Anspruch auf Unterrichtung über vermögensrechtliche Belange endet mit Scheitern der Ehe
BGH v. 24.11.2021 - XII ZB 253/20Die Beteiligten sind getrenntlebende Ehegatten und streiten um die vorzeitige Beendigung ihrer Zugewinngemeinschaft. Die als Hebamme ausgebildete Antragstellerin (Ehefrau) und der als freiberuflicher Notar tätige Antragsgegner (Ehemann) haben im Dezember 2009 die Ehe geschlossen, aus der zwei minderjährige Kinder hervorgegangen sind. Im Mai 2018 erfolgte eine räumliche Trennung der Beteiligten innerhalb der Ehewohnung. Nach einer Auseinandersetzung im Dezember 2018 verließ der Ehemann die Ehewohnung.
Erstmals durch Schreiben vom 18.12.2018 verlangte die Ehefrau von dem Ehemann eine Unterrichtung über seinen Vermögensstand. Nach mehreren weiteren Aufforderungsschreiben machte der Ehemann am 27.3.2019 kursorische Angaben zu seinem Immobilienvermögen einschließlich der bestehenden Finanzierungsverbindlichkeiten, zu seinem Notariat sowie zu seinen Girokonten, Wertpapierdepots und Fondsbeteiligungen. Nachdem die Ehefrau diese Unterrichtung als unzureichend beanstandet hatte, ergänzte der Ehemann am 3.5.2019 seine Angaben hinsichtlich Kraftfahrzeugen und Fondsbeteiligungen. Das auf Antrag des Ehemanns eingeleitete Scheidungsverfahren ist seit dem 27.5.2019 rechtshängig.
Im vorliegenden Verfahren beantragte die Ehefrau mit einem am 30.4.2019 bei Gericht eingegangen und am 6.6.2019 zugestellten Schriftsatz die vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft. Der Ehemann habe trotz mehrfacher vergeblicher Aufforderung nur eine äußerst vage Darstellung seiner wirtschaftlichen Situation vorgenommen; dies reiche für eine Unterrichtung über den Vermögensstand nicht aus. Der Ehemann ist dem Antrag entgegengetreten.
Das AG gab dem Antrag der Ehefrau statt und hob die Zugewinngemeinschaft vorzeitig auf. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Ehemanns hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde des Ehemanns hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Nach §§ 1386, 1385 Nr. 4 BGB kann jeder Ehegatte die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen, wenn der andere Ehegatte sich ohne ausreichenden Grund beharrlich weigert oder sich ohne ausreichenden Grund bis zur Erhebung der Klage auf Auskunft beharrlich geweigert hat, ihn über den Bestand seines Vermögens zu unterrichten. Da der Tatbestand des § 1385 Nr. 4 BGB nur an die beharrliche Verweigerung der Unterrichtung über den Vermögensbestand anknüpft, bedarf es eines darüberhinausgehenden Rechtsschutzbedürfnisses für den Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft nicht.
Wie der Senat bereits entschieden hat, knüpft § 1385 Nr. 4 BGB nicht an die in § 1379 Abs. 2 BGB geregelte Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften über das Trennungsvermögen an, sondern sein Anwendungsbereich erfasst allein die aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB abgeleitete allgemeine Verpflichtung der Ehegatten, sich während der bestehenden Ehe gegenseitig wenigstens in groben Zügen über den Bestand ihres Vermögens, das laufende Einkommen und geplante größere Vermögenstransaktionen zu informieren. Dabei beruht § 1385 Nr. 4 BGB auf der typisierenden Vorstellung, dass der Ehegatte, der Informationen über vermögensrechtliche Belange grundlos und beharrlich verweigert, sich möglicherweise seiner Verpflichtung entziehen will, den anderen Ehegatten am ehezeitlichen Vermögenserwerb zu beteiligen. Für diesen Fall soll die Vorschrift dem unterrichtungsberechtigten Ehegatten, der an dem Fortbestand seiner Ehe noch festhalten möchte, die Möglichkeit gewähren, die Gütertrennung herbeizuführen, ohne dafür einen Scheidungsantrag stellen zu müssen.
Der aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB hergeleitete Anspruch auf Unterrichtung über vermögensrechtliche Belange, dessen beharrliche und grundlose Nichterfüllung mit der vorzeitigen Beendigung der Zugewinngemeinschaft nach §§ 1385 Nr. 4, 1386 BGB sanktioniert werden kann, endet entsprechend § 1353 Abs. 2 BGB mit dem Scheitern der Ehe. Ob die Ehe i.S.d. §§ 1353 Abs. 2, 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB gescheitert ist, muss, wenn nicht die gesetzlichen Zerrüttungsvermutungen des § 1566 BGB eingreifen, als tatrichterliche Prognose unter Würdigung aller Umstände entschieden werden. Leben die Ehegatten getrennt, rechtfertigt der Nichtablauf des Trennungsjahres für sich genommen noch nicht den Schluss, dass die Ehe noch nicht endgültig gescheitert sei und der Unterrichtungsanspruch weiterhin geltend gemacht werden könne.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass anders als die Rechtsbeschwerde meint der Ehemann als Schuldner des Unterrichtungsanspruchs für die Umstände, aus denen auf das Scheitern der Ehe geschlossen werden soll, darlegungs- und beweispflichtig ist. Dies hat das OLG zutreffend erkannt, und dem entspricht die Beweislastverteilung im Rahmen des Herstellungsanspruchs nach § 1353 Abs. 2 BGB. Auch dort trägt der scheidungswillige Ehegatte, der dem Begehren des anderen Ehegatten auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Berufung auf das angebliche Scheitern der Ehe entgegentreten will, die Beweislast für die das Scheitern begründenden Tatsachen.
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