Anforderungen an die Individualisierung von Gegenstand und Grund des Anspruchs in der Anmeldung zum Klageregister einer Musterfeststellungsklage
BGH v. 24.4.2023 - VIa ZR 1072/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er meldete am 9.1.2019 einen Anspruch zum Klageregister der gegen die Beklagte erhobenen Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig (4 MK 1/18) an. Dabei gab er zu Gegenstand und Grund des Anspruchs "Software Manipulation Vw Touran Bj. 2011" und zum Betrag der Forderung "16500 €" an. In der Folgezeit wurde die Musterfeststellungsklage zurückgenommen. Mit Beschluss vom 6.5.2020 erklärte das OLG Braunschweig das Musterfeststellungsverfahren für beendet.
Mit seiner im September 2020 erhobenen Klage hat der Kläger die Erstattung des Kaufpreises nebst Delikts- und Verzugszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und den Ersatz von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Verzugszinsen begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Das galt auch für die Revision vor dem BGH.
Gründe:
Der Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB war bei Klageerhebung verjährt und deshalb gem. § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar. Von der Verjährung erfasst ist der deliktische Schadensersatzanspruch und wäre daher auch der vom Kläger weiter angeführte Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV.
Die Annahme des OLG, die Anmeldung des Anspruchs zum Klageregister der Musterfeststellungsklage habe die Verjährung im Jahr 2018 nicht gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt, war aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB wird die Verjährung durch die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch gehemmt, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage. Nach § 608 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Anmeldung nur wirksam, wenn sie frist- und formgerecht erfolgt und folgende Angaben enthält: Name und Anschrift des Verbrauchers (Nr. 1), Bezeichnung des Gerichts und Aktenzeichen der Musterfeststellungs-klage (Nr. 2), Bezeichnung des Beklagten der Musterfeststellungsklage (Nr. 3), Gegenstand und Grund des Anspruchs oder des Rechtsverhältnisses des Verbrauchers (Nr. 4), Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben (Nr. 5).
Das Berufungsgericht hat die Anmeldung zum Klageregister zu Recht für unwirksam gehalten, weil die Angaben des Klägers zu Gegenstand und Grund des Anspruchs den Anforderungen an die Individualisierung des Anspruchs nicht genügten. Die Anforderungen an die Angabe von Gegenstand und Grund des Anspruchs nach § 608 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO entsprechen denjenigen an die bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund eines in einer Klageschrift erhobenen Anspruchs nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist es erforderlich, aber im Allgemeinen auch ausreichend, dass der Anspruch als solcher identifizierbar ist, indem er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann. Der Kläger muss seinen Tatsachenvortrag allerdings nach Beteiligten, Ort und Zeit so weit konkretisieren, dass die Identität des Lebenssachverhalts, den er zum Streitgegenstand machen will, unverwechselbar feststeht
Entsprechende Anforderungen gelten für die verjährungshemmende Angabe von Gegenstand und Grund des Anspruchs in der Anmeldung zum Klageregister (§ 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB, § 608 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Demgemäß weist die vom Bundesamt für Justiz nach § 3 Abs. 1 der Musterfeststellungsklagenregister-Verordnung (MFKRegV) erlassene Ausfüllanleitung darauf hin, dass zur Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs der zugrundeliegende Sachverhalt durch die konkrete Darlegung des tatsächlichen Geschehens (zum Beispiel: Welcher Gegenstand ist betroffen? Welcher Vertrag liegt zugrunde? Was ist passiert?) genau und eindeutig zu beschreiben ist. Dabei dürfen an die Angaben allerdings keine übertrieben formalistischen Anforderungen gestellt werden (BT-Drucks. 19/2701, S. 9).
