225 Abs. 5 FamFG auf Abänderungsanträge von Versorgungsträgern beschränkt wäre. Nicht ausgeschlossen sind daher Abänderungsanträge eines Ehegatten, die sich zugunsten des anderen Ehegatten oder seiner Hinterbliebenen auswirken.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung (siehe Leitsätze):
§ 51 I VersAusglG: Keine Wertänderung bei Überschreiten des Höchstbetrags
BGH vom 27.01.2016 - XII ZB 213/14
FamRZ 2016, 620
Kommentierung | VersAusglG
§ 51 Zulässigkeit einer Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs
Norpoth/Sasse in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Kommentierung | FamFG
§ 51 VersAusglG Zulässigkeit einer Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs
Wagner in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022
Kommentierung | FamFG
§ 225 Zulässigkeit einer Abänderung des Wertausgleichs bei der Scheidung
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Die Antragstellerin (Ehefrau) begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer "Totalrevision" nach § 51 Abs. 1 VersAusglG. Die von den Beteiligten am 19.1.1981 geschlossene Ehe wurde auf den im Februar 2001 gestellten Antrag mit Urteil des Familiengerichts vom 2.8.2001 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich wurde geregelt. Während der Ehezeit (1.6.1981 bis 31.1.2001; § 1587 Abs. 2 BGB a.F., jetzt: § 3 Abs. 1 VersAusglG) hatte der Ehemann ein Anrecht i.H.v. mtl. rd. 650 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung, ein Anrecht bei dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen i.H.v. mtl. rd. 2.300 DM, ein Anrecht bei der BHF-Bank i.H.v. jährlich rd. 16.000 DM sowie bei dem BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. volldynamische Anrechte auf Stammrente i.H.v. mtl. rd. 1.000 DM und auf Überschussrente i.H.v. mtl. rd. 240 DM erworben. Das Anrecht bei der BHF-Bank rechnete das Familiengericht mithilfe der Barwertverordnung in eine dynamisierte Rente von mtl. rd. 260 DM um. Die Ehefrau hatte ein Anrecht von mtl. rd. 560 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben.
Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich durch, indem es im Wege des Splittings zulasten des Anrechts des Ehemanns in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Anwartschaft i.H.v. rd. 50 DM mtl., bezogen auf das Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertrug. Ferner übertrug es im Wege des Quasi-Splittings zulasten des Anrechts des Ehemanns bei dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte eine Anwartschaft i.H.v. rd. 1.200 DM mtl., bezogen auf das Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zusätzlich übertrug es im Wege des erweiterten Splittings zulasten des Anrechts des Ehemanns in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Anwartschaft i.H.v. rd. 90 DM mtl., bezogen auf das Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto der Ehefrau. Im Übrigen behielt es den schuldrechtlichen Ausgleich vor. Inzwischen beziehen beide Ehegatten Altersrente.
Mit ihrem am 2.3.2020 eingegangenen Antrag begehrt die Ehefrau eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich, hilfsweise die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs. Das AG - Familiengericht - änderte nach Einholung neuer Versorgungsauskünfte die Entscheidung über den Versorgungsausgleich ab und teilte die genannten Anrechte jeweils intern. Auf die Beschwerde der Ehefrau änderte das OLG den Ausgleichswert des bei der Rechtsnachfolgerin der BHF-Bank bestehenden Anrechts ab und ergänzte die Beschlussformel um einzelne Klarstellungen und Maßgaben zur Durchführung der internen Teilung. Die weitergehende Beschwerde der Ehefrau und diejenige des Ehemanns wies das OLG zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Ehemanns hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG ist nur für echte Wertänderungen des Anrechts eröffnet und nicht für die Korrektur von möglichen Fehlern bei der Ausgangsentscheidung. Denn mit der Regelung des § 51 VersAusglG hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die bisher in weitem Umfang bestehenden Abänderungsmöglichkeiten nach § 10 a VAHRG einzuschränken. Nach § 10 a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG war eine Abänderung formell und materiell rechtskräftiger Entscheidungen zur Verwirklichung des materiell richtigen Ausgleichsergebnisses nicht nur bei nachträglichen und unvorhersehbaren Veränderungen der Anrechte möglich. Vielmehr genügte auch das Vorliegen bloßer Fehler der Ausgangsentscheidung wie Rechen- und Methodenfehler, ungenügende Berechnungsgrundlagen, eine fehlerhafte Bestimmung der Ehezeit oder unrichtige Auskünfte der Versorgungsträger für eine Durchbrechung der Rechtskraft.
