Ansprüche des Mieters aus der sog. Mietpreisbremse: Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters
BGH v. 18.5.2022 - VIII ZR 423/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine GmbH, die über eine Registrierung gemäß § 10 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, macht aus abgetretenem Recht des Mieters einer Wohnung des beklagten Vermieters Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB i.V.m. der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung) geltend.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, denn die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche des Mieters an die Klägerin sei gemäß § 134 BGB, § 2 Abs. 1, §§ 3, 5, 10 RDG nichtig. Die Beauftragung der Klägerin durch den Mieter sei nicht nur auf eine gestattete Einziehung von Forderungen gerichtet, sondern auch auf eine (nicht gestattete) Forderungsabwehr. Denn die Klägerin sei nicht nur mit der Rückforderung zu viel gezahlter Miete beauftragt worden, sondern auch mit der Durchsetzung eines zukünftig zu zahlenden geringeren Mietzinses.
Die Klägerin gehe nicht nur über den Zulässigkeitsrahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes hinaus, sondern ziele auch auf eine unzulässige Umgehung des anwaltlichen Berufs- und Vergütungsrechts ab. Ein Inkassodienstleister überschreite die ihm gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG erteilte Inkassoerlaubnis dann, wenn seine Tätigkeit nicht auf eine Forderungseinziehung gerichtet sei, sondern die Abwehr von Ansprüchen zum Gegenstand habe. Der Mieter des Beklagten habe der Klägerin einen Auftrag erteilt, der nicht auf die Einziehung, sondern auf die Abwehr von Forderungen gerichtet sei. Er habe die Klägerin mit dem Button "Mietsenkung beauftragen" unmissverständlich mit der Absenkung der Miete beauftragt.
Die Revision der Klägerin vor dem BGH hatte Erfolg. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin sei ggü. dem Beklagten für die geltend gemachten Ansprüche nicht aktiv legitimiert, weil die Abtretung der hier streitgegenständlichen Ansprüche an die Klägerin wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 RDG) nach § 134 BGB nichtig sei.
Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung sind die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. den Bestimmungen des § 3 RDG sowie der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht gegeben. Denn die von der Klägerin, die als Inkassodienstleisterin bei der zuständigen Behörde registriert ist, für den Mieter erbrachten Tätigkeiten sind durch die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF erteilte Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich der Inkassodienstleistungen (noch) gedeckt.
Anders als das Berufungsgericht meint, kann eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht damit begründet werden, die Rückforderung einer von dem Mieter an den Vermieter unter Vorbehalt gezahlten überhöhten Miete könne nicht mehr als eigenständige Inkassodienstleistung i.S.d. RDG beurteilt werden, wenn der Auftrag des Mieters an die für ihn handelnde Klägerin darüber hinausgehend laute, für ihn die "Mietpreisbremse" bei dem Vermieter durchzusetzen und die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen. Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht darauf ab, unter den gegebenen Umständen falle die Rückforderung der überhöhten Miete wirtschaftlich nur unerheblich ins Gewicht, so dass die Tätigkeit der Klägerin im Wesentlichen auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sei.
Diese Argumentation ist rechtsfehlerhaft und verschließt sich der Rechtsprechung des Senats, der in seinem grundlegenden Urteil vom 27.11.2019 (VIII ZR 285/18) entschieden hat, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF (auch) nicht aus dem Umstand folgt, dass die Klägerin in ihrem Rügeschreiben den Vermieter zusätzlich dazu aufgefordert hat, künftig von dem Mieter nicht mehr die von der Klägerin als überhöht gerügte Miete zu verlangen, sondern diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen.
Die Aufforderung, die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen, ist nicht als eine - einem registrierten Inkassodienstleister nicht gestattete - Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen. Denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen des Vermieters, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von der Klägerin zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu dient, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche des Mieters entbehrlich zu machen.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Erlaubte Anspruchsdurchsetzung durch Inkassodienstleister bei Aufforderung des Vermieters zur Herabsetzung der künftigen Miete auf nach Mietpreisbremse zulässigen Betrag,
BGH vom 19.1.2022 - VIII ZR 123/21, ZIP 2022, 378
Rechtsprechung:
BGH: Rechtsberatung in Form von Legal Tech - wenigermiete.de
BGH vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18, CR 2020, 107
Aufsatz:
Das "AirDeal"-Urteil des BGH zum Sammelklage-Inkasso - und alle Fragen offen?
