11.04.2023

Ausgleich von Entgeltpunkten aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung

Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) sind auch in der Anwartschaftsphase im Wertausgleich bei der Scheidung regelmäßig ausgleichsreif.

BGH v. 1.3.2023 - XII ZB 360/22
Der Sachverhalt:
Auf den am 12.12.2020 zugestellten Antrag hat das AG - Familiengericht die im Mai 1986 geschlossene Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden. Über die abgetrennte Folgesache Versorgungsausgleich hat es durch gesonderten Beschluss entschieden.

Während der Ehezeit (1986 bis 2020) erwarb der Ehemann 57,5688 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 28,7844 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von rd. 217.000 € in der gesetzlichen Rentenversicherung, 43,90 Versorgungspunkte mit einem Ausgleichswert von 21,70 Versorgungspunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von rd. 11.000 € in der kirchlichen Zusatzversorgungskasse sowie ein Anrecht in der privaten Altersversorgung mit einem Kapitalwert von rd. 29.000 €. Die Ehefrau erwarb 19,3801 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 9,6901 Entgeltpunkten bei einem korrespondierenden Kapitalwert von rd. 73.000 € in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zusätzlich erwarb sie in der gesetzlichen Rentenversicherung einen Zuschlag von 4,0484 Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) mit einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 2,0242 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von rd. 15.000 €. Den Ausgleich weiterer beiderseitig erworbener betrieblicher Anrechte sowie von Anrechten der Ehefrau in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und in einer privaten Altersversorgung schlossen die Ehegatten durch Vereinbarung aus.

Das AG teilte die nicht von der Ausschlussvereinbarung erfassten Anrechte jeweils intern mit Ausnahme des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, zu dessen Ausgleich sich die Entscheidung nicht äußert. Auf die Beschwerde des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (Beteiligte zu 3) ordnete das OLG ergänzend an, dass der von der Ehefrau erworbene Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung mit einem Ausgleichswert von 2,0242 Entgeltpunkten dem Ausgleich nach der Scheidung vorbehalten bleibe. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3) änderte der BGH den Beschluss des AG dahingehend ab, dass zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Ehemanns ein Anrecht i.H.v. 2,0242 Entgeltpunkten aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.11.2020, übertragen wird.

Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zum Ausgleich des Anrechtes aus dem Zuschlag für langjährige Versicherung bereits bei der Scheidung.

Zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass es sich bei dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (§ 76 g SGB VI) um ein im Versorgungsausgleich auszugleichendes Anrecht handelt. Anrechte in diesem Sinne sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 2 Abs. 1 VersAusglG). Unter die danach auszugleichenden Anrechte fällt auch der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung.

Das aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung bestehende Anrecht ist auch während der Ehezeit erworben worden (§ 3 Abs. 2 VersAusglG). Zwar endete die Ehezeit gem. § 3 Abs. 1 VersAusglG bereits am 30.11.2020 und somit noch vor dem Inkrafttreten des Grundrentengesetzes am 1.1.2021, mit dem die Entgeltpunkteart "Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung" erstmals existent geworden ist. Die Eingrenzung des Versorgungsausgleichs auf Anrechte, die während der Ehezeit erworben wurden, will jedoch nur sicherstellen, dass diejenigen Anrechte ausgeglichen werden, die auf einer gemeinsamen Lebensleistung beruhen. Maßgebend für den Versorgungsausgleich ist daher jeweils nicht der Zeitpunkt des Rechtserwerbs wie etwa der Zeitpunkt der Erteilung einer Versorgungszusage oder der Beginn der Mitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung, sondern inwieweit die Schaffung oder Aufrechterhaltung des Anrechts durch Arbeit oder Vermögen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG) in die Ehezeit fällt. Deshalb kommt es auch für den Ausgleich von Entgeltpunkten aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nur darauf an, dass deren rentenrechtliche Erwerbsvoraussetzungen zum Ende der Ehezeit erfüllt waren.

Entgegen der Auffassung des OLG erfüllt der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung auch grundsätzlich die Voraussetzungen der Ausgleichsreife i.S.v. § 19 Abs. 1 und 2 VersAusglG. Nicht ausgleichsreif ist ein Anrecht insbesondere, wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist. Hinreichend verfestigt ist ein Anrecht insoweit, als der Versorgungswert dem Grund und der Höhe nach durch die künftige, namentlich betriebliche oder berufliche Entwicklung des Berechtigten nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit bereits endgültig gesichert ist. Im Falle von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung ist damit allerdings nicht gemeint, dass zum Ehezeitende bereits sämtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit eine gesetzliche Rente nach dem Erreichen der Altersgrenze zur Auszahlung gelangt. Maßgebend ist vielmehr, ob der Versorgungswert in seiner Bezugsgröße dem Grund und der Höhe nach nicht mehr beeinträchtigt werden kann. Die Frage beurteilt sich nach den gesetzlichen Bewertungsvorschriften und ist beim Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung zu bejahen.

Denn nach dem hier anzuwendenden Bewertungsmaßstab der auf das Ehezeitende zu beziehenden Berechnung einer fiktiven Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze (§ 109 Abs. 6 SGB VI) steht die Höhe des Zuschlags in der Bezugsgröße dieser Entgeltpunkteart fest. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist insoweit das Ende der Ehezeit (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Zwar kann der Zuschlag später noch entfallen, wenn das Einkommen nach Ehezeitende steigt und aufgrund dessen die Höchstgrenze der durchschnittlichen Entgeltpunkte überschritten wird. Darin läge jedoch eine Veränderung nach dem Ende der Ehezeit, die im Versorgungsausgleichsverfahren (nur) nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG zu berücksichtigen ist. Eine spätere Einkommensanrechnung nach § 97 a SGB VI hingegen wirkt von vornherein nicht auf die Bezugsgröße des Anrechts nämlich Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung und stellt daher die hinreichende Verfestigung des Stammrechts als solches nicht infrage.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
§§ 2 I, II, 19 II VersAusglG, 97a I, IV SGBVI: Anrechte aus dem Grundrentenzuschlag im Versorgungsausgleich [LSe m. Anm. d. Red.]
OLG Bamberg vom 02.11.2022 - 2 UF 136/22
FamRZ 2023, 125

Rechtsprechung:
Ausgleich eines Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (Grundrentenentgeltpunkte)
Bdb. OLG vom 06.10.2022 - 9 UF 28/21
Walther Siede, FamRB 2023, 13

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