10.06.2014

Ausschließlich Schadensersatz bei technisch nicht erreichbarer Funktionalität einer Glasfassade

In Fällen, in denen die vereinbarte Funktionalität einer Glasfassade (hier: uneingeschränkte Bruchsicherheit) technisch nicht zu verwirklichen ist, steht dem Auftraggeber als Mängelrecht ausschließlich ein Schadensersatzanspruch gem. § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 BGB zu. Ein Erfüllungsanspruch scheidet ebenso aus wie ein Nacherfüllungsanspruch (§ 634 Nr. 1, § 635 Abs. 1 BGB) und ein Selbstvornahmerecht einschließlich des Vorschussanspruches gem. § 634 Nr. 2, § 637 BGB.

BGH 8.5.2014, VII ZR 203/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte die Beklagte im April 2005 durch Generalunternehmervertrag (GU) beauftragt, einen gebrauchs- und schlüsselfertigen Bürohauskomplex mit Kraftfahrzeugstellplätzen und Außenanlagen zu errichten. Die Fassade sollte im Bereich von Stahlbetonstützen, Stahlbetonbrüstungen und der Stahlbetonaufkantung im Dachbereich mit emaillierten, thermisch vorgespannten Glasscheiben verkleidet werden (über 3000 Scheiben auf 5.352 qm). Die Vertragsparteien vereinbarten die Verwendung von Glasscheiben, bei denen kein Risiko eines Glasbruches aufgrund von Nickelsulfid-Einschlüssen besteht. Zudem vereinbarten sie einen sog. Heat-Soak-Test.

Die Streithelferin zu 3) der Beklagten plante die Glasfassade. Das Glas lieferte die Streithelferin zu 4). Die Streithelferin zu 1) erstellte die Glasfassade. Im September 2006 nahm die Klägerin das Bürogebäude ab. Knapp ein halbes Jahr später gingen die ersten Scheiben der Fassadenverkleidung zu Bruch, wobei Bruchstücke herabfielen. Dies wiederholte sich in der Folgezeit mehrmals. Vor diesem Hintergrund hielt die Klägerin die Glasfassade insgesamt für mangelhaft und den Austausch sämtlicher Glasscheiben für erforderlich, um den Mangel zu beseitigen. Sie verlangte u.a. die Zahlung eines Kostenvorschusses von 240.000 € und, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Kosten zur Beseitigung von Schäden zu ersetzen, die infolge des Mangels "erhöhte Bruchanfälligkeit der Glasfassadenscheiben" und der notwendigen Mangelbeseitigung auftreten.

Das sachverständig beratene Berufungsgericht gab den Anträgen statt. Auf die von der Streithelferin zu 1) für die Beklagte geführte Revision hob der BGH die Entscheidung insoweit auf, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden war und wies die wies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Zwar hatte das OLG im Ergebnis zu Recht eine Mangelhaftigkeit der Fassade angenommen. Allerdings war eine Beseitigung des Mangels unmöglich, so dass die Klägerin die von ihr geltend gemachten Rechtsfolgen nicht beanspruchen konnte.

Die Beseitigung des Mangels war unmöglich, da der vollständige Ausschluss von Nickelsulfid-Einschlüssen technisch nicht gewährleistet werden konnte. Die vereinbarte Funktionalität war im vorliegenden Fall deshalb nicht erreichbar (dauerhafte objektiven Unmöglichkeit i.S.v. § 275 Abs. 1 2. Fall BGB). Für diese Beurteilung war der Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses maßgeblich. Der Umstand, dass eine Bruchwahrscheinlichkeit entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen nach Ablauf von zehn Jahren praktisch ausgeschlossen ist, stand dem nicht entgegen. Denn ein zeitweiliges Erfüllungshindernis ist einem dauernden gleichzustellen, wenn die Erreichung des Vertragszwecks durch die vorübergehende Unmöglichkeit in Frage gestellt wird und deshalb dem Vertragspartner nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unter billiger Abwägung der Belange beider Vertragsteile die Einhaltung des Vertrages nicht zugemutet werden kann.

Da es der Klägerin darauf ankam, Bruchgefahren durch Einschlüsse in den Glasscheiben auszuschließen, um keine Gefahrenquelle für die das Gebäude nutzenden Menschen und Fußgänger zu schaffen, war es ihr unzumutbar, zehn Jahre zu warten, bis ein solcher Zustand eintritt. Berechtigte Belange der Beklagten, die diesem Abwägungsergebnis entgegenstehen konnten, waren nicht ersichtlich.

Die Folge der Unmöglichkeit war somit das Entfallen des Erfüllungsanspruches und damit ebenso des Nacherfüllungsanspruches (§ 634 Nr. 1, § 635 Abs. 1 BGB) und des Selbstvornahmerechts einschließlich des Vorschussanspruches gem. § 634 Nr. 2, § 637 BGB. Infolgedessen konnte die Klägerin keinen Austausch der Glasscheiben gegen andere verlangen, die auch bei ordnungsgemäß durchgeführtem Heat-Soak-Test einer Bruchgefahr unterlägen und deshalb der vereinbarten Funktionalität nicht genügten. Eine andere Art der Erfüllung bzw. Nacherfüllung kam nicht in Betracht. Der Klägerin steht aber ein Schadensersatzanspruch unter den Voraussetzungen von § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 BGB zu.

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