Anspruch auf Entfernung von auf dem Nachbargrundstück stehenden Bäumen
OLG Karlsruhe v. 2.3.2023 - 12 U 165/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in Karlsruhe. Die Beklagten sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks. Im Abstand von 0,5 m bis 3 m zur Grundstücksgrenze des Klägers stehen auf dem Grundstück der Beklagten seit 1985 zwei heute über 10 m hohe Kiefern. Gemäß der Teilungserklärung aus dem Jahr 1981 ist der gesamte Grund und Boden der Beklagten gemeinschaftliches Eigentum. Den Beklagten ist danach das alleinige Sondernutzungsrecht an ihrer Grundstückshälfte zugewiesen; auf dieser Hälfte stehen die den Kläger störenden Bäume. Die Teilungserklärung weiter, dass "die nicht sondereigentumsfähigen ... Grundstücksflächen samt Bestandteilen im Bereich der Sondernutzungsrechte bezüglich der Unterhaltung, Instandhaltung und Pflege... so anzusehen [sind], als ob sie Sondereigentum wären."
Der Kläger forderte die Beklagten im März 2019 unter Fristsetzung bis zum 31.3.2019 zur Beseitigung der beiden Bäume auf. Er behauptete, die Bäume seien wegen Trockenheit stark angegriffen und nicht mehr standsicher. Aufgrund des Winddrucks bestehe die akute Gefahr, dass die Bäume auf sein Wohnhaus stürzten. Wegen der von den Bäumen ausgehenden Immissionen durch Nadeln, Zapfen und Pflanzenreste sei sein Grundstück einer außerordentlichen Belastung ausgesetzt. So verstopften u.a. die Dachrinnen regelmäßig. Die Kosten einer Reinigung durch eine gewerbliche Gartenbaufirma beliefen sich auf mind. 3.500,- EUR jährlich. Dabei würden 80 % des Arbeitsaufwandes durch die beiden Bäume generiert.
Das LG hat die Beklagten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu verurteilt, die beiden Kiefern zu entfernen. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Einen durchsetzbaren Anspruch auf Beseitigung der auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Kiefern hat der Kläger entgegen der Auffassung des LG weder aus § 16 Abs. 1 NRG (Nachbarrechtsgesetz) noch aus § 1004 Abs. 1 BGB oder dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis.
Ein Beseitigungsanspruch des Klägers aus § 16 Abs. 1 Nr. 4a, Nr. 5 NRG ist wegen Verjährung nicht durchsetzbar, § 214 Abs. 1 BGB. Gem. § 26 Abs. 1 S. 2 NRG verjährt der Beseitigungsanspruch aus § 16 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 5 NRG innerhalb von zehn Jahren. Nach Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Nachbarrechtsgesetzes vom 11.2.2013 ist § 26 NRG in der durch Art. 1 geänderten Fassung auf alle an dem Tag des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bestehenden, noch nicht verjährten Ansprüche anzuwenden. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 NRG in der Fassung vom 14.12.1959 verjährte der Anspruch auf Beseitigung von Pflanzungen in fünf Jahren. Verjährungsbeginn war der 1.7. nach der Pflanzung (§ 26 Abs. 1 S. 2 NRG a.F.). Da sich die beiden streitgegenständlichen Kiefern seit 1985 an Ort und Stelle befinden, begann die Verjährung nach § 26 NRG a.F. spätestens am 1.7.1984 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 1989.
Ob der Kläger aus § 1004 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Entfernung der Bäume hatte, konnte dahinstehen. Ein solcher wäre jedenfalls nicht mehr durchsetzbar. Entgegen der Auffassung des LG wäre ein solcher - unterstellter - Anspruch nach Ablauf der nachbarrechtlichen Verjährungsfrist aus § 26 Abs. 1 NRG nicht mehr durchsetzbar. Infolge der Verjährung des Beseitigungsanspruchs muss der Nachbar den rechtswidrigen Zustand hinnehmen. Die BGH-Entscheidung vom 11.6.2021 (V ZR 234/19) steht dem nicht entgegen. Ein Anspruch auf Entfernung des Baumes aus § 1004 Abs. 1 BGB war nicht Gegenstand jener Entscheidung. Ein solcher kommt auch nach der vom BGH vertretenen Auffassung lediglich dann in Betracht, wenn durch die störenden Bäume eine über die Einwirkungen durch Laub- und Nadelbefall hinausgehende Substanzverletzung des beeinträchtigten Grundstücks vorliegt.
Ein Anspruch auf Beseitigung der Bäume ergab sich schließlich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (§ 242 BGB). Dieses kann im Grundsatz zwar einen Anspruch auf Rückschnitt bzw. Kürzung eines Baumes auf eine beiden Interessen gerecht werdende Höhe begründen, nicht aber einen Anspruch auf vollständige Beseitigung: Ein solcher Anspruch kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Kläger ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt ist. Die generelle Erhöhung des Reinigungsaufwandes durch pflanzliche Immissionen begründet einen Beseitigungsanspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis grundsätzlich nicht.
