Behördliche Quarantäneanordnung stellt in der Regel keinen Reisemangel dar
AG München v. 16.12.2021, 172 C 23599/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei der Beklagten am 30.1.2019 eine Pauschalreise nach Zypern vom 8.3.2020 bis 22.3.2020 für sich und seine Ehefrau inklusive Flug zum Preis von 638 € gebucht. Aufgrund einer Infizierung einer Mitreisenden mit COVID-19 ordnete die örtliche Behörde in Zypern für alle Reisegäste und auch für die örtliche Reiseleitung eine 14-tägige Quarantäne bis zum 24.3.2020 an. Die Beklagte verpflegte den Kläger und seine Reisebegleitung über den gebuchten Zeitraum hinaus für weitere zwei Tage kostenlos und bezahlte die Unterkunft. Das lokale Gesundheitsamt ordnete gegenüber dem Kläger als Zugehörigem der Kontaktgruppe zu einer infizierten Person eine verbindliche Quarantäne (sog. Absonderung) an.
Der Kläger wandte sich während der Quarantäne an die Beklagte und bat um Abhilfe. Später forderte er die Beklagte zur Rückzahlung des Reisepreises auf. Der Kläger war der Ansicht, ihm stünde ein Anspruch auf Minderung und Rückzahlung gem. §§ 651m, 651l Abs. 2 S.2 BGB analog zu. Der Reiseveranstalter hafte verschuldensunabhängig für das Gelingen der Reise. Zudem treffe die Beklagte auch eine Informationspflicht bei drohenden außergewöhnlichen Umständen. Die Beklagte habe die Reise jedoch durchgeführt, obgleich bereits zum Reisebeginn die Auswirkungen von COVID-19 den Reiseverkehr erheblich beeinträchtigt hätten.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung gegen die Beklagte weder gem. §§ 651i Abs. 3 Nr. 6, 651m BGB noch aus §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n BGB noch aus einem anderen rechtlichen Grund zu.
Die Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Kläger durch die örtlichen Behörden als Reiseteilnehmer aufgrund der Infizierung einer Mitreisenden mit COVID-19 stellt keinen zur Minderung berechtigenden Mangel gem. §§ 651i Abs. 3 Nr. 6, 651 m BGB dar. Zwar ist der Klagepartei zuzugeben, dass die Minderung unabhängig vom Verschulden des Reiseveranstalters ausgestaltet ist. Eine Begrenzung der reisevertraglichen Gewährleistung kann jedoch in Bezug auf Umstände geboten sein, die allein in der persönlichen Sphäre des Reisenden liegen oder in denen sich Risiken verwirklichen, die der Reisende im täglichen Leben ebenfalls zu tragen hat. Der Reisende hat deshalb in Fällen, in denen kein Zurechnungszusammenhang zu einer Pflichtverletzung des Reiseveranstalters oder sonst zu einem haftungsbegründenden Ereignis besteht, die Risiken einer Unternehmung, die dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt, hinzunehmen.
So verhält es sich nach Auffassung des BGH etwa, wenn der Reisende außerhalb der Inanspruchnahme von Reiseleistungen am Urlaubsort verunglückt, erkrankt oder Opfer einer Straftat wird oder sonst aus persönlichen Gründen die weiteren Reiseleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Die Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Kläger durch die örtlichen Behörden stellt eine Ausprägung des allgemeinen Lebensrisikos im Rahmen der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie dar. Dem Risiko der Anordnung einer Quarantäne bei Kontakt mit einer infizierten Person wäre der Kläger auch ohne die Durchführung der hier streitgegenständlichen Reise ausgesetzt gewesen, so dass es sich nicht um ein reisespezifisches Risiko gehandelt hat. Mithin konnten die angebotenen Reiseleistungen mangelfrei erbracht werden. Dem Kläger als konkretem Reisenden war die Inanspruchnahme aufgrund behördlicher Anordnung verwehrt.
In dem Kontakt zu einer infizierten Person und der anschließenden behördlichen Verfügung hat sich damit ein typisches allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Es ist gerade keine vertraglich begründete Erwartung an die Reise enttäuscht worden. Anders, als etwa bei der Verbreitung von Krankheiten durch Verpflegung, die nur durch den Reiseveranstalter (und nicht andere Mitreisende) zur Verfügung gestellt wird, beruht die Erkrankung der Mitreisenden und die behördliche Entscheidung hier nicht auf einem Umstand, den nur die Beklagte beherrschen konnte und der bzw. dessen Fehlen daher vom Reisenden als üblich erwartet werden kann.
