Anforderungen an sog. Verwertungskündigung einer Mietwohnung
LG Osnabrück v. 29.1.2020 - 1 S 117/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gemeinde aus dem Emsland in der Nähe von Sögel. Sie war Eigentümerin eines Gebäudes mit ursprünglich vier Wohnungen. Tatsächlich lebte jedoch nur noch ein einziger Mieter in dem Haus. Er nutzte für eine Monatsmiete von 40 € das gesamte Dachgeschoss des Hauses, obgleich er dort eigentlich nur eine von zwei Wohnungen angemietet hatte. Im Übrigen stand das Haus leer.
Die Miete hatte die Gemeinde zuletzt in den 1950er Jahren erhöht. Sanierungsmaßnahmen an dem Gebäude gab es seit Jahrzehnten nicht, weshalb das Haus mittlerweile einen erheblichen Investitionsstau aufwies. Im Jahr 2016 plante die Gemeinde, sich der Immobilie zu entledigen. Sie bot sie deshalb an ihrem "Schwarzen Brett" zu einem Mindestkaufpreis von 60.000 € zum Verkauf an. Gleichzeitig kündigte sie das Mietverhältnis mit dem letzten verbliebenen Mieter mit der Begründung, die notwendige Sanierung des Hauses durch die Gemeinde sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Der Verkauf des Hauses stelle die einzig sinnvolle Nutzung der Immobilie dar. Ein Käufer lasse sich aber nur finden, sofern das Haus nicht mehr vermietet sei.
Der Mieter lehnte einen Auszug ab. Das AG gab der Räumungsklage statt. Beraten durch einen Sachverständigen für Immobilienbewertung kam das Gericht zu dem Ergebnis, die Gemeinde habe eine sog. Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB aussprechen dürfen. Veräußerbar sei das Haus aber nur im geräumten Zustand. Durch die geringe Miete sei eine Sanierung nicht zu refinanzieren. Die Alternative zum Verkauf, eine Sanierung des Gebäudes durch die Gemeinde, sei aus demselben Grund ebenfalls wirtschaftlich nicht zumutbar.
Auf die Berufung des Mieters hob das LG die Entscheidung auf und wies die Räumungsklage der Gemeinde ab. Rechtsmittel gegen sein zweitinstanzliches Urteil hat es nicht zugelassen.
Die Gründe:
Es ist im vorliegenden Fall keine Grundlage für eine Verwertungskündigung zu sehen.
Ob eine Fortsetzung des Mietverhältnisses als unzumutbar gesehen werden kann, ist eine Frage der Abwägung. Diese fiel hier zum Nachteil der Gemeinde aus. Zunächst war dabei zu berücksichtigen, dass die geringe Rendite des Objekts letztlich auf Versäumnissen der Gemeinde beruhte, ebenso der hohe Sanierungsaufwand. Schließlich hatte die Gemeinde die Miete seit mehr als 50 Jahren nicht erhöht, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zudem hatte sie das Haus über Jahrzehnte verfallen lassen. Unerheblich war, dass dies nicht von vorneherein mit dem Ziel geschehen war, später eine Verwertungskündigung auszusprechen. Unerheblich war zudem, dass der Mieter seinerseits nie Mängel angezeigt hatte. Als Vermieter wäre die Gemeinde vielmehr von sich aus verpflichtet gewesen, die Immobilie laufend instandzuhalten (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gegen diese Pflicht hat sie erkennbar verstoßen und das Haus dem sichtbaren Verfall preisgegeben.
Zudem fehlte es hier an einem ausreichenden Beleg dafür, dass tatsächlich ein Verkauf des Hauses im vermieteten Zustand nicht zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen möglich ist. Bei der Frage, ob zur wirtschaftlichen Verwertung einer Immobilie die Kündigung der bestehenden Mietverhältnisse erforderlich ist, kommt es generell darauf an, welcher Preis im vermieteten Zustand und welcher im unvermieteten Zustand erzielt werden kann. Ein gewisser Preisnachteil durch einen Verkauf im vermieteten Zustand ist dem Vermieter dabei zumutbar. Bei einer Gemeinde als öffentlich-rechtlicher Körperschaft gilt dies zudem noch mehr als bei einem privaten Vermieter.
Insoweit hatte die Gemeinde allerdings keine ausreichenden Bemühungen unternommen, das Haus überhaupt im vermieteten Zustand anzubieten. Das Angebot am Schwarzen Brett hatte erkennbar nur einen sehr kleinen Kreis lokaler Interessenten angesprochen. Letztlich hatte sich auch nur ein einziger Kaufinteressent gemeldet. Den gebotenen Versuch, durch Angebote im Internet oder über einen Makler die Immobilie einem größeren Personenkreis im vermieteten Zustand anzubieten, hatte die Gemeinde nicht unternommen. Angesichts der aktuellen Lage auf dem Immobilienmarkt war es keineswegs fernliegend, dass so ein Käufer hätte gefunden werden können, der das Haus auch im vermieteten Zustand zu einem attraktiven Preis übernommen hätte.
