Anfechtung wegen arglistiger Täuschung über den Zustand der Wohnung und des Mobiliars
LG Lübeck v. 7.7.2022 - 14 S 23/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind über einen am 24.7.2019 unterschriebenen Mietvertrag betreffend die möblierte Eigentumswohnung der Klägerin miteinander verbunden. Vereinbarter Mietbeginn war der 1.9.2019. Die Parteien verzichteten wechselseitig für die Dauer von einem Jahr auf das Recht zur ordentlichen Kündigung. Die Beklagte zahlte an die Klägerin zur Erfüllung der mietvertraglichen Pflichten den vereinbarten Mietzins i.H.v. 900 € für den Monat September 2019 sowie die vereinbarte Kaution von 1.500 €. Am 10.09.2019 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Mietvertrag, hilfsweise die sofortige Kündigung und die ordentliche Kündigung. Ferner erklärte sie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Sie begründete dies mit dem Zustand der Wohnung und des Mobiliars. Sie forderte von der Klägerin die Rückzahlung der Septembermiete sowie der geleisteten Kaution.
Das AG hat die Klage auf Zahlung ausstehender Mieten abgewiesen mit der Begründung, die Beklagte habe den Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung über den wahren Zustand der mitvermieteten Couch wirksam angefochten. Der Widerklage auf Rückzahlung des bereits geleisteten Mietzinses für den Monat September 2019 und der Mietkaution hat es vollumfänglich stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das Urteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Mietzinszahlungen i.H.v. insgesamt 9.000,00 € aus § 535 Abs. 2 BGB.
Der Mietvertrag ist nicht als von Anfang nichtig anzusehen, weil die Beklagte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB erklärt hat. Die Beklagte konnte den Vertrag nicht wirksam anfechten, weil es an einer arglistigen Täuschung der Klägerin fehlte. Eine solche kann entweder durch aktives Tun oder durch ein Unterlassen verwirklicht werden. Eine Täuschung durch Unterlassen dadurch, dass die Klägerin die Beklagte nicht über den tatsächlichen Zustand der Wohnung aufgeklärt hat, ist nicht gegeben. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nämlich nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht.
Rechtsgrundlage für diese Pflicht ist § 242 BGB. Entscheidend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Grundsätzlich ist es Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Es besteht daher keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein können. Ungünstige Eigenschaften des Vertragsgegenstands brauchen grundsätzlich nicht ungefragt offengelegt zu werden.
Im Hinblick auf die streitgegenständliche Couch, welche mit Kissen und Decken dekoriert war, liegt eine arglistige Täuschung nicht vor, denn eine Aufklärungspflicht der Klägerin bestand insoweit nicht. Ohne jegliche Nachfragen oder anderweitige Interessenbekundungen der Beklagten an dem Zustand der Couch ohne Kissen und Decken musste die Klägerin nicht ungefragt hierüber Auskunft erteilen. Die Beklagte hätte auch die Möglichkeit gehabt, die Wohnung vor der Anmietung gründlich in Augenschein zu nehmen.
Es liegt auch keine aktive Täuschungshandlung durch die Klägerin über den Zustand der Wohnung vor. Die Täuschungshandlung i.S.v.§ 123 BGB entspricht im Wesentlichen derjenigen von § 263 StGB. Erforderlich ist damit die Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen. Bereits der Gesetzeswortlaut des § 123 BGB fordert dabei, dass der Vertragspartner hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist. Das Inserat mit den streitgegenständlichen Lichtbildern erfüllt die Anforderungen an eine aktive Täuschungshandlung nicht. Das Inserat zeigt die Wohnung im Wesentlichen den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend.
Das Mietverhältnis wurde jedoch durch das Schreiben vom 10.9.20219 ordentlich gem. § 542 BGB zum 31.8.2020 gekündigt. Aufgrund der mietvertragrechtlich zulässigen Vereinbarung eines Ausschlusses einer ordentlichen Kündigung von einem Jahr war das Mietverhältnis nicht vor dem 31.8.2020 kündbar. Der geschuldete Mietzins war auch nicht wegen Mängeln der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert. Gem. § 536b BGB steht dem Mieter das Recht auf Minderung nicht zu, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel der Mietsache kennt. Ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen ihm diese Rechte nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nimmt der Mieter eine mangelhafte Sache an, obwohl er den Mangel kennt, so kann er die Rechte aus § 536 BGB nur geltend machen, wenn er sich seine Rechte bei der Annahme vorbehält.
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Das AG hat die Klage auf Zahlung ausstehender Mieten abgewiesen mit der Begründung, die Beklagte habe den Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung über den wahren Zustand der mitvermieteten Couch wirksam angefochten. Der Widerklage auf Rückzahlung des bereits geleisteten Mietzinses für den Monat September 2019 und der Mietkaution hat es vollumfänglich stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das Urteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
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Der Mietvertrag ist nicht als von Anfang nichtig anzusehen, weil die Beklagte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB erklärt hat. Die Beklagte konnte den Vertrag nicht wirksam anfechten, weil es an einer arglistigen Täuschung der Klägerin fehlte. Eine solche kann entweder durch aktives Tun oder durch ein Unterlassen verwirklicht werden. Eine Täuschung durch Unterlassen dadurch, dass die Klägerin die Beklagte nicht über den tatsächlichen Zustand der Wohnung aufgeklärt hat, ist nicht gegeben. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nämlich nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht.
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Das Mietverhältnis wurde jedoch durch das Schreiben vom 10.9.20219 ordentlich gem. § 542 BGB zum 31.8.2020 gekündigt. Aufgrund der mietvertragrechtlich zulässigen Vereinbarung eines Ausschlusses einer ordentlichen Kündigung von einem Jahr war das Mietverhältnis nicht vor dem 31.8.2020 kündbar. Der geschuldete Mietzins war auch nicht wegen Mängeln der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert. Gem. § 536b BGB steht dem Mieter das Recht auf Minderung nicht zu, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel der Mietsache kennt. Ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen ihm diese Rechte nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nimmt der Mieter eine mangelhafte Sache an, obwohl er den Mangel kennt, so kann er die Rechte aus § 536 BGB nur geltend machen, wenn er sich seine Rechte bei der Annahme vorbehält.
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