Abgesagte Corona-Hochzeit - Vertragsanpassung oder Rücktritt vom Vertrag?
BGH v. 11.1.2023 - XII ZR 101/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrte von den Beklagten Zahlung für die Anmietung von Räumlichkeiten zur Durchführung einer für den 8.8.2020 geplanten Hochzeitsfeier mit bis zu 120 Gästen, die wegen der COVID-19-Pandemie von den Beklagten abgesagt worden war. Die Klägerin stellte den Beklagten einen Betrag i.H.v. 5.785 € in Rechnung, der sich zusammensetzte aus 5.000 € Miete und 500 € Bearbeitungsgebühr zzgl. 16 % Mehrwertsteuer, abzüglich der angezahlten 595 €. Eine Zahlung durch die Beklagten erfolgte nicht.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat das Urteil abgeändert und die Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.405 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Gründe:
Zwar sind die Beklagten nicht gem. §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB von ihrer Verpflichtung zur Mietzahlung befreit. Denn kann eine Hochzeitsfeier aufgrund der zu diesem Zeitpunkt zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie geltenden Maßnahmen nicht wie geplant durchgeführt werden, wird dem Vermieter der hierfür gemieteten Räumlichkeiten die von ihm geschuldete Leistung nicht unmöglich.
Den Beklagten stand auch kein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags nach § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zu, da die Mietsache keinen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB aufwies. Der Umstand, dass die Durchführung einer Hochzeitsfeier mit der geplanten Bewirtung von bis zu 120 Personen aufgrund verschiedener Regelungen in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Corona-Schutzverordnung nicht zulässig war, führte nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands. Für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich aus sonstigen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, hat der Vermieter ohne eine anderslautende Vereinbarung nicht einzustehen.
Nicht frei von Rechtsfehlern war dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten seien wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 und 3 BGB zur Kündigung des Mietvertrags berechtigt gewesen. Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, kommt ein Anspruch des Mieters, der bei einem gewerblichen Vermieter Räumlichkeiten zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet hat, die aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht oder nicht wie geplant stattfinden konnte, auf Anpassung des Mietvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich in Betracht. Nur wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann nach § 313 Abs. 3 BGB der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den Vertrag kündigen. Dafür genügt es aber nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar sein.
Das Berufungsgericht hat ein Kündigungsrecht der Beklagten allein mit der Begründung bejaht, die Durchführung einer Hochzeitsfeier sei ein einmaliges und besonderes Ereignis, welches nicht ohne weiteres verlegbar sei. Deshalb sei ein Kündigungsrecht der Beklagten unabhängig davon zu bejahen, ob diese sich einer Verlegung der Hochzeitsfeier verweigert hätten. Damit hat es bei seiner Ermessensausübung wesentliche Umstände des Falles nicht angemessen berücksichtigt und zudem verkannt, dass nach § 313 Abs. 3 BGB ein Rücktrittsrecht oder ein Recht zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses als Form der Vertragsanpassung nur als ultima ratio in Betracht kommt, wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil auch ein Festhalten an dem Vertrag mit angepasstem Inhalt nicht zumutbar ist.
Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht ausreichend in den Blick genommen, ob sich der Anspruch der Beklagten nach § 313 Abs. 1 BGB auf Vertragsanpassung auf die von der Klägerin angebotene Verlegung der Hochzeitsfeier beschränkt, weil bereits dadurch eine interessengerechte Verteilung des Pandemierisikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt werden kann. Nach den bislang getroffenen Feststellungen wäre den Beklagten eine Verlegung der Hochzeitsfeier auch zumutbar gewesen. Allein die nicht näher begründete Behauptung der Beklagten, eine Verschiebung der Hochzeitsfeier auf einen späteren Termin komme für sie nicht in Betracht, reicht für eine Unzumutbarkeit nicht aus.
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Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat das Urteil abgeändert und die Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.405 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
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Den Beklagten stand auch kein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags nach § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zu, da die Mietsache keinen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB aufwies. Der Umstand, dass die Durchführung einer Hochzeitsfeier mit der geplanten Bewirtung von bis zu 120 Personen aufgrund verschiedener Regelungen in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Corona-Schutzverordnung nicht zulässig war, führte nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands. Für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich aus sonstigen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, hat der Vermieter ohne eine anderslautende Vereinbarung nicht einzustehen.
Nicht frei von Rechtsfehlern war dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten seien wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 und 3 BGB zur Kündigung des Mietvertrags berechtigt gewesen. Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, kommt ein Anspruch des Mieters, der bei einem gewerblichen Vermieter Räumlichkeiten zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet hat, die aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht oder nicht wie geplant stattfinden konnte, auf Anpassung des Mietvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich in Betracht. Nur wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann nach § 313 Abs. 3 BGB der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den Vertrag kündigen. Dafür genügt es aber nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar sein.
Das Berufungsgericht hat ein Kündigungsrecht der Beklagten allein mit der Begründung bejaht, die Durchführung einer Hochzeitsfeier sei ein einmaliges und besonderes Ereignis, welches nicht ohne weiteres verlegbar sei. Deshalb sei ein Kündigungsrecht der Beklagten unabhängig davon zu bejahen, ob diese sich einer Verlegung der Hochzeitsfeier verweigert hätten. Damit hat es bei seiner Ermessensausübung wesentliche Umstände des Falles nicht angemessen berücksichtigt und zudem verkannt, dass nach § 313 Abs. 3 BGB ein Rücktrittsrecht oder ein Recht zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses als Form der Vertragsanpassung nur als ultima ratio in Betracht kommt, wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil auch ein Festhalten an dem Vertrag mit angepasstem Inhalt nicht zumutbar ist.
Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht ausreichend in den Blick genommen, ob sich der Anspruch der Beklagten nach § 313 Abs. 1 BGB auf Vertragsanpassung auf die von der Klägerin angebotene Verlegung der Hochzeitsfeier beschränkt, weil bereits dadurch eine interessengerechte Verteilung des Pandemierisikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt werden kann. Nach den bislang getroffenen Feststellungen wäre den Beklagten eine Verlegung der Hochzeitsfeier auch zumutbar gewesen. Allein die nicht näher begründete Behauptung der Beklagten, eine Verschiebung der Hochzeitsfeier auf einen späteren Termin komme für sie nicht in Betracht, reicht für eine Unzumutbarkeit nicht aus.
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