23.09.2021

Anrechnung von Prozesszinsen auf zu ersetzende Darlehenszinsen bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags

Auf Darlehenszinsen, die der Verkäufer dem Käufer bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags nach § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen hat, sind gezahlte Prozesszinsen anzurechnen, wenn sie den gleichen Zeitraum betreffen.

BGH v. 2.7.2021 - V ZR 95/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin und ihr Ehemann kauften im März 2007 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Eigentumswohnung zu einem Preis von rd. 130.000 €. Zur Finanzierung schlossen sie einen Darlehensvertrag mit einer Bank über einen Betrag von 141.300 € mit einer Zinsfestschreibung bis Ende März 2017. Im Juli 2015 wurde die Rechtsvorgängerin der Beklagten wegen einer fehlerhaften Beratung der Käufer verurteilt, an die Klägerin 141.300 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Eigentumswohnung. Ferner wurde festgestellt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten zum Ausgleich des weiteren Vermögensschadens verpflichtet ist, soweit dieser im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnung steht.

Im Mai 2017 vereinbarten die Klägerin und ihr Ehemann zur Ablösung des Darlehens eine Zwischenfinanzierung bei einem anderen Kreditinstitut; die Auszahlung dieses Darlehens erfolgte am 5.5.2017. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 23.7.2015 erhielt die Klägerin von der Beklagten am 22.8.2017 einen Betrag von rd. 169.000 €, der sich aus den für den Erwerb der Eigentumswohnung aufgewendeten Kosten von 141.300 € und aus Prozesszinsen i.H.v. rd. 27.500 € bis zum Auszahlungstag zusammensetzt. In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns Ersatz der auf das erste Darlehen gezahlten Zinsen und der Kosten der Zwischenfinanzierung unter Abzug von Mieteinnahmen.

Das LG gab der Klage i.H.v. rd. 36.000 € statt. Das OLG hielt die Verurteilung i.H.v. rd. 34.000 € aufrecht und wies die weitergehende Klage ab. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung eines rd. 8.500 € nebst Zinsen übersteigenden Betrages zurückgewiesen worden ist, und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die bis zum 5.5.2017 gezahlten Prozesszinsen sind entgegen der Ansicht des OLG auf die der Klägerin zugesprochenen Darlehenszinsen im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen.

Bei der im Ausgangspunkt nach der Differenzhypothese vorzunehmenden Schadensberechnung kommen die allgemeinen Grundsätze der Schadenszurechnung und der Vorteilsausgleichung zur Anwendung. Danach sind Vorteile zu berücksichtigen, die durch das schädigende Ereignis adäquat kausal verursacht wurden und deren Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht, d.h. den Geschädigten nicht unzumutbar belasten und den Schädiger nicht unbillig begünstigen. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden.

Daraus folgt nach der Rechtsprechung des BGH, dass dem Bereicherungsgläubiger neben dem Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB aus einem rechtsgrundlos überlassenen Geldbetrag nicht kumulativ ein Anspruch auf Prozesszinsen für den überlassenen Geldbetrag zusteht. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Prozesszinsen die Funktion haben, den Nachteil auszugleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen. Durch die Zuerkennung des Anspruchs auf Herausgabe gezogener Nutzungen ist dieser Nachteil ausgeglichen. Die zusätzliche Zubilligung von Prozesszinsen würde den Bereicherungsgläubiger ohne Grund besserstellen, als er bei rechtzeitiger Zahlung gestanden hätte. Aus diesem Grund können Prozess- und Verzugszinsen nicht nebeneinander geltend gemacht werden, und ein auf Verzug gestützter Zinsschaden gem. § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB ist nicht mit dem Anspruch auf Prozesszinsen kombinierbar, da der Vorenthaltungsschaden ansonsten doppelt entschädigt werden würde. Daher kommt für ein und denselben Zeitraum entweder nur der Anspruch auf Nutzungsersatz oder nur der Anspruch auf Prozesszinsen - je nachdem, welcher für den Gläubiger günstiger ist - zum Tragen.

Danach sind die der Klägerin bis zum 5.5.2017 gezahlten Prozesszinsen auf die ihr erstatteten Zinsen für das erste Darlehen anzurechnen. Die Rückabwicklung des Kaufvertrags der Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgt hier zwar nicht im Wege des Bereicherungsausgleichs, sondern im Wege des Schadensersatzes wegen fehlerhafter Beratung gem. § 280 Abs. 1 BGB. Für die schadensersatzrechtliche Rückabwicklung eines Kaufvertrags gelten aber keine anderen Grundsätze. Durch den auf Naturalrestitution gerichteten Schadenersatzanspruch soll der Zustand geschaffen werden, der (hypothetisch) der Vermögenslage ohne das schädigende Ereignis entspricht. Die Klägerin kann gem. § 249 Abs. 1 BGB verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sie von dem Vertragsschluss abgesehen. Nach dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot soll der Geschädigte aber nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde.

Unerheblich ist weiter, dass der Klägerin nicht Ersatz von Nutzungen des aufgebrachten Kaufpreises, sondern Ersatz der für das zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommene Darlehen gezahlten Zinsen zuerkannt worden ist. Sie hat den Kaufpreis nicht aus eigenen Mitteln bestritten, sondern vollständig mit dem aufgenommenen ersten Darlehen finanziert. Deshalb konnte sie weder die ihr als Ersatz für die Darlehensvaluta noch die als Ersatz für die Darlehenszinsen geleisteten Zahlungen der Beklagten frei verwenden. Sie musste sie vielmehr zur Erfüllung der Darlehensverpflichtungen einsetzen, was auch geschehen ist. Blieben die Prozesszinsen anrechnungsfrei, stünde die Klägerin so, als hätte sie eigene Mittel aufgewendet, die zu ihrer freien Verwendung gestanden hätten. Da das aber nicht der Fall war, sie vielmehr, wie ausgeführt, ausschließlich fremde Mittel eingesetzt hat, die ihr vollständig ersetzt worden sind, würde ihr mit den Prozesszinsen ein geldwerter Vorteil zugewandt, den sie ohne das schädigende Ereignis nicht hätte erlangen können. Sie stünde besser, als wenn die Beklagte ihre Beratungspflichten erfüllt hätte. Dieses Ergebnis ist mit dem Bereicherungsverbot nicht zu vereinbaren.
BGH online
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