28.11.2019

Aufklärung einer dem Kläger unbekannten Tatsache durch Zeugenbenennung ist dem Kläger selbst erlaubt

Behauptet der Geschädigte eines Verkehrsunfalles, von einem eventuellen Vorschaden selbst keine Kenntnis und den beschädigten Pkw in unbeschädigtem Zustand erworben zu haben, kann ihm nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann.

BGH v. 15.10.2019 - VI ZR 377/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger erwarb einen Gebrauchtwagen mit Gesamtfahrleistung 80.000 km zum Preis von 25.500 €. Er stellte das Fahrzeug in eine Tiefgarage und bewegte es nur gelegentlich. Der Schwiegersohn des Klägers stellte einen bei der Beklagten versicherten VW Bus neben dem Gebrauchtwagen ab. Einige Stunden später geriet der VW Bus in Brand, woraufhin auch der Gebrauchtwagen vollständig ausbrannte. Als Ursache für den Brand dürfe laut Polizei ein technischer Defekt des VW-Busses anzusehen sein.

Der Kläger begehrt Zahlung des Kaufpreises, da dieser dem Verkehrswert entspreche. Ein Sachverständigengutachten ergab, dass der Gebrauchtwagen einen früheren Unfallschaden gehabt hätte und setzte einen Restwert i.H.v. 5.400 € und Reparaturkosten von 41.000 € fest. Der Kläger behauptete, dass ihm ein Vorschaden nicht bekannt gewesen sei.

Das LG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers wies das OLG durch Beschluss zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers war vor dem BGH erfolgreich und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Die Gründe:
Der Kläger wurde in entscheidungserheblicher Weise in seinem aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Das Berufungsgericht hat den vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis zu Unrecht nicht erhoben.

Nach allgemeinen Regeln ist es Aufgabe des Klägers, die Voraussetzungen eines Haftungstatbestandes, hier also das Entstehen und den Umfang eines Sachschadens i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG darzulegen und zu beweisen. Wenn der Beklagte den Umfang oder die Höhe eines Schadens mit der Begründung bestreitet, der Gegenstand sei bereits durch ein früheres Ereignis beeinträchtigt worden, verbleibt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Kläger. Zwar kommt dem Kläger insoweit mit § 287 ZPO eine Beweisführungserleichterung zugute, eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens lässt dieser jedoch nicht zu. Der Tatrichter benötigt weiterhin greifbare Tatsachen für die Schadensschätzung.

Soweit der Geschädigte behauptet, von einem eventuellen Vorschaden selbst keine Kenntnis und die beschädigte Sache in unbeschädigtem Zustand erworben zu haben, kann es ihm jedoch nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Es hat die Partei, die die Vernehmung eines Zeugen beantragen will, den Zeugen zu benennen und die Tatsachen zu bezeichnen, über die dieser vernommen werden soll. Wie weit eine Partei ihren Sachvortrag jedoch substantiieren muss, hängt von ihrem Kenntnisstand ab. Das Risiko der Nichterweislichkeit verbleibt freilich beim Anspruchsteller.

Nach diesen Grundsätzen hätte der vom Kläger angebotene Zeugenbeweis in Form der Vernehmung des Verkäufers des Gebrauchtwagens nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden dürfen, der Kläger hätte die unternommenen Reparaturmaßnahmen im Einzelnen darlegen und durch Vernehmung der an der Reparatur beteiligten Zeugen unter Beweis stellen müssen. Der Gehörverstoß ist erheblich. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich das Berufungsgericht nach Vernehmung der genannten zeugen eine Überzeugung (§ 287 ZPO) von der erfolgten Reparatur des Vorschadens verschafft oder wenigstens zur Schätzung eines abgrenzbaren Mindestschadens in der Lage gesehen hätte.
BGH online
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