17.12.2013

Außerordentliche Kündigung: Mieter müssen Bescheidung von Nutzungsänderungsanträgen abwarten

Eine anlässlich einer Anhörung gem. § 28 VwVfG erfolgte Mitteilung der Behörde an den Mieter, dass die beantragte Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig sei, begründet noch keinen Mangel des Mietobjektes i.S.d. § 536 BGB und rechtfertigt damit auch keine außerordentliche Kündigung nach § 543 BGB. Einem Mieter ist es grundsätzlich zuzumuten, eine Bescheidung seines Nutzungsänderungsantrages abzuwarten.

BGH 20.11.2013, XII ZR 77/12
Der Sachverhalt:
Im August 2005 hatte die P-Warenhandelsgesellschaft mbH mit dem damaligen Grundstückseigentümer, dessen Rechtsnachfolger die Klägerin ist, einen Mietvertrag über die Geschäftsräume abgeschlossen. Danach war der Mieter berechtigt, das Mietobjekt als Einzelhandelsgeschäft zu nutzen. Außerdem stand der Vermieter dafür ein, dass alle Genehmigungen dafür vorliegen. Das Mietverhältnis wurde auf zwölf Jahre befristet, dem Mieter wurde erlaubt, das Mietobjekt unter zu vermieten.

Nachdem die ursprüngliche Mieterin den Geschäftsbetrieb bereits im Jahr 2008 aufgegeben hatte, schloss die als Rechtsnachfolgerin auf Mieterseite in das Mietverhältnis eingetretene Beklagte im April 2010 mit der Untermieterin einen Untermietvertrag unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Bau-/Nutzungsgenehmigung bis zum 28.6.2010 uneingeschränkt erteilt werde. In der Folgezeit beantragte die Untermieterin beim zuständigen Landkreis die Genehmigung einer Nutzungsänderung. Mit einem als "Anhörung gem. § 28 VwVfG" bezeichneten Schreiben vom 15.7.2010 teilte der Landkreis der Untermieterin mit, dass der Antrag nicht genehmigungsfähig sei, weil das Vorhaben der Bebauungsplanfestsetzung ("Fläche für den Gemeinbedarf Schule") widerspreche und eine seinerzeit beabsichtigte Planänderung, aufgrund derer der Neubau der vorhandenen Gebäude genehmigt worden sei, nicht zum Abschluss gebracht worden sei.

Nachdem die Beklagte die Klägerin wiederholt aufgefordert hatte, sicherzustellen, dass die Untermieterin die Räume wie vorgesehen nutzen könne, kündigte sie im September 2010 das Mietverhältnis außerordentlich zum Ende des Monats und stellte zugleich ihre Mietzahlung ein. Am 5.10.2010 erteilte der Landkreis die Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung.

Das LG gab der Klage auf Zahlung der monatlichen Bruttomieten i.H.v. jeweils 12.138 € für den Zeitraum von Oktober bis einschließlich Dezember 2010 teilweise statt; das OLG gab ihr im vollen Umfang statt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Der aus dem Mietvertrag herrührende Anspruch auf Zahlung von Miete war nicht durch die Kündigung der Beklagten entfallen. Denn das auf zwölf Jahre befristete Mietverhältnis konnte gem. § 542 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 543 BGB wirksam nur mit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund beendet werden. Diese Voraussetzungen lagen hier aber nicht vor.

Außer reinen Beschaffenheitsfehlern der Mietsache können zwar u.a. auch behördliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern, dass sie einen Mangel i.S.v. § 536 BGB begründen. Letztere stellen nach der BGH-Rechtsprechung allerdings nur dann einen Mangel dar, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden.

Im Einzelfall kann ein möglicher Sachmangel auch darin gesehen werden, dass eine langwährende Unsicherheit über die Zulässigkeit der behördlichen Nutzungsuntersagung die begründete Besorgnis bewirkt, das Grundstück nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können. Im vorliegenden Fall ließ sich auch nicht ausschließen, dass die Behörde bei Aufnahme des Geschäftsbetriebes durch die Untermieterin vor Erteilung der Baugenehmigung die Nutzung bauordnungsrechtlich untersagt hätte; zudem hätte die Untermieterin in diesem Fall möglicherweise eine Ordnungswidrigkeit begangen.

Dennoch stellte die Verzögerung aufgrund des von der Untermieterin initiierten Genehmigungsverfahrens für sich gesehen noch keinen Mangel i.S.v. § 536 BGB dar und fiel deshalb nicht in die Sphäre der Klägerin. Allein die anlässlich einer Anhörung gem. § 28 VwVfG erfolgte Mitteilung der Behörde an den Mieter, dass die beantragte Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig sei, vermag einen Mangel des Mietobjektes i.S.d. § 536 BGB nicht zu begründen und damit auch eine außerordentliche Kündigung nach § 543 BGB nicht zu rechtfertigen; dem Mieter ist es grundsätzlich zuzumuten, eine Bescheidung seines Nutzungsänderungsantrages abzuwarten.

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