Anfechtung der Auswahl als Pfleger durch das Jugendamt
OLG Brandenburg v. 29.4.2022 - 13 UF 16/22
Der Sachverhalt:
Die seit 2016 getrennt lebenden, die elterliche Sorge für ihren Sohn L. gemeinsam wahrnehmenden Antragsbeteiligten stritten sich erstinstanzlich über die Zuordnung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Nachdem das AG ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeholt hatte, einigten sich die Eltern dahingehend, dass der Lebensmittelpunkt von L. im Haushalt der Mutter ist, und erklärten das Sorgerechtsverfahren für erledigt. Zudem trafen die Eltern eine Vereinbarung über den Umgang des Vaters mit L., die das AG billigte.
Durch die angefochtene Entscheidung vom 4.1.2022 hat das AG, der Empfehlung der Sachverständigen im Rahmen ihres Erziehungsfähigkeitsgutachtens folgend, den Eltern nach §§ 1666, 1666a BGB einen Teil der elterlichen Sorge, nämlich das Recht zur Entscheidung über den Umgang des Vaters mit L., für die Dauer von zwei Jahren entzogen, insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet und das beschwerdeführende Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt.
Mit seiner Beschwerde beanstandete das Jugendamt die Anordnung der Ergänzungspflegschaft und seine Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger. Die Behörde meinte, das AG habe eine Umgangspflegschaft angeordnet, für die indes die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Beschwerde war unzulässig, soweit sie gegen die der Bestellung zum Ergänzungspfleger zugrundeliegende Anordnung gerichtet ist. Im Hinblick auf die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft fehlt es einem Jugendamt, das - wie vorliegend - die Beschwerde im eigenen Namen eingelegt hat, an der Beschwerdeberechtigung.
Soweit das Jugendamt beanstandet hatte, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Umgangspflegschaft lägen nicht vor, konnte es sich nicht auf eine Verletzung eigener Rechte berufen. Bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft und der Bestellung des Ergänzungspflegers handelt es sich nämlich um selbständige Verfahrensgegenstände. Eine Verletzung eigener Rechte kann das Jugendamt nur in Bezug auf seine Auswahl zum Ergänzungspfleger geltend machen. Darüber hinaus ging die Beanstandung des Amtes auch in der Sache ins Leere, da durch die erstinstanzliche Entscheidung keine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnet, sondern den Eltern ein Teil der elterlichen Sorge, nämlich das Recht zur Regelung des Umgangs, nach §§ 1666, 1666a BGB entzogen worden war.
Zwar war die Beschwerde, soweit sie gegen die Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger gerichtet war, zulässig, allerdings in der Sache nicht begründet. Denn die Auswahl des Ergänzungspflegers richtet sich nach den für die Auswahl des Vormunds geltenden Vorschriften, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1779 Abs. 2 BGB. Die Regelung in § 1916 BGB, wonach die Regelungen über die Berufung zur Vormundschaft für die Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB nicht gelten, bezieht sich nicht auf § 1779 Abs. 2 BGB, der die Auswahl durch das Familiengericht regelt. Die Ermessensausübung des Familiengerichts bei der Auswahlentscheidung ist in der Beschwerdeinstanz einer Überprüfung zugänglich.
Nach § 1779 Abs. 2 BGB soll das Familiengericht eine Person auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist; bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen sollen der mutmaßliche Wille der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels, die Verwandschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel sowie das religiöse Bekenntnis des Mündels berücksichtigt werden. Das Gesetz geht in §§ 1791b und 1887 Abs. 1 BGB klar und eindeutig vom Vorrang der Einzelvormundschaft gegenüber der Vormundschaft des Jugendamts oder eines speziellen Vereins aus. Das Jugendamt ist zum Vormund - und gleichermaßen zum Ergänzungspfleger, § 1915 BGB - nur zu bestellen, wenn keine geeignete Einzelperson zur Verfügung steht, dem im Einzelfall durch die Auswahl einer außerhalb der Familie stehenden Person zum Vormund oder Ergänzungspfleger besser gedient sein kann als durch einen nahen Angehörigen. Und so lag der Fall hier.