Wolf H. von Bernuth, ZIP 2022, 612
Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht:
Die perfekte Basisausstattung zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht finden Praktiker im Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht. Jetzt neu: Mit den Inhalten der Neuauflage Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020. 4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Die Klägerin, eine GmbH, die über eine Registrierung gemäß § 10 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, macht aus abgetretenem Recht des Mieters einer Wohnung des beklagten Vermieters Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB i.V.m. der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung) geltend.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, denn die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche des Mieters an die Klägerin sei gemäß § 134 BGB, § 2 Abs. 1, §§ 3, 5, 10 RDG nichtig. Die Beauftragung der Klägerin durch den Mieter sei nicht nur auf eine gestattete Einziehung von Forderungen gerichtet, sondern auch auf eine (nicht gestattete) Forderungsabwehr. Denn die Klägerin sei nicht nur mit der Rückforderung zu viel gezahlter Miete beauftragt worden, sondern auch mit der Durchsetzung eines zukünftig zu zahlenden geringeren Mietzinses.
Die Klägerin gehe nicht nur über den Zulässigkeitsrahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes hinaus, sondern ziele auch auf eine unzulässige Umgehung des anwaltlichen Berufs- und Vergütungsrechts ab. Ein Inkassodienstleister überschreite die ihm gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG erteilte Inkassoerlaubnis dann, wenn seine Tätigkeit nicht auf eine Forderungseinziehung gerichtet sei, sondern die Abwehr von Ansprüchen zum Gegenstand habe. Der Mieter des Beklagten habe der Klägerin einen Auftrag erteilt, der nicht auf die Einziehung, sondern auf die Abwehr von Forderungen gerichtet sei. Er habe die Klägerin mit dem Button "Mietsenkung beauftragen" unmissverständlich mit der Absenkung der Miete beauftragt.
Die Revision der Klägerin vor dem BGH hatte Erfolg. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin sei ggü. dem Beklagten für die geltend gemachten Ansprüche nicht aktiv legitimiert, weil die Abtretung der hier streitgegenständlichen Ansprüche an die Klägerin wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 RDG) nach § 134 BGB nichtig sei.
Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung sind die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. den Bestimmungen des § 3 RDG sowie der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht gegeben. Denn die von der Klägerin, die als Inkassodienstleisterin bei der zuständigen Behörde registriert ist, für den Mieter erbrachten Tätigkeiten sind durch die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF erteilte Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich der Inkassodienstleistungen (noch) gedeckt.
Anders als das Berufungsgericht meint, kann eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht damit begründet werden, die Rückforderung einer von dem Mieter an den Vermieter unter Vorbehalt gezahlten überhöhten Miete könne nicht mehr als eigenständige Inkassodienstleistung i.S.d. RDG beurteilt werden, wenn der Auftrag des Mieters an die für ihn handelnde Klägerin darüber hinausgehend laute, für ihn die "Mietpreisbremse" bei dem Vermieter durchzusetzen und die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen. Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht darauf ab, unter den gegebenen Umständen falle die Rückforderung der überhöhten Miete wirtschaftlich nur unerheblich ins Gewicht, so dass die Tätigkeit der Klägerin im Wesentlichen auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sei.
Diese Argumentation ist rechtsfehlerhaft und verschließt sich der Rechtsprechung des Senats, der in seinem grundlegenden Urteil vom 27.11.2019 (VIII ZR 285/18) entschieden hat, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF (auch) nicht aus dem Umstand folgt, dass die Klägerin in ihrem Rügeschreiben den Vermieter zusätzlich dazu aufgefordert hat, künftig von dem Mieter nicht mehr die von der Klägerin als überhöht gerügte Miete zu verlangen, sondern diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen.
Die Aufforderung, die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen, ist nicht als eine - einem registrierten Inkassodienstleister nicht gestattete - Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen. Denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen des Vermieters, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von der Klägerin zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu dient, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche des Mieters entbehrlich zu machen.
Rechtsprechung:
Erlaubte Anspruchsdurchsetzung durch Inkassodienstleister bei Aufforderung des Vermieters zur Herabsetzung der künftigen Miete auf nach Mietpreisbremse zulässigen Betrag,
BGH vom 19.1.2022 - VIII ZR 123/21, ZIP 2022, 378
Rechtsprechung:
BGH: Rechtsberatung in Form von Legal Tech - wenigermiete.de
BGH vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18, CR 2020, 107
Aufsatz:
Das "AirDeal"-Urteil des BGH zum Sammelklage-Inkasso - und alle Fragen offen?
Wolf H. von Bernuth, ZIP 2022, 612
Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht:
Die perfekte Basisausstattung zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht finden Praktiker im Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht. Jetzt neu: Mit den Inhalten der Neuauflage Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020. 4 Wochen gratis nutzen!