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Bayern.Recht
Der Kläger hatte bei der Beklagten am 30.1.2019 eine Pauschalreise nach Zypern vom 8.3.2020 bis 22.3.2020 für sich und seine Ehefrau inklusive Flug zum Preis von 638 € gebucht. Aufgrund einer Infizierung einer Mitreisenden mit COVID-19 ordnete die örtliche Behörde in Zypern für alle Reisegäste und auch für die örtliche Reiseleitung eine 14-tägige Quarantäne bis zum 24.3.2020 an. Die Beklagte verpflegte den Kläger und seine Reisebegleitung über den gebuchten Zeitraum hinaus für weitere zwei Tage kostenlos und bezahlte die Unterkunft. Das lokale Gesundheitsamt ordnete gegenüber dem Kläger als Zugehörigem der Kontaktgruppe zu einer infizierten Person eine verbindliche Quarantäne (sog. Absonderung) an.
Der Kläger wandte sich während der Quarantäne an die Beklagte und bat um Abhilfe. Später forderte er die Beklagte zur Rückzahlung des Reisepreises auf. Der Kläger war der Ansicht, ihm stünde ein Anspruch auf Minderung und Rückzahlung gem. §§ 651m, 651l Abs. 2 S.2 BGB analog zu. Der Reiseveranstalter hafte verschuldensunabhängig für das Gelingen der Reise. Zudem treffe die Beklagte auch eine Informationspflicht bei drohenden außergewöhnlichen Umständen. Die Beklagte habe die Reise jedoch durchgeführt, obgleich bereits zum Reisebeginn die Auswirkungen von COVID-19 den Reiseverkehr erheblich beeinträchtigt hätten.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung gegen die Beklagte weder gem. §§ 651i Abs. 3 Nr. 6, 651m BGB noch aus §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n BGB noch aus einem anderen rechtlichen Grund zu.
Die Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Kläger durch die örtlichen Behörden als Reiseteilnehmer aufgrund der Infizierung einer Mitreisenden mit COVID-19 stellt keinen zur Minderung berechtigenden Mangel gem. §§ 651i Abs. 3 Nr. 6, 651 m BGB dar. Zwar ist der Klagepartei zuzugeben, dass die Minderung unabhängig vom Verschulden des Reiseveranstalters ausgestaltet ist. Eine Begrenzung der reisevertraglichen Gewährleistung kann jedoch in Bezug auf Umstände geboten sein, die allein in der persönlichen Sphäre des Reisenden liegen oder in denen sich Risiken verwirklichen, die der Reisende im täglichen Leben ebenfalls zu tragen hat. Der Reisende hat deshalb in Fällen, in denen kein Zurechnungszusammenhang zu einer Pflichtverletzung des Reiseveranstalters oder sonst zu einem haftungsbegründenden Ereignis besteht, die Risiken einer Unternehmung, die dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt, hinzunehmen.
So verhält es sich nach Auffassung des BGH etwa, wenn der Reisende außerhalb der Inanspruchnahme von Reiseleistungen am Urlaubsort verunglückt, erkrankt oder Opfer einer Straftat wird oder sonst aus persönlichen Gründen die weiteren Reiseleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Die Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Kläger durch die örtlichen Behörden stellt eine Ausprägung des allgemeinen Lebensrisikos im Rahmen der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie dar. Dem Risiko der Anordnung einer Quarantäne bei Kontakt mit einer infizierten Person wäre der Kläger auch ohne die Durchführung der hier streitgegenständlichen Reise ausgesetzt gewesen, so dass es sich nicht um ein reisespezifisches Risiko gehandelt hat. Mithin konnten die angebotenen Reiseleistungen mangelfrei erbracht werden. Dem Kläger als konkretem Reisenden war die Inanspruchnahme aufgrund behördlicher Anordnung verwehrt.
In dem Kontakt zu einer infizierten Person und der anschließenden behördlichen Verfügung hat sich damit ein typisches allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Es ist gerade keine vertraglich begründete Erwartung an die Reise enttäuscht worden. Anders, als etwa bei der Verbreitung von Krankheiten durch Verpflegung, die nur durch den Reiseveranstalter (und nicht andere Mitreisende) zur Verfügung gestellt wird, beruht die Erkrankung der Mitreisenden und die behördliche Entscheidung hier nicht auf einem Umstand, den nur die Beklagte beherrschen konnte und der bzw. dessen Fehlen daher vom Reisenden als üblich erwartet werden kann.
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