15.11.2023

Adoption eines minderjährigen Kindes trotz Trennung der Eheleute

Dass Eheleute getrennt leben, schließt die Annahme eines minderjährigen Kindes nicht schlechthin aus. Die Stabilität der Ehe der Adoptiveltern ist ein wichtiger Faktor im Rahmen der Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen, aber nicht allein entscheidend. Es hat für die Prüfung, ob die beantragte Adoption dem Kindeswohl dient, eine Gesamtabwägung aller Umstände zu erfolgen.

Schleswig-Holsteinisches OLG v. 25.10.2023 - 8 UF 124/23
Der Sachverhalt:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. richtet sich gegen die Zurückweisung des Antrags, die Annahme des Kindes X als Kind der Beteiligten zu 1. und 2. auszusprechen.

Die am 11.1.1985 geborene und jetzt 38 Jahre alte Beteiligte zu 1. lebt in Y in einer ihr allein gehörenden Immobilie. Sie hat nach ihrem Realschulabschluss bei der Bundeswehr eine Ausbildung zur Fluggerätemechanikerin gemacht und arbeitet seit einigen Jahren bei der Firma Z im Bereich U-Bootbau; dort ist sie außertariflich angestellt und übt eine leitende Tätigkeit als Gruppenleiterin aus, wobei sie größtenteils im Home-Office arbeiten kann. Sie ist die leibliche Mutter des am 18.7.2017 geborenen, durch eine Samenspende gezeugten Kindes E.

Die am 4.12.1979 geborene und jetzt 43 Jahre alte Beteiligte zu 2. hat nach ihrem Hauptschulabschluss ein Grundbildungsjahr in einem handwerklichen Bereich absolviert und musste ihre danach begonnene Ausbildung zur Malerin und Lackiererin aufgrund einer Nickel- und Terpentin-Allergie abbrechen. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Kommissioniererin in einer Drogeriekette arbeitet sie jetzt u.a. bei einem mobilen Pflegedienst als Pflegehelferin in Teilzeit.

Die Beteiligten zu 1. und 2., die sich 2009 kennengelernt und 2011 zusammengezogen waren, gingen im Juli 2014 eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein und heirateten am 16.11.2017. Den leiblichen Sohn E der Beteiligten zu 1. hat die Beteiligte zu 2. im Rahmen einer Stiefkindadoption als ihren Sohn angenommen.

Das anzunehmende Kind X wurde am 15.9.2021 geboren; nach der Geburt verließ ihre Mutter - Xs Vater ist unbekannt - das Krankenhaus. X wurde daraufhin am 20.9.2021 zunächst in eine Bereitschaftspflegestelle verbracht, bevor sie am 5.10.2021 zu den Beteiligten zu 1. und 2. nach Y in Adoptionspflege umzog, wo sie seitdem zusammen mit diesen und deren weiterem Kind E lebt. X hat eine starke und sichere Bindung zu den Beteiligten zu 1. und 2. aufgebaut und ist gut entwickelt, obwohl ihre Mutter während der Schwangerschaft regelmäßig Alkohol und Drogen konsumiert hatte.

Während des laufenden Adoptionsverfahrens haben sich die Beteiligten zu 1. und 2. Im April 2023 getrennt. Die Beteiligte zu 2. lebt seitdem in einer eigenen, 40 qm großen Einzimmerwohnung in Y und nimmt aufgrund einvernehmlicher Regelung regelmäßig Umgang mit X - und E - wahr, und zwar alle zwei Wochen am Wochenende von Freitag bis Sonntag sowie an jedem Dienstagnachmittag und in den Wochen ohne Wochenendumgang zusätzlich auch noch am Mittwochnachmittag; die Ferienzeiten sind hälftig zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. aufgeteilt.

Die Beteiligten zu 1. und 2. haben trotz ihrer Trennung das Ziel der gemeinsamen Adoption Xs weiterverfolgt. Das FamG wies diesen Antrag zurück. Voraussetzung für eine Annahme nach § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB sei, dass eine wirksame Ehe vorliege und die Ehegatten nicht getrennt im Sinne des § 1567 BGB lebten.

Die Beschwerde vor dem OLG hatte Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Gemäß § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Annahme als Kind zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Ein Ehepaar kann gemäß § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen.

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Beteiligten zu 1. und 2., die (noch) verheiratet sind, wollen X trotz ihrer zwischenzeitlichen Trennung weiterhin gemeinschaftlich als Kind annehmen. Ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, was von keinem Beteiligten und auch nicht vom Jugendamt in Abrede gestellt wird, sowohl zwischen X und der Beteiligten zu 1. als auch zwischen X und der Beteiligten zu 2., da X bereits im Alter von drei Wochen in den Haushalt der Beteiligten zu 1. und 2. in Adoptivpflege gekommen war und seitdem mit ihnen zusammengelebt hat. Aber auch die Kindeswohldienlichkeit der Annahme als Kind ist zu bejahen.

Dass die Beteiligten zu 1. und 2. seit April 2023 ein in Trennung lebendes Ehepaar sind, schließt die gemeinschaftliche Annahme Xs nicht schlechthin aus. Zwar wird in der Literatur vertreten, dass die annehmenden Ehegatten nicht getrennt leben dürften.

Dem folgt der Senat in dieser Allgemeinheit nicht. Dass Eheleute getrennt leben, schließt die Annahme eines minderjährigen Kindes nicht schlechthin aus. Die Stabilität der Ehe der Adoptiveltern ist ein wichtiger Faktor im Rahmen der Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen, aber nicht allein entscheidend. Es hat für die Prüfung, ob die beantragte Adoption dem Kindeswohl dient, eine Gesamtabwägung aller Umstände zu erfolgen.

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