Aufgabe der Selbstständigkeit kann für Unterhaltsschuldner zumutbar sein
OLG Hamm v. 4.7.2024 - 4 UF 35/24
Der Sachverhalt:
Aus der im Dezember 2012 geschlossenen Ehe der Beteiligten gingen zwei gemeinsame Söhne hervor, die noch minderjährig sind. Die Beteiligten trennten sich im August 2021. Die Antragstellerin zog mit den beiden Kindern in eine angemietete Wohnung. Der Antragsgegner blieb in der in seinem Eigentum stehenden ehelichen Immobilie wohnen. Teile davon vermietet er und erzielte seit Dezember 2021 hieraus Mieteinnahmen i.H.v. zunächst 1.135 €. Seit Januar 2023 sind es 1.235 €. Er beteiligt sich an der Betreuung der bei der Antragstellerin lebenden Kinder in der Weise, dass beide Söhne an jedem zweiten Wochenende sowie immer von Montag auf Dienstag bei ihm sind. Der Antragsgegner war während der Ehe - von kurzen Elternzeiten abgesehen - durchgängig in Vollzeit abhängig beschäftigt. Ab Juli 2021 reduzierte er die Arbeitszeit auf 80 %. Seit Mai 2023 arbeitet er zu einem Anteil von 90 %.
Die Antragstellerin erhält seit 2007 eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 1.112 €. Seit Abschluss einer weiteren Ausbildung im Jahr 2017 arbeitete sie zunächst stundenweise in ihrer Ausbildungspraxis und erzielte so Einkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit. Ihre durchschnittliche Arbeitszeit betrug Ende 2021 rund 12 Stunden pro Woche, von Januar bis Oktober 2022 dann etwa 18 Stunden pro Woche und schließlich ab Oktober 2022 rund 22 Stunden pro Woche.
Der Antragsgegner hat anerkannt, für die beiden Kinder Unterhalt in Höhe des gesetzlichen Mindestunterhaltes zu schulden. Weitergehenden Unterhalt schulde er aber nicht. Die Antragstellerin sei gehalten, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Daneben haben die Beteiligten über verschiedene Abzugspositionen gestritten, u.a. über die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen, die der Antragsgegner zur Herstellung der Vermietbarkeit eines Teils seiner Immobilie getätigt hatte.
Das AG hat den Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Daneben hat es der Antragstellerin rückständigen Trennungsunterhalt zugesprochen, und zwar für die Zeit von Juni bis August 2022 i.H.v. 480 €, für die Zeit von Januar 2023 bis Juli 2023 i.H.v. weiteren 3.724 € sowie für die Zeit von August 2023 bis Januar 2024 i.H.. weiterer 3.114 €. Für die Zeit ab Februar 2024 hat es den Antragsgegner zur Zahlung laufenden Trennungsunterhalt i.H.v. monatlich 804 € verpflichtet. Den weitergehenden Antrag hat es zurückgewiesen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.
Die Gründe:
Zu Recht hat das AG den Antragsgegner für die Zeiträume Juni bis August 2022 sowie ab Januar 2023 zur Zahlung von Trennungsunterhalt gem. § 1361 Abs. 1 BGB verpflichtet.
Die Zumutbarkeitsabwägung hat hier dazu geführt, dass der Senat davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin auch über das Trennungsjahr hinaus ihrer Erwerbsobliegenheit durch ihre Tätigkeit mit durchschnittlich 22 Wochenstunden genügte. Der Antragstellerin ist weder eine Ausweitung ihrer selbstständigen Tätigkeit noch der Wechsel in eine angestellte Tätigkeit zumutbar. Zwar kann dem Unterhaltsschuldner die Aufgabe einer selbstständigen Existenz zugunsten einer besser bezahlten abhängigen Beschäftigung zumutbar sein. Etwas Anderes kann aber gelten, wenn gerade - wie hier - die Selbstständigkeit eine auf die Bedürfnisse der Kinder erforderliche Flexibilität bei den Arbeitszeiten bietet, die eine abhängige Beschäftigung nicht gewährleistet.
