13.08.2018

Aufrechterhaltung einer Kinderehe ausnahmsweise wegen besonderer Härte geboten

Seit Sommer 2017 gilt das "Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen". Eine Ehe, die im Alter zwischen 16 und 18 Jahren geschlossen wurde, soll künftig durch richterliche Entscheidung aufgehoben werden. In besonderen Härtefällen kann allerdings von einer Aufhebung abgesehen werden.

OLG Oldenburg 18.4.2018, 13 UF 23/18
Der Sachverhalt:

Der damals 22-jährige Ehemann und die damals 16-jährige Ehefrau hatten im Sommer 2017 in Rumänien geheiratet. Kurz nach der Eheschließung wurden beide Eltern. Der Ehemann lebte und arbeitete bereits seit vier Jahren in Deutschland. Seine Eltern leben ebenfalls dort und unterstützen die Familie.

Der Antrag auf Aufhebung der Ehe wegen der Minderjährigkeit der Ehefrau bei der Eheschließung hatte vor dem AG keinen Erfolg. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte vor dem OLG ebenso keinen Erfolg.

Die Gründe:

Gem. § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn sie entgegen § 1303 S. 1 BGB mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hatte. Dies gilt auch für nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehen. Gleichwohl ist nach § 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b) BGB bei Verstoß gegen § 1303 S. 1 BGB eine Aufhebung der Ehe ausgeschlossen, wenn auf Grund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe eine so schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint.

In der Gesetzesbegründung heißt es, dass sich eine außergewöhnliche Härte im Einzelfall aber auch daraus ergeben könne, dass die Aufhebung einer unter Beteiligung eines Unionsbürgers geschlossenen Ehe dessen Freizügigkeitsrecht verletzen würde.

Im Streitfall stellt eine Aufhebung der Ehe daher für die minderjährige Ehefrau eine besondere Härte dar, weil dadurch ihr als EU-Bürgerin verbrieftes Recht auf Freizügigkeit nach Art. 45 Abs. 3 lit. b) und c) AEUV verletzt würde. Denn die sog. Arbeitnehmerfreizügigkeit führt dazu, dass jeder EU-Bürger in einem anderen EU-Mitgliedstaat arbeiten darf und dann auch seinen Ehegatten mitbringen kann. Ohne die eheliche Verbindung hätte die junge Frau kein Aufenthaltsrecht gehabt. Das Zusammenleben der jungen Familie mit Kind würde durch die Aufhebung die rechtliche Grundlage entzogen. § 31 Abs. 2 S. 2 AufenthG, wonach dem durch die Eheaufhebung betroffenen Minderjährigen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erteilt werden kann, vermag die rechtlichen Folgen der Eheaufhebung allenfalls zu mindern, aber die Aufhebung der Ehe nicht zu kompensieren.

Darüber hinaus ist die Eheschließung im vorliegenden Fall ohne Zwang erfolgt war. Die Eheleute haben vor Gericht erklärt, für den Fall der Aufhebung der Ehe so bald wie rechtlich möglich wieder heiraten zu wollen. Zudem wird die Ehefrau im Dezember 2018 volljährig. In der Gesamtschau würde sich eine Aufhebung der Ehe daher als besondere Härte darstellen.

Linkhinweis:

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