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Landesrecht Brandenburg
Die seit 2016 getrennt lebenden, die elterliche Sorge für ihren Sohn L. gemeinsam wahrnehmenden Antragsbeteiligten stritten sich erstinstanzlich über die Zuordnung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Nachdem das AG ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeholt hatte, einigten sich die Eltern dahingehend, dass der Lebensmittelpunkt von L. im Haushalt der Mutter ist, und erklärten das Sorgerechtsverfahren für erledigt. Zudem trafen die Eltern eine Vereinbarung über den Umgang des Vaters mit L., die das AG billigte.
Durch die angefochtene Entscheidung vom 4.1.2022 hat das AG, der Empfehlung der Sachverständigen im Rahmen ihres Erziehungsfähigkeitsgutachtens folgend, den Eltern nach §§ 1666, 1666a BGB einen Teil der elterlichen Sorge, nämlich das Recht zur Entscheidung über den Umgang des Vaters mit L., für die Dauer von zwei Jahren entzogen, insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet und das beschwerdeführende Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt.
Mit seiner Beschwerde beanstandete das Jugendamt die Anordnung der Ergänzungspflegschaft und seine Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger. Die Behörde meinte, das AG habe eine Umgangspflegschaft angeordnet, für die indes die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen.
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Die Beschwerde war unzulässig, soweit sie gegen die der Bestellung zum Ergänzungspfleger zugrundeliegende Anordnung gerichtet ist. Im Hinblick auf die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft fehlt es einem Jugendamt, das - wie vorliegend - die Beschwerde im eigenen Namen eingelegt hat, an der Beschwerdeberechtigung.
Soweit das Jugendamt beanstandet hatte, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Umgangspflegschaft lägen nicht vor, konnte es sich nicht auf eine Verletzung eigener Rechte berufen. Bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft und der Bestellung des Ergänzungspflegers handelt es sich nämlich um selbständige Verfahrensgegenstände. Eine Verletzung eigener Rechte kann das Jugendamt nur in Bezug auf seine Auswahl zum Ergänzungspfleger geltend machen. Darüber hinaus ging die Beanstandung des Amtes auch in der Sache ins Leere, da durch die erstinstanzliche Entscheidung keine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnet, sondern den Eltern ein Teil der elterlichen Sorge, nämlich das Recht zur Regelung des Umgangs, nach §§ 1666, 1666a BGB entzogen worden war.
Zwar war die Beschwerde, soweit sie gegen die Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger gerichtet war, zulässig, allerdings in der Sache nicht begründet. Denn die Auswahl des Ergänzungspflegers richtet sich nach den für die Auswahl des Vormunds geltenden Vorschriften, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1779 Abs. 2 BGB. Die Regelung in § 1916 BGB, wonach die Regelungen über die Berufung zur Vormundschaft für die Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB nicht gelten, bezieht sich nicht auf § 1779 Abs. 2 BGB, der die Auswahl durch das Familiengericht regelt. Die Ermessensausübung des Familiengerichts bei der Auswahlentscheidung ist in der Beschwerdeinstanz einer Überprüfung zugänglich.
Nach § 1779 Abs. 2 BGB soll das Familiengericht eine Person auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist; bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen sollen der mutmaßliche Wille der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels, die Verwandschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel sowie das religiöse Bekenntnis des Mündels berücksichtigt werden. Das Gesetz geht in §§ 1791b und 1887 Abs. 1 BGB klar und eindeutig vom Vorrang der Einzelvormundschaft gegenüber der Vormundschaft des Jugendamts oder eines speziellen Vereins aus. Das Jugendamt ist zum Vormund - und gleichermaßen zum Ergänzungspfleger, § 1915 BGB - nur zu bestellen, wenn keine geeignete Einzelperson zur Verfügung steht, dem im Einzelfall durch die Auswahl einer außerhalb der Familie stehenden Person zum Vormund oder Ergänzungspfleger besser gedient sein kann als durch einen nahen Angehörigen. Und so lag der Fall hier.
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