Anwaltliche Sorgfaltspflichten: Pauschale Anweisung zum Umgang mit dem beA reicht nicht aus
BGH v. 11.1.2023 - IV ZB 23/21
Der Sachverhalt:
Nach einem Hinweis des OLG auf die fehlende Berufungsbegründung hat der Kläger mit am 14.7.2021 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Kläger vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe einen Schriftsatz mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 3.8.2021 gefertigt und diesen Schriftsatz am 1.7.2021 qualifiziert elektronisch signiert. Im Anschluss habe er seine Angestellte angewiesen, den Schriftsatz über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) sofort an das OLG zu übermitteln. Die Angestellte habe daraufhin die Versendung des Schriftsatzes über das beA veranlasst. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass der Schriftsatz nicht übermittelt worden sei. In der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers gebe es eine Arbeitsanweisung, die Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu prüfen.
Das OLG hat die Berufung des Klägers unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Nach den zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragenen Umständen war nicht ausgeschlossen, dass die Fristversäumnis auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers beruhte.
Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb laufender Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Unerlässlich ist die Überprüfung des Versandvorgangs. Dies erfordert die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt worden ist. Es fällt in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, das in seiner Kanzlei für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren.
Dass eine solche Kontrolle Bestandteil der organisatorischen Abläufe in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten ist, hatte der Kläger nicht dargelegt. Es genügte insofern nicht, dass zur Organisation der Kanzlei der klägerischen Prozessbevollmächtigten die Weisung an die den Postversand tätigenden Büromitarbeiter gehört, zu prüfen, ob das elektronische Empfangsbekenntnis bzw. die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO vorliegt. Einer solcherart gefassten Anordnung fehlen hinreichende Anweisungen dazu, wie der zuständige Mitarbeiter die Kontrolle im Einzelfall vorzunehmen hat. Der Rechtsanwalt muss dem Mitarbeiter vorgeben, an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu finden ist und welchen Inhalt sie haben muss. Die pauschale Anweisung, das Vorliegen der Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren, lässt den Mitarbeiter dagegen schon darüber im Unklaren, welches im Zusammenhang mit der Übermittlung von Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr erstellte Dokument eine elektronische Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO ist.
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Aufsatz:
Ein Jahr beA-Pflicht
Klaus Bacher, MDR 2022, 1441
Kommentierung | ZPO
§ 130d Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022
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Nach einem Hinweis des OLG auf die fehlende Berufungsbegründung hat der Kläger mit am 14.7.2021 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Kläger vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe einen Schriftsatz mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 3.8.2021 gefertigt und diesen Schriftsatz am 1.7.2021 qualifiziert elektronisch signiert. Im Anschluss habe er seine Angestellte angewiesen, den Schriftsatz über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) sofort an das OLG zu übermitteln. Die Angestellte habe daraufhin die Versendung des Schriftsatzes über das beA veranlasst. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass der Schriftsatz nicht übermittelt worden sei. In der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers gebe es eine Arbeitsanweisung, die Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu prüfen.
Das OLG hat die Berufung des Klägers unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde blieb vor dem BGH erfolglos.
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Dass eine solche Kontrolle Bestandteil der organisatorischen Abläufe in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten ist, hatte der Kläger nicht dargelegt. Es genügte insofern nicht, dass zur Organisation der Kanzlei der klägerischen Prozessbevollmächtigten die Weisung an die den Postversand tätigenden Büromitarbeiter gehört, zu prüfen, ob das elektronische Empfangsbekenntnis bzw. die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO vorliegt. Einer solcherart gefassten Anordnung fehlen hinreichende Anweisungen dazu, wie der zuständige Mitarbeiter die Kontrolle im Einzelfall vorzunehmen hat. Der Rechtsanwalt muss dem Mitarbeiter vorgeben, an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu finden ist und welchen Inhalt sie haben muss. Die pauschale Anweisung, das Vorliegen der Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren, lässt den Mitarbeiter dagegen schon darüber im Unklaren, welches im Zusammenhang mit der Übermittlung von Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr erstellte Dokument eine elektronische Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO ist.
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