25.05.2018

Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eines biologischen (aber nicht rechtlichen) Vaters eines deutschen Kindes

Der biologische (leibliche Vater), der aufgrund einer wirksamen, von einem anderen Mann abgegebenen Vaterschaftsanerkennung nicht zugleich rechtlicher Vater einer minderjährigen deutschen Staatsangehörigen ist, ist nicht Elternteil des Kindes i.S.v. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufentG, sondern sonstiger Familienangehöriger, auf den die Regelung des § 36 Abs. 2 AufenthG Anwendung findet. Besteht zwischen dem biologischen Vater und seinem Kind eine tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, so gehört der Vater zu der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familie des Kindes.

Hamburgisches OVG 20.3.2018, 1 Bs 25/18
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist ghanaischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben zuletzt im Februar 2016 nach Deutschland ein. Ausweislich eines Abstammungsgutachtens vom 12.5.2016 ist er biologischer Vater der 2006 geborenen Tochter, die - in Ableitung von der deutschen Staatsangehörigkeit des rechtlichen Vaters - die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die Mutter war ursprünglich ghanaische Staatsangehörige. Sie reiste am 2006 hochschwanger nach Deutschland ein. Aufgrund der Vaterschaftserkennung vom 28.3.2006 ist der deutsche Staatsangehörige, rechtlicher Vater geworden. Nach Aktenlage lebte der rechtliche Vater nie in einem Haushalt mit der Mutter und dem Kind und hat allenfalls gelegentlich Kontakt zu beiden. Die Mutter erhielt im März 2014 eine Niederlassungserlaubnis und ist seit dem 10.7.2015 deutsche Staatsangehörige.

Im Juni 2016 beantragte der Antragsteller unter Hinweis auf seine biologische Vaterschaft und das Familienleben mit seiner Tochter die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Im Januar 2017 erkannte er die Vaterschaft - bis zur Aufhebung der Vaterschaftsanerkennung schwebend unwirksam - an und vereinbarte die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge. Laut Meldebescheinigung ist der Antragsteller seit dem 19.4.2016 in der Wohnung der Mutter gemeldet.

Seit Februar 2017 wird der Antragsteller geduldet. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Oktober 2017 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie zurück. Den bereits zuvor gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wies das Verwaltungsgericht zurück, da dem Antragsteller kein Anspruch auf Gewährung eines Aufenthaltstitels zustehe. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte vor dem OVG Erfolg.

Die Gründe:
Der Antragsteller hat trotz der biologischen Vaterschaft in Bezug auf seine Tochter nicht die rechtliche Stellung eines Vaters. Diese hat vorliegend aufgrund der wirksamen Vaterschaftsanerkennung allein Herr S. Der rechtliche Vater ist Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und verliert dieses Recht nicht allein dadurch, dass sich ein anderer Mann als leiblicher Vater herausstellt.

Sofern zwischen dem biologischen Vater und seinem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht, gehört der biologische Vater zur Familie des Kindes. Aus dem nachwirkenden grundrechtlichen Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt ein Recht des biologischen Vaters auf Umgang mit seinem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient. Es ist daher bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit dem Kind berühren, auch maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich eine persönliche Bindung besteht, auf deren Aufrechterhaltung des Kind zu seinem Wohl angewiesen ist.

Der Antragsteller ist als leiblicher Vater, der nicht rechtlicher Vater ist, durch die seit zwei Jahren gelebte sozial-familiäre Beziehung zu seiner Tochter Teil von deren Familie i.S.d. Art. 6 Abs. 1 GG. Er ist damit sonstiger Familienangehöriger einer Deutschen, dem gem. §§ 28 Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 2, 27 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Wege des Familiennachzugs erteilt werden kann, wenn es zu Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Ob eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 Abs. 2 AufenthG vorliegt, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Dies würde voraussetzen, dass der schutzbedürftige Angehörige kein eigenständiges Leben führen kann, sondern auf die familiäre Hilfe dringend angewiesen ist und dass diese Hilfe nur in Deutschland erbracht werden kann. Ob die Tochter zur ihrem Wohl auf die Anwesenheit des Antragstellers angewiesen ist, ist zu klären. Des Weiteren ist zu klären, ob die Herstellung der Familieneinheit auch außerhalb Deutschlands zumutbar wäre.

Im Streitfall kommt es nach diesen Ausführungen jedoch in Betracht, dass eine Abschiebung des Antragstellers nicht mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar wäre. Dies ist im Hauptsacheverfahren zu klären. Daher ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten, da ohne diese die Gefahr bestünde, dass die schutzwürdige Beziehung zwischen Vater und Kind nicht nur für eine kurze Zeit getrennt würde.

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