02.09.2024

Beabsichtigte Entgelterhöhung im Seniorenheim - Anforderungen gem. § 9 Abs. 2 Satz 3 WBVG

Bei dem in der schriftlichen Mitteilung über eine beabsichtigte Entgelterhöhung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 WBVG anzugebenden Umlagemaßstab handelt es sich um denjenigen Parameter, nach dem die gestiegenen Kosten auf die Entgelte kalkulatorisch umgelegt werden. Dies kann etwa die Größe des belegten Wohnraums nach Quadratmeter, die Kopfzahl der Bewohner oder die (maximale) Anzahl der belegbaren Heimplätze sein, während die Bezeichnung "pflegetäglich" insofern nicht ausreicht, weil sie keinen Umlage-, sondern allenfalls einen Abrechnungsmaßstab darstellt.

OLG Zweibrücken v. 20.8.2024 - 8 U 62/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt eine Senioren-Residenz. Sie hatte am 1.6.2022 eine Entgelterhöhung zum 1.7.2022 angekündigt. Das Schreiben ging an "alle Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörige und Betreuer" ihrer Einrichtung. Der klagende Verein war der Ansicht, das Anschreiben unterscheide nicht hinlänglich zwischen Einzel- und Doppelzimmern und führe den Umlagemaßstab nicht an. Die Begründung für die einzelnen Kostensteigerungen sei nicht hinreichend dargetan. Die Mieterhöhung und die Instandhaltungskostensteigerungen hätten konkret beziffert werden müssen. Ferner werde der Eindruck erweckt, dass die Erhöhung auch ohne Zustimmung der Bewohner wirksam werde. Stattdessen hätte eine von beiden Seiten zu unterzeichnende Nachtragsvereinbarung vorgesehen werden müssen.

Das LG hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Die Begründungstiefe des streitgegenständlichen Anschreibens erscheine der Kammer noch ausreichend. Es führe die bisherigen und die künftig verlangten Entgelte hinreichend nach den einzelnen Bestandteilen aufgeschlüsselt auf. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.

Die Gründe:
Der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung ist begründet, da das Erhöhungsschreiben der Beklagten vom 1.6.2022 nicht den Anforderungen des § 9 WBVG entsprach.

Bei dem in der schriftlichen Mitteilung über eine beabsichtigte Entgelterhöhung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 WBVG anzugebenden Umlagemaßstab handelt es sich um denjenigen Parameter, nach dem die gestiegenen Kosten auf die Entgelte kalkulatorisch umgelegt werden. Dies kann etwa die Größe des belegten Wohnraums nach Quadratmeter, die Kopfzahl der Bewohner oder die (maximale) Anzahl der belegbaren Heimplätze sein, während die Bezeichnung "pflegetäglich" insofern nicht ausreicht, weil sie keinen Umlage-, sondern allenfalls einen Abrechnungsmaßstab darstellt. Eine dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 9 WBVG entsprechende Mitteilung über eine geplante Entgelterhöhung muss klar zu erkennen geben, dass es sich um eine bloß beabsichtigte Erhöhung, d.h. ein einseitiges Verlangen des Unternehmers handelt. Keinesfalls darf der Eindruck erweckt werden, dass es einer - notfalls im Klageweg zu erstreitenden - Zustimmung des Bewohners nicht bedarf.

Diesen Anforderungen genügte das Ankündigungsschreiben der Beklagten vom 1.6.2022 nicht, da es nicht nur das Zustimmungserfordernis der Heimbewohner nicht darlegt oder auch nur erwähnt, sondern im Gegenteil den Eindruck erweckt hatte, dass die Erhöhung allein aufgrund des Schreibens und nach Ablauf der dort genannten vierwöchigen Frist eintritt und somit scheinbar vollendete Tatsachen schafft. Dies folgte schon aus dem Betreff des Schreibens, in dem der weitere Inhalt als bloße, den Bewohnern lediglich zur Kenntnis zu bringende "Mitteilung über die Erhöhung (...)" gekennzeichnet wurde. Aus der entsprechenden sprachlichen Darstellung konnte der angesprochene Heimbewohner an keiner Stelle auch nur erahnen, dass es sich nur um eine beabsichtigte Erhöhung handelte, also ein Begehren der Beklagten, das in irgendeiner Weise von seiner Zustimmung abhängig ist. Schließlich war entgegen § 9 Abs. 2 Satz 3 WBVG auch nicht der Maßstab benannt worden, in dem die von der Kostensteigerung betroffenen Positionen auf die Entgelte bzw. die Entgeltposition (kalkulatorisch) umgelegt werden sollten.

Demgegenüber stand dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Übersendung des von ihm verfassten Schreibens an die Bewohner nicht zu.  Der nach § 2 UKlaG bestehende Beseitigungsanspruch umfasst nicht die Versendung eines bestimmten Schreibens mit vorgegebenem Wortlaut, weil die konkrete Beseitigungshandlung im Ermessen des Verletzers steht, solange die gewählte Handlung nur das Ziel erreicht.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Zivilrecht
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen zur Videokonferenztechnik, weitere Digitalisierung, KapMuG. Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht und Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrecht Rheinland-Pfalz
Zurück