04.01.2022

Annahme eines Namens mit einer früheren Adelsbezeichnung

Ein in einem EU-Mitgliedstaat wirksam erworbener Namensbestandteil, der auf eine frühere Adelsbezeichnung hindeutet, darf nur in Einzelfällen zurückgewiesen werden. Etwa wenn die private Namensänderung im Ausland keine familiären oder sozialen Gründe hat, sondern allein auf dem Motiv beruht, sich selbst dem Adelsstand zuzuordnen.

OLG Brandenburg v. 28.8.2021 - 7 W 87/21
Der Sachverhalt:
Der 1980 geborene Ehemann der Antragstellerin führt als Geburtsnamen den Ehenamen seiner Eltern. Die Ehe der Eltern wurde 1986 geschieden. Die Mutter des Ehemannes der Antragstellerin zu 1) heiratete 1997 erneut. Die Eheleute bestimmten den Geburtsnamen des Ehemannes, "Freiherr von B", zum Ehenamen. Der Ehemann der Antragstellerin wurde nicht einbenannt.

Die Antragstellerin war 1981 als polnische Staatsbürgerin geboren worden. 1988 wurde sie eingebürgert und ist seitdem sowohl polnische als auch deutsche Staatsbürgerin. Sie heiratete ihren Ehemann 2014. Im Jahr darauf bestimmten die Eheleute Geburtsnamen des Ehemannes zum Ehenamen. Die Kinder wurden 2015 und 2018 geboren. Die Familie wohnte in Deutschland.

Der Ehemann der Antragstellerin führte in der Vergangenheit zwei Verwaltungsverfahren mit dem Ziel, seinen Namen in "Freiherr von B-A" zu ändern. Beide Anträge wurden bestandskräftig abgelehnt. Die Antragstellerin bewirkte für sich und für die Kinder die Eintragung des Namens "Freifrau von B-A" im Eheeintrag und in den Geburtseintragungen eines polnischen Standesamtes, das die Eheschließung der Antragstellerin und die Geburten der Kinder nachbeurkundet hatte. Eine polnische Gemeinde bescheinigte der Antragstellerin einen vorübergehenden Aufenthalt dort.

Die Antragstellerin hat gegenüber dem hier beteiligten Standesamt erklärt, für sich und für die Kinder den in die polnischen Register eingetragenen Namen "Freifrau von B-A" zu wählen. Sie hat dazu ausgeführt, der vorangestellte Name sei der Name der Mutter ihres Ehemannes, der sie familiär verbunden sei. Dieser Name sei zudem Bestandteil der firmenähnlichen Bezeichnung eines landwirtschaftlichen Betriebes, den die Familie führe. Das Standesamt hat eine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt, weil es gemeint hat, die Namenswahl sei mit dem ordre public nicht zu vereinbaren. Die Standesamtsaufsicht und das AG haben sich dieser Ansicht angeschlossen.

Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG den Beschluss abgeändert und das Standesamt angewiesen, auf eine Erklärung der Antragstellerin, sie wählte den Namen "Freifrau von B-A", Veranlassungen nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses zu treffen.

Die Gründe:
Die von der Antragstellerin erklärte Namenwahl ist mit dem ordre public Deutschlands vereinbar. Da Art. 48 S. 1 EGBGB die Namenswahl ausdrücklich dem Vorbehalt des ordre public unterwirft, darf die Norm nicht so ausgelegt und angewendet werden, dass die Namenswahl den Kernbestand der inländischen Rechtsordnung nie berühren könnte.

Für möglich gehalten worden ist ein Verstoß gegen den ordre public Deutschlands durch die Wahl eines Namens, der vormals die Zugehörigkeit zum Adelsstand hätte kennzeichnen können. Dies kommt für die Namenswahl der Antragstellerin in Betracht: die Namensbestandteile "Freifrau von" kennzeichneten im Heiligen Römischen Reich und nach dessen Ende bis 1919 die Zugehörigkeit zum titulierten, niederen Adel. Die Aufhebung öffentlich-rechtlicher Vorrechte, die auf Geburt oder Standeszugehörigkeit beruhen (Art. 109 Abs. 3 S. 1 WRV), und das Verbot, Adelsbezeichnungen zu verleihen, sondern sie allein noch als Bestandteil des Namens anzuerkennen (Art. 109 Abs. 3 S. 2 WRV), mag zum Kernbestand der Rechtsordnung einer Republik (Art. 20 Abs. 1, 79 Abs. 3 GG) und damit zum ordre public Deutschlands gehören. Vorrechte kraft Geburt oder Stand wären zudem mit der Gleichheit vor dem Gesetz und mit der staatsbürgerlichen Gleichstellung unvereinbar. Jedenfalls hier ist ein für die gesamte Rechtsordnung maßgebliches und dauerhaftes Prinzip berührt, das der Änderung oder Beseitigung selbst durch parlamentarische Mehrheiten wegen des Vorrangs der Verfassung entzogen ist.

Die Namenswahl der Antragstellerin verstößt weder gegen das Verbot, Adelsbezeichnungen zu verleihen, noch berühmt sich die Antragstellerin mit der Namenswahl eines gleichheitswidrigen Vorrangs vor anderen Menschen. Der BGH hat 2018 und 2019 gemeint, den funktionslos gewordenen Adelsbezeichnungen im Namen werde in der Vorstellung breiter Bevölkerungskreise weiterhin eine besondere soziale und gesellschaftliche Bedeutung beigemessen; durch die Fortführung früherer Adelsbezeichnungen bilde sich eine Bevölkerungsgruppe, deren Namen bis zu einem vollständigen gesellschaftlichen Bedeutungswandel mit einem vermeintlich höheren sozialen Ansehen in Verbindung gebracht werde.

Diese Bedenken überzeugen auf dem derzeitigen, von 2018/2019 nicht abweichenden Stand der gesellschaftlichen Entwicklung nicht. Sie sind eher überholt. Dass in Deutschland Adelstitel oder -bezeichnungen oder gar mit dem Adelsstand verbundene Vorrechte nicht staatlich verliehen werden, gehört zum Allgemeinwissen aller nur durchschnittlich am gesellschaftlichen und politischen Leben Interessierter. Erst recht besteht das sichere Wissen, dass niemand durch eigene Erklärung oder durch gegenseitiges Adeln unter Privaten eine gegenüber anderen herausgehobene Rechtsstellung erreichen kann.

Die persönliche Freizügigkeit als eine der Grundfreiheiten der EU zu gewährleisten (Art. 21 Abs. 1 AEUV) und die verbindliche Interpretation des Primärrechts der EU durch deren Gerichtshof anzuerkennen, ist für die Rechtsordnung Deutschlands bei weitem eher bestimmend als die Grundsätze deutschen Namensrechts auf dem jeweils gerade geltenden Rechtsstand. Für die Anerkennung der Namenswahl der Antragstellerin streitet daher als ein Aspekt des ordre public, dass der EuGH der Auffassung ist, es könne die Ausübung des in Art. 21 AEUV verankerten Rechts behindern, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, wenn die Behörden eines Mitgliedstaats es ablehnen, den Nachnamen eines Angehörigen dieses Staates, der von seinem Recht auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Gebrauch gemacht hat, so anzuerkennen, wie er dort bestimmt wurde.

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Den Volltext der Entscheidung finden Sie in der Datenbank Otto Schmidt online.

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