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Kurzbeitrag:
Nachbarrecht
MDR 2022, R235
Aktionsmodul Zivilrecht
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in Karlsruhe. Die Beklagten sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks. Im Abstand von 0,5 m bis 3 m zur Grundstücksgrenze des Klägers stehen auf dem Grundstück der Beklagten seit 1985 zwei heute über 10 m hohe Kiefern. Gemäß der Teilungserklärung aus dem Jahr 1981 ist der gesamte Grund und Boden der Beklagten gemeinschaftliches Eigentum. Den Beklagten ist danach das alleinige Sondernutzungsrecht an ihrer Grundstückshälfte zugewiesen; auf dieser Hälfte stehen die den Kläger störenden Bäume. Die Teilungserklärung weiter, dass "die nicht sondereigentumsfähigen ... Grundstücksflächen samt Bestandteilen im Bereich der Sondernutzungsrechte bezüglich der Unterhaltung, Instandhaltung und Pflege... so anzusehen [sind], als ob sie Sondereigentum wären."
Der Kläger forderte die Beklagten im März 2019 unter Fristsetzung bis zum 31.3.2019 zur Beseitigung der beiden Bäume auf. Er behauptete, die Bäume seien wegen Trockenheit stark angegriffen und nicht mehr standsicher. Aufgrund des Winddrucks bestehe die akute Gefahr, dass die Bäume auf sein Wohnhaus stürzten. Wegen der von den Bäumen ausgehenden Immissionen durch Nadeln, Zapfen und Pflanzenreste sei sein Grundstück einer außerordentlichen Belastung ausgesetzt. So verstopften u.a. die Dachrinnen regelmäßig. Die Kosten einer Reinigung durch eine gewerbliche Gartenbaufirma beliefen sich auf mind. 3.500,- EUR jährlich. Dabei würden 80 % des Arbeitsaufwandes durch die beiden Bäume generiert.
Das LG hat die Beklagten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu verurteilt, die beiden Kiefern zu entfernen. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Einen durchsetzbaren Anspruch auf Beseitigung der auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Kiefern hat der Kläger entgegen der Auffassung des LG weder aus § 16 Abs. 1 NRG (Nachbarrechtsgesetz) noch aus § 1004 Abs. 1 BGB oder dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis.
Ein Beseitigungsanspruch des Klägers aus § 16 Abs. 1 Nr. 4a, Nr. 5 NRG ist wegen Verjährung nicht durchsetzbar, § 214 Abs. 1 BGB. Gem. § 26 Abs. 1 S. 2 NRG verjährt der Beseitigungsanspruch aus § 16 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 5 NRG innerhalb von zehn Jahren. Nach Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Nachbarrechtsgesetzes vom 11.2.2013 ist § 26 NRG in der durch Art. 1 geänderten Fassung auf alle an dem Tag des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bestehenden, noch nicht verjährten Ansprüche anzuwenden. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 NRG in der Fassung vom 14.12.1959 verjährte der Anspruch auf Beseitigung von Pflanzungen in fünf Jahren. Verjährungsbeginn war der 1.7. nach der Pflanzung (§ 26 Abs. 1 S. 2 NRG a.F.). Da sich die beiden streitgegenständlichen Kiefern seit 1985 an Ort und Stelle befinden, begann die Verjährung nach § 26 NRG a.F. spätestens am 1.7.1984 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 1989.
Ob der Kläger aus § 1004 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Entfernung der Bäume hatte, konnte dahinstehen. Ein solcher wäre jedenfalls nicht mehr durchsetzbar. Entgegen der Auffassung des LG wäre ein solcher - unterstellter - Anspruch nach Ablauf der nachbarrechtlichen Verjährungsfrist aus § 26 Abs. 1 NRG nicht mehr durchsetzbar. Infolge der Verjährung des Beseitigungsanspruchs muss der Nachbar den rechtswidrigen Zustand hinnehmen. Die BGH-Entscheidung vom 11.6.2021 (V ZR 234/19) steht dem nicht entgegen. Ein Anspruch auf Entfernung des Baumes aus § 1004 Abs. 1 BGB war nicht Gegenstand jener Entscheidung. Ein solcher kommt auch nach der vom BGH vertretenen Auffassung lediglich dann in Betracht, wenn durch die störenden Bäume eine über die Einwirkungen durch Laub- und Nadelbefall hinausgehende Substanzverletzung des beeinträchtigten Grundstücks vorliegt.
Ein Anspruch auf Beseitigung der Bäume ergab sich schließlich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (§ 242 BGB). Dieses kann im Grundsatz zwar einen Anspruch auf Rückschnitt bzw. Kürzung eines Baumes auf eine beiden Interessen gerecht werdende Höhe begründen, nicht aber einen Anspruch auf vollständige Beseitigung: Ein solcher Anspruch kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Kläger ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt ist. Die generelle Erhöhung des Reinigungsaufwandes durch pflanzliche Immissionen begründet einen Beseitigungsanspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis grundsätzlich nicht.
Kurzbeitrag:
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