Airbnb: Dienstleistungsrichtlinie auf kurzfristige Peer-to-Peer-Vermietung von möbliertem Wohnraum anwendbar
EuGH, C-724/18 u.a.: Schlussanträge des Generalanwalts vom 2.4.2020
Der Sachverhalt:
Cali Apartments und HX (Beschwerdeführerinnen) sind jeweils Eigentümerin einer Einzimmerwohnung in Paris. Im Jahr 2015 führten die städtischen Dienststellen der Stadt Paris eine Überprüfung im Hinblick darauf durch, ob die Beschwerdeführerinnen ihre Einzimmerwohnungen ungenehmigt als möblierte Kurzzeitunterkünfte auf der Airbnb-Plattform vermieteten. Infolge dieser Überprüfung wurden die Beschwerdeführerinnen zu einer Geldbuße verurteilt und angewiesen, die Objekte wieder einer Nutzung zu Wohnzwecken zuzuführen.
Die Stadt Paris trat dem Verfahren bei, das der Staatsanwalt eingeleitet hatte. Nachdem zunächst ihre Berufung ohne Erfolg geblieben war, legten die Beschwerdeführerinnen Kassationsbeschwerden beim Kassationsgerichtshof in Frankreich, dem vorlegenden Gericht, ein. Dieser möchte nunmehr vom EuGH wissen, ob eine nationale Regelung, die die Vermietung möblierten Wohnraums für Kurzzeitaufenthalte von einer Genehmigung der Verwaltung abhängig macht, in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG) fällt.
Die Gründe:
Die Dienstleistungsrichtlinie ist auf nationale und kommunale Vorschriften anwendbar, die den Zugang zu einer Dienstleistung regeln, die in der wiederholten, kurzfristigen, entgeltlichen, auch nicht gewerbsmäßigen Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten Räumlichkeiten an eine Laufkundschaft besteht, die dort keinen Wohnsitz begründet. Das Ziel der Bekämpfung einer Knappheit langfristigen Wohnraums kann jedoch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine nationale Maßnahme, nach der eine Genehmigungspflicht besteht, rechtfertigen kann. Derartige nationale und kommunale Vorschriften sind nach der Dienstleistungsrichtlinie zulässig, sofern sie den Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung entsprechen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Die anzustellende Prüfung muss sich dabei auf die anwendbaren nationalen und kommunalen Vorschriften beziehen, da es sich bei der in Rede stehenden Genehmigungsregelung um ein Paket aus Vorschriften beider Regelungsebenen handelt.
Vorschriften, die Nutzungsänderungen von zur Nutzung als Wohnraum bestimmtem Grundbesitz einem Genehmigungserfordernis unterwerfen, fallen in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie. Insbesondere handelt es sich bei den in Rede stehenden Vorschriften um eine Genehmigungsregelung i.S.d. Richtlinie. Eigentümer, die ihre möblierten Unterkünfte kurzfristig vermieten möchten, müssen ein Verwaltungsverfahren durchlaufen, um bei Erfüllung von Voraussetzungen vom Bürgermeister eine förmliche verwaltungsrechtliche Genehmigung zu erwirken. Weder die unternehmerische Freiheit noch das Eigentumsrecht gelten absolut, beide können eingeschränkt werden. Soweit mit anderen Worten die Regelung der Nutzung keine so schwerwiegende Einschränkung darstellt, dass sie faktisch einer verdeckten Enteignung oder Entwertung des Eigentums gleichkommt, sind Einschränkungen dieser Rechte zulässig.
Die Bekämpfung einer Wohnraumknappheit und das Ziel, ein hinreichendes Angebot an bezahlbarem (langfristigem) Wohnraum (insbesondere an Touristenschwerpunkten) zu gewährleisten, sowie der Schutz der städtischen Umwelt sind wirksame Rechtfertigungen für die Einführung von weitgehend auf die Sozialpolitik gestützten Genehmigungsregelungen. Somit ist die in Rede stehende Genehmigungsregelung eindeutig ein nach der Dienstleistungsrichtlinie zulässiges Mittel. Während die Einführung der Genehmigungsregelung verhältnismäßig ist, ist die Verhältnismäßigkeit der Ausgleichsleistung in Form der gleichzeitigen Umwandlung anders genutzter Räumlichkeiten in Wohnraum schon eher fragwürdig, insbesondere in der von der Stadt Paris gewählten Gestaltung in Bezug auf nicht gewerbliche Eigentümer. Es ist aber in erster Linie Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung mit der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar sind. Lokale Vielfalt ist im Hinblick auf die konkreten Genehmigungsvoraussetzungen nicht nur zulässig, sondern sogar wünschenswert. Wenn der lokalen Ebene eingeräumt wird, Regelungen zu erlassen und die Voraussetzungen für Genehmigungsregelungen auszugestalten, dann wird die Verhältnismäßigkeit dieser Regelungen wahrscheinlich davon abhängen, dass die lokalen Gegebenheiten und Besonderheiten berücksichtigt werden.