Hinsichtlich des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Antragsgegners gilt: Welche Kosten nach der Trennung für eine Krankenversicherung angemessen sind, richtet sich insbesondere auch danach, wie die Kinder zu Zeiten der intakten Ehe versichert waren. Der Erzielung eines höheren unterhaltsrelevanten Einkommens aus Mieteinnahmen können die Aufwendungen zur Verbesserung des Zustandes vermieteten Immobilieneigentums allerdings entgegengehalten werden. Der Unterhaltsbedarf gemeinsamer Kinder leitet sich aus dem gemeinschaftlichen Einkommen beider Eltern ab. Nach BGH-Rechtsprechung ist zu Gunsten des Unterhaltsberechtigten ein ungedeckter Naturalunterhalt der Kinder als Abzugsposition anzuerkennen.
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Justiz NRW
Aus der im Dezember 2012 geschlossenen Ehe der Beteiligten gingen zwei gemeinsame Söhne hervor, die noch minderjährig sind. Die Beteiligten trennten sich im August 2021. Die Antragstellerin zog mit den beiden Kindern in eine angemietete Wohnung. Der Antragsgegner blieb in der in seinem Eigentum stehenden ehelichen Immobilie wohnen. Teile davon vermietet er und erzielte seit Dezember 2021 hieraus Mieteinnahmen i.H.v. zunächst 1.135 €. Seit Januar 2023 sind es 1.235 €. Er beteiligt sich an der Betreuung der bei der Antragstellerin lebenden Kinder in der Weise, dass beide Söhne an jedem zweiten Wochenende sowie immer von Montag auf Dienstag bei ihm sind. Der Antragsgegner war während der Ehe - von kurzen Elternzeiten abgesehen - durchgängig in Vollzeit abhängig beschäftigt. Ab Juli 2021 reduzierte er die Arbeitszeit auf 80 %. Seit Mai 2023 arbeitet er zu einem Anteil von 90 %.
Die Antragstellerin erhält seit 2007 eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 1.112 €. Seit Abschluss einer weiteren Ausbildung im Jahr 2017 arbeitete sie zunächst stundenweise in ihrer Ausbildungspraxis und erzielte so Einkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit. Ihre durchschnittliche Arbeitszeit betrug Ende 2021 rund 12 Stunden pro Woche, von Januar bis Oktober 2022 dann etwa 18 Stunden pro Woche und schließlich ab Oktober 2022 rund 22 Stunden pro Woche.
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Zu Recht hat das AG den Antragsgegner für die Zeiträume Juni bis August 2022 sowie ab Januar 2023 zur Zahlung von Trennungsunterhalt gem. § 1361 Abs. 1 BGB verpflichtet.
Die Zumutbarkeitsabwägung hat hier dazu geführt, dass der Senat davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin auch über das Trennungsjahr hinaus ihrer Erwerbsobliegenheit durch ihre Tätigkeit mit durchschnittlich 22 Wochenstunden genügte. Der Antragstellerin ist weder eine Ausweitung ihrer selbstständigen Tätigkeit noch der Wechsel in eine angestellte Tätigkeit zumutbar. Zwar kann dem Unterhaltsschuldner die Aufgabe einer selbstständigen Existenz zugunsten einer besser bezahlten abhängigen Beschäftigung zumutbar sein. Etwas Anderes kann aber gelten, wenn gerade - wie hier - die Selbstständigkeit eine auf die Bedürfnisse der Kinder erforderliche Flexibilität bei den Arbeitszeiten bietet, die eine abhängige Beschäftigung nicht gewährleistet.
Hinsichtlich des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Antragsgegners gilt: Welche Kosten nach der Trennung für eine Krankenversicherung angemessen sind, richtet sich insbesondere auch danach, wie die Kinder zu Zeiten der intakten Ehe versichert waren. Der Erzielung eines höheren unterhaltsrelevanten Einkommens aus Mieteinnahmen können die Aufwendungen zur Verbesserung des Zustandes vermieteten Immobilieneigentums allerdings entgegengehalten werden. Der Unterhaltsbedarf gemeinsamer Kinder leitet sich aus dem gemeinschaftlichen Einkommen beider Eltern ab. Nach BGH-Rechtsprechung ist zu Gunsten des Unterhaltsberechtigten ein ungedeckter Naturalunterhalt der Kinder als Abzugsposition anzuerkennen.
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