Bei der Anwendung des § 51 VersAusglG ist demnach zu beachten, dass nur nachträglich eingetretene Wertänderungen, nicht aber Fehler der Ausgangsentscheidung eine Abänderung der Ursprungsentscheidung eröffnen können. Die nachträglich eingetretene Wertänderung muss für sich genommen die Wesentlichkeitsgrenze nach § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 2 und 3 FamFG übersteigen. Nach diesen Grundsätzen genügen die vom OLG getroffenen Feststellungen nicht für die Annahme wesentlicher Wertänderungen i.S.d. § 51 Abs. 1 VersAusglG. Über die Ausgleichswerte der beiden genannten Anrechte und deren Wertänderung hat das OLG keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern auf die Darstellungen des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen. Der angefochtene Beschluss konnte daher keinen Bestand haben. Der Senat konnte in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
Sollte sich nach vollständiger Sachverhaltsaufklärung (§§ 26, 220 Abs. 4 Satz 2 FamFG) eine mit den Unverfallbarkeitsannahmen der Erstentscheidung vereinbare, die Wertgrenzen übersteigende (negative) Wertänderung eines der ausgeglichenen Anrechte ergeben, wäre das Abänderungsverfahren nach § 51 Abs. 1 VersAusglG eröffnet. Dem stünde nicht entgegen, dass sich die Abänderung rechnerisch nicht zugunsten des antragstellenden, sondern zugunsten des anderen Ehegatten auswirkte.
Als weitere Voraussetzung des Abänderungsverfahrens neben dem Erfordernis des Übersteigens bestimmter Wertgrenzen (§ 225 Abs. 3 FamFG) oder der Erfüllung einer Wartezeit (§ 225 Abs. 4 FamFG) ist zwar durch § 51 Abs. 5 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 5 FamFG normiert, dass sich die Abänderung zugunsten eines Ehegatten oder seiner Hinterbliebenen auswirken muss. Mit der Gesetzesformulierung "zugunsten eines Ehegatten" wird aber nicht vorausgesetzt, dass sich die Abänderung zugunsten des Antragstellers des Verfahrens selbst auszuwirken hat. Durch die Vorschrift soll zwar hauptsächlich verhindert werden, dass ein Versorgungsträger ausschließlich zu seinen Gunsten eine Abänderung begehrt. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzgebungsmaterialien kann jedoch entnommen werden, dass die Anwendung des § 225 Abs. 5 FamFG auf Abänderungsanträge von Versorgungsträgern beschränkt wäre. Nicht ausgeschlossen sind daher Abänderungsanträge eines Ehegatten, die sich zugunsten des anderen Ehegatten oder seiner Hinterbliebenen auswirken.
Rechtsprechung (siehe Leitsätze):
§ 51 I VersAusglG: Keine Wertänderung bei Überschreiten des Höchstbetrags
BGH vom 27.01.2016 - XII ZB 213/14
FamRZ 2016, 620
Kommentierung | VersAusglG
§ 51 Zulässigkeit einer Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs
Norpoth/Sasse in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Kommentierung | FamFG
§ 51 VersAusglG Zulässigkeit einer Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs
Wagner in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022
Kommentierung | FamFG
§ 225 Zulässigkeit einer Abänderung des Wertausgleichs bei der Scheidung
Wagner in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022
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