Somit hat das OLG zu Recht angenommen, anhand der Angaben des Klägers in der Anmeldung zum Klageregister sei eine eindeutige Bestimmung, aus welchem individuellen Rechtsgeschäft er den geltend gemachten Anspruch herleite, nicht möglich. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger darin nicht den Lebenssachverhalt bestimmt hatte, auf den er den geltend gemachten Anspruch stützte. Der Angabe "Software Manipulation Vw Touran Bj. 2011" ließ sich zwar die schlagwortartige Umschreibung entnehmen, das in Rede stehende Fahrzeug sei mit der von der Beklagten in Dieselmotoren der Baureihe EA 189 eingebauten manipulativen Prüfstandserkennungssoftware versehen. Der Kläger hatte aber keine Angaben zu Art, Inhalt und/oder äußeren Umständen des hinsichtlich des Fahrzeugs geschlossenen Rechtsgeschäfts gemacht, die den der Beklagten angelasteten tatsächlichen Haftungsgrund hätten individualisieren können.
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Der Kläger hatte die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er meldete am 9.1.2019 einen Anspruch zum Klageregister der gegen die Beklagte erhobenen Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig (4 MK 1/18) an. Dabei gab er zu Gegenstand und Grund des Anspruchs "Software Manipulation Vw Touran Bj. 2011" und zum Betrag der Forderung "16500 €" an. In der Folgezeit wurde die Musterfeststellungsklage zurückgenommen. Mit Beschluss vom 6.5.2020 erklärte das OLG Braunschweig das Musterfeststellungsverfahren für beendet.
Mit seiner im September 2020 erhobenen Klage hat der Kläger die Erstattung des Kaufpreises nebst Delikts- und Verzugszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und den Ersatz von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Verzugszinsen begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Das galt auch für die Revision vor dem BGH.
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Der Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB war bei Klageerhebung verjährt und deshalb gem. § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar. Von der Verjährung erfasst ist der deliktische Schadensersatzanspruch und wäre daher auch der vom Kläger weiter angeführte Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV.
Die Annahme des OLG, die Anmeldung des Anspruchs zum Klageregister der Musterfeststellungsklage habe die Verjährung im Jahr 2018 nicht gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt, war aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB wird die Verjährung durch die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch gehemmt, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage. Nach § 608 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Anmeldung nur wirksam, wenn sie frist- und formgerecht erfolgt und folgende Angaben enthält: Name und Anschrift des Verbrauchers (Nr. 1), Bezeichnung des Gerichts und Aktenzeichen der Musterfeststellungs-klage (Nr. 2), Bezeichnung des Beklagten der Musterfeststellungsklage (Nr. 3), Gegenstand und Grund des Anspruchs oder des Rechtsverhältnisses des Verbrauchers (Nr. 4), Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben (Nr. 5).
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Entsprechende Anforderungen gelten für die verjährungshemmende Angabe von Gegenstand und Grund des Anspruchs in der Anmeldung zum Klageregister (§ 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB, § 608 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Demgemäß weist die vom Bundesamt für Justiz nach § 3 Abs. 1 der Musterfeststellungsklagenregister-Verordnung (MFKRegV) erlassene Ausfüllanleitung darauf hin, dass zur Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs der zugrundeliegende Sachverhalt durch die konkrete Darlegung des tatsächlichen Geschehens (zum Beispiel: Welcher Gegenstand ist betroffen? Welcher Vertrag liegt zugrunde? Was ist passiert?) genau und eindeutig zu beschreiben ist. Dabei dürfen an die Angaben allerdings keine übertrieben formalistischen Anforderungen gestellt werden (BT-Drucks. 19/2701, S. 9).
Somit hat das OLG zu Recht angenommen, anhand der Angaben des Klägers in der Anmeldung zum Klageregister sei eine eindeutige Bestimmung, aus welchem individuellen Rechtsgeschäft er den geltend gemachten Anspruch herleite, nicht möglich. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger darin nicht den Lebenssachverhalt bestimmt hatte, auf den er den geltend gemachten Anspruch stützte. Der Angabe "Software Manipulation Vw Touran Bj. 2011" ließ sich zwar die schlagwortartige Umschreibung entnehmen, das in Rede stehende Fahrzeug sei mit der von der Beklagten in Dieselmotoren der Baureihe EA 189 eingebauten manipulativen Prüfstandserkennungssoftware versehen. Der Kläger hatte aber keine Angaben zu Art, Inhalt und/oder äußeren Umständen des hinsichtlich des Fahrzeugs geschlossenen Rechtsgeschäfts gemacht, die den der Beklagten angelasteten tatsächlichen Haftungsgrund hätten individualisieren können.
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