LG Osnabrück PM v. 12.2.2020
Die Klägerin ist eine Gemeinde aus dem Emsland in der Nähe von Sögel. Sie war Eigentümerin eines Gebäudes mit ursprünglich vier Wohnungen. Tatsächlich lebte jedoch nur noch ein einziger Mieter in dem Haus. Er nutzte für eine Monatsmiete von 40 € das gesamte Dachgeschoss des Hauses, obgleich er dort eigentlich nur eine von zwei Wohnungen angemietet hatte. Im Übrigen stand das Haus leer.
Die Miete hatte die Gemeinde zuletzt in den 1950er Jahren erhöht. Sanierungsmaßnahmen an dem Gebäude gab es seit Jahrzehnten nicht, weshalb das Haus mittlerweile einen erheblichen Investitionsstau aufwies. Im Jahr 2016 plante die Gemeinde, sich der Immobilie zu entledigen. Sie bot sie deshalb an ihrem "Schwarzen Brett" zu einem Mindestkaufpreis von 60.000 € zum Verkauf an. Gleichzeitig kündigte sie das Mietverhältnis mit dem letzten verbliebenen Mieter mit der Begründung, die notwendige Sanierung des Hauses durch die Gemeinde sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Der Verkauf des Hauses stelle die einzig sinnvolle Nutzung der Immobilie dar. Ein Käufer lasse sich aber nur finden, sofern das Haus nicht mehr vermietet sei.
Der Mieter lehnte einen Auszug ab. Das AG gab der Räumungsklage statt. Beraten durch einen Sachverständigen für Immobilienbewertung kam das Gericht zu dem Ergebnis, die Gemeinde habe eine sog. Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB aussprechen dürfen. Veräußerbar sei das Haus aber nur im geräumten Zustand. Durch die geringe Miete sei eine Sanierung nicht zu refinanzieren. Die Alternative zum Verkauf, eine Sanierung des Gebäudes durch die Gemeinde, sei aus demselben Grund ebenfalls wirtschaftlich nicht zumutbar.
Auf die Berufung des Mieters hob das LG die Entscheidung auf und wies die Räumungsklage der Gemeinde ab. Rechtsmittel gegen sein zweitinstanzliches Urteil hat es nicht zugelassen.
Die Gründe:
Es ist im vorliegenden Fall keine Grundlage für eine Verwertungskündigung zu sehen.
Ob eine Fortsetzung des Mietverhältnisses als unzumutbar gesehen werden kann, ist eine Frage der Abwägung. Diese fiel hier zum Nachteil der Gemeinde aus. Zunächst war dabei zu berücksichtigen, dass die geringe Rendite des Objekts letztlich auf Versäumnissen der Gemeinde beruhte, ebenso der hohe Sanierungsaufwand. Schließlich hatte die Gemeinde die Miete seit mehr als 50 Jahren nicht erhöht, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zudem hatte sie das Haus über Jahrzehnte verfallen lassen. Unerheblich war, dass dies nicht von vorneherein mit dem Ziel geschehen war, später eine Verwertungskündigung auszusprechen. Unerheblich war zudem, dass der Mieter seinerseits nie Mängel angezeigt hatte. Als Vermieter wäre die Gemeinde vielmehr von sich aus verpflichtet gewesen, die Immobilie laufend instandzuhalten (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gegen diese Pflicht hat sie erkennbar verstoßen und das Haus dem sichtbaren Verfall preisgegeben.
Zudem fehlte es hier an einem ausreichenden Beleg dafür, dass tatsächlich ein Verkauf des Hauses im vermieteten Zustand nicht zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen möglich ist. Bei der Frage, ob zur wirtschaftlichen Verwertung einer Immobilie die Kündigung der bestehenden Mietverhältnisse erforderlich ist, kommt es generell darauf an, welcher Preis im vermieteten Zustand und welcher im unvermieteten Zustand erzielt werden kann. Ein gewisser Preisnachteil durch einen Verkauf im vermieteten Zustand ist dem Vermieter dabei zumutbar. Bei einer Gemeinde als öffentlich-rechtlicher Körperschaft gilt dies zudem noch mehr als bei einem privaten Vermieter.
Insoweit hatte die Gemeinde allerdings keine ausreichenden Bemühungen unternommen, das Haus überhaupt im vermieteten Zustand anzubieten. Das Angebot am Schwarzen Brett hatte erkennbar nur einen sehr kleinen Kreis lokaler Interessenten angesprochen. Letztlich hatte sich auch nur ein einziger Kaufinteressent gemeldet. Den gebotenen Versuch, durch Angebote im Internet oder über einen Makler die Immobilie einem größeren Personenkreis im vermieteten Zustand anzubieten, hatte die Gemeinde nicht unternommen. Angesichts der aktuellen Lage auf dem Immobilienmarkt war es keineswegs fernliegend, dass so ein Käufer hätte gefunden werden können, der das Haus auch im vermieteten Zustand zu einem attraktiven Preis übernommen hätte.