19.02.2024

Alkoholisierter Fahrer muss Anscheinsbeweis der Unfallverursachung gegen sich gelten lassen

Ereignet sich ein Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Trunkenheit für den Unfall ursächlich war. Das OLG Frankfurt a.M. hat einer schwer verletzten Fußgängerin nach dieser Beweisregel Schmerzensgeld iHv 52.500 € und Schadensersatz - jeweils unter Berücksichtigung einer Mithaftung von 25% - zugesprochen.

OLG Frankfurt a.M. v. 25.1.2024 - 26 U 11/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Der Beklagte fuhr mit seinem Fahrzeug alkoholisiert mit 0,96 Promille stadteinwärts in einer mittelhessischen Kleinstadt. Die Klägerin überquerte mit weiteren vier Personen die vom Beklagten befahrene Straße. Noch bevor sie die in der Mitte der zwischen den Fahrbahnen befindliche Verkehrsinsel erreichte, wurde sie vom Fahrzeug des Beklagten erfasst und in die Höhe geschleudert. Sie erlitt diverse schwere Verletzungen. Das LG gab der Klage auf Basis einer Haftungsquote von 50% statt.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Auf Basis einer Haftungsquote des Beklagten iHv 75 % sprach das OLG der Klägerin u.a. ein Schmerzensgeld iHv 52.500 € zu. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision begehrt werden, über die der BGH zu entscheiden hätte.

Die Gründe:
Der Beklagte hat gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Er hat nicht gebremst, obwohl das Betreten der Fahrbahn durch die Klägerin dies erforderte. Zudem ist er ganz erheblich alkoholisiert Auto gefahren. Der Beklagte hat weder auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Klägerin vertrauen dürfen, da die Klägerin für ihn ersichtlich entgegen ihrer Verpflichtung, den Fahrzeugverkehr zu beachten, die Straße überquerte. Noch kann er sich überhaupt infolge der eigenen regelwidrigen Trunkenheit auf diesen Grundsatz berufen. Das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand ist als grober Verstoß gegen die Grundsätze der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt anzusehen.

Wer angetrunken ein Kraftfahrzeug führt, handelt also grob fahrlässig. Der Beklagte hat die entscheidende Ursache für den Unfall gesetzt. Es ist davon auszugehen, dass ihm der Verkehrsverstoß unterlaufen ist, da er alkoholisiert war. Insoweit spricht ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit der Trunkenheit für einen Unfall, wenn dieser sich in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können. So liege es hier. Angesichts der freien Sicht für den Beklagten besteht kein Zweifel, dass ein nüchterner Fahrer die Gruppe um die Klägerin wahrgenommen und rechtzeitig gebremst hätte.

Die Klägerin muss sich jedoch ein Mitverschulden iHv 25% anrechnen lassen. Der Beklagte ist für sei erkennbar gewesen, als sie die Fahrbahn betreten hat.

Unter Berücksichtigung der Schwere der Verletzungen, des dadurch bedingten Leidens, des Grad des Verschuldens und der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ist ein Schmerzensgeld iHv 70.000 € angemessen. Nach Abzug ihres Mitverschuldensanteils von 25 % bleibt ein Schmerzensgeldanspruch iHv 52.500 € gegen den Beklagten neben den zu erstattenden materiellen Schäden.

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