07.02.2024

Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist: "Nicht in der Lage" kein erheblicher Grund i.S.d. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO

An die Darlegung eines erheblichen Grundes i.S.d. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insoweit reicht der bloße Hinweis auf einen als erheblich anerkannten Grund aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf. Wird der Antrag auf Fristverlängerung nicht in diesem Sinne begründet, muss der Rechtsmittelführer hingegen damit rechnen, dass der Vorsitzende in einem solchen Antrag eine Verzögerung des Rechtsstreits sehen und das Gesuch deshalb ablehnen werde.

BGH v. 9.1.2024 - VIII ZB 31/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Neuwagen. Seine auf die Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage wurde in erster Instanz durch ein Versäumnisurteil abgewiesen. Hiergegen legte der Kläger nicht rechtzeitig Einspruch ein. Das LG wies den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zurück und verwarf dessen Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig. Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Berufung ein und beantragte mit Schriftsatz vom 12.1.2023, die am 16.1.2023 (Montag) ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern, da er "nicht in der Lage" sei, die Berufung fristgerecht zu begründen. Diesen Antrag lehnte das OLG mit Verfügung vom 13.1.2023 ab und wies den Kläger anschließend - nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist - darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Berufung mangels (fristgerechten) Eingangs einer Berufungsbegründung als unzulässig zu verwerfen. Daraufhin beantragte der Kläger, gestützt auf ein seiner Ansicht nach berechtigtes Vertrauen in die Gewährung der beantragten Fristverlängerung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und reichte die Berufungsbegründung ein.

Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurück und verwarf die Berufung gegen das Urteil des LG als unzulässig. Die Berufung des Klägers sei mangels fristgerechter Einreichung einer Begründung unzulässig. Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag habe in der Sache keinen Erfolg, da der Kläger die Frist zur Begründung der Berufung nicht ohne - ihm zurechenbares (§ 85 Abs. 2 ZPO) - Verschulden seines Prozessbevollmächtigten versäumt habe. In einem Wiedereinsetzungsverfahren könne sich der Berufungsführer nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Gewährung der von ihm nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO beantragten Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit habe erwartet werden können. Dies sei bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe i.S.d. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt werde. Hier hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seiner Ausführung, wonach er "nicht in der Lage" gewesen sei, die Berufung fristgerecht zu begründen, einen solchen Grund nicht dargelegt. Es werde lediglich mitgeteilt, dass die Frist nicht eingehalten werden könne, ohne hierfür überhaupt einen sachlichen Grund anzugeben.

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Versagung einer Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist und die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzen den Kläger vorliegend nicht in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), da die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem dem Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht. Denn dieser durfte mangels Darlegung eines erheblichen Grundes i.S.v. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht auf die Gewährung der von ihm beantragten Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung vertrauen.

Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar muss ein Berufungskläger grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Ohne Verschulden i.S.v. § 233 ZPO handelt der Rechtsanwalt daher nur dann, wenn (und soweit) er auf die Fristverlängerung vertrauen durfte, das heißt, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

Dies ist nach gefestigter BGH-Rechtsprechung jedoch bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe i.S.d. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird. An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insoweit reicht der bloße Hinweis auf einen als erheblich anerkannten Grund aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf. Wird der Antrag auf Fristverlängerung nicht in diesem Sinne begründet, muss der Rechtsmittelführer hingegen damit rechnen, dass der Vorsitzende in einem solchen Antrag eine Verzögerung des Rechtsstreits sehen und das Gesuch deshalb ablehnen werde.

So liegt der Fall hier. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in seinem Antrag einen erheblichen Grund für die Gewährung der von ihm begehrten Fristverlängerung nicht genannt. Er hat lediglich darauf verwiesen, dass er "nicht in der Lage" sei, die Berufung fristgerecht zu begründen, was das OLG zu Recht als bloße Mitteilung der Nichteinhaltung der Frist angesehen hat. Ein Grund, warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers hierzu "nicht in der Lage" gewesen sei, wird nicht genannt. Somit genügt der Fristverlängerungsantrag selbst den geringen Anforderungen nicht, welche die BGH-Rechtsprechung an die Darlegung eines erheblichen Grundes i.S.v. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO stellt. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers kann i.Ü. auch nicht dahingehend ausgelegt werden, er habe sich konkludent darauf berufen, aufgrund einer Arbeitsüberlastung "nicht in der Lage" gewesen zu sein, die Berufung fristgerecht zu begründen.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO
§ 520 Berufungsbegründung
Heßler in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023

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