EuGH PM Nr. 44 vom 2.4.2020
Cali Apartments und HX (Beschwerdeführerinnen) sind jeweils Eigentümerin einer Einzimmerwohnung in Paris. Im Jahr 2015 führten die städtischen Dienststellen der Stadt Paris eine Überprüfung im Hinblick darauf durch, ob die Beschwerdeführerinnen ihre Einzimmerwohnungen ungenehmigt als möblierte Kurzzeitunterkünfte auf der Airbnb-Plattform vermieteten. Infolge dieser Überprüfung wurden die Beschwerdeführerinnen zu einer Geldbuße verurteilt und angewiesen, die Objekte wieder einer Nutzung zu Wohnzwecken zuzuführen.
Die Stadt Paris trat dem Verfahren bei, das der Staatsanwalt eingeleitet hatte. Nachdem zunächst ihre Berufung ohne Erfolg geblieben war, legten die Beschwerdeführerinnen Kassationsbeschwerden beim Kassationsgerichtshof in Frankreich, dem vorlegenden Gericht, ein. Dieser möchte nunmehr vom EuGH wissen, ob eine nationale Regelung, die die Vermietung möblierten Wohnraums für Kurzzeitaufenthalte von einer Genehmigung der Verwaltung abhängig macht, in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG) fällt.
Die Gründe:
Die Dienstleistungsrichtlinie ist auf nationale und kommunale Vorschriften anwendbar, die den Zugang zu einer Dienstleistung regeln, die in der wiederholten, kurzfristigen, entgeltlichen, auch nicht gewerbsmäßigen Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten Räumlichkeiten an eine Laufkundschaft besteht, die dort keinen Wohnsitz begründet. Das Ziel der Bekämpfung einer Knappheit langfristigen Wohnraums kann jedoch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine nationale Maßnahme, nach der eine Genehmigungspflicht besteht, rechtfertigen kann. Derartige nationale und kommunale Vorschriften sind nach der Dienstleistungsrichtlinie zulässig, sofern sie den Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung entsprechen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Die anzustellende Prüfung muss sich dabei auf die anwendbaren nationalen und kommunalen Vorschriften beziehen, da es sich bei der in Rede stehenden Genehmigungsregelung um ein Paket aus Vorschriften beider Regelungsebenen handelt.
Vorschriften, die Nutzungsänderungen von zur Nutzung als Wohnraum bestimmtem Grundbesitz einem Genehmigungserfordernis unterwerfen, fallen in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie. Insbesondere handelt es sich bei den in Rede stehenden Vorschriften um eine Genehmigungsregelung i.S.d. Richtlinie. Eigentümer, die ihre möblierten Unterkünfte kurzfristig vermieten möchten, müssen ein Verwaltungsverfahren durchlaufen, um bei Erfüllung von Voraussetzungen vom Bürgermeister eine förmliche verwaltungsrechtliche Genehmigung zu erwirken. Weder die unternehmerische Freiheit noch das Eigentumsrecht gelten absolut, beide können eingeschränkt werden. Soweit mit anderen Worten die Regelung der Nutzung keine so schwerwiegende Einschränkung darstellt, dass sie faktisch einer verdeckten Enteignung oder Entwertung des Eigentums gleichkommt, sind Einschränkungen dieser Rechte zulässig.
Die Bekämpfung einer Wohnraumknappheit und das Ziel, ein hinreichendes Angebot an bezahlbarem (langfristigem) Wohnraum (insbesondere an Touristenschwerpunkten) zu gewährleisten, sowie der Schutz der städtischen Umwelt sind wirksame Rechtfertigungen für die Einführung von weitgehend auf die Sozialpolitik gestützten Genehmigungsregelungen. Somit ist die in Rede stehende Genehmigungsregelung eindeutig ein nach der Dienstleistungsrichtlinie zulässiges Mittel. Während die Einführung der Genehmigungsregelung verhältnismäßig ist, ist die Verhältnismäßigkeit der Ausgleichsleistung in Form der gleichzeitigen Umwandlung anders genutzter Räumlichkeiten in Wohnraum schon eher fragwürdig, insbesondere in der von der Stadt Paris gewählten Gestaltung in Bezug auf nicht gewerbliche Eigentümer. Es ist aber in erster Linie Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung mit der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar sind. Lokale Vielfalt ist im Hinblick auf die konkreten Genehmigungsvoraussetzungen nicht nur zulässig, sondern sogar wünschenswert. Wenn der lokalen Ebene eingeräumt wird, Regelungen zu erlassen und die Voraussetzungen für Genehmigungsregelungen auszugestalten, dann wird die Verhältnismäßigkeit dieser Regelungen wahrscheinlich davon abhängen, dass die lokalen Gegebenheiten und Besonderheiten berücksichtigt werden.