Berichtigung des Geburtenregisters wegen Schreibfehlers der Eltern bei Angabe des Vornamens des Kindes
OLG Karlsruhe v. 2.8.2022 - 19 W 87/21 (Wx)
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten zu 2) und 3) (fortan: die Beteiligten) sind die Eltern des 2017 geborenen Beteiligten zu 1). Nach der Geburt des Beteiligten zu 1) gaben die Beteiligten zu 2) und 3) die nachfolgende Erklärung zum Namen des Kindes ab: "Unser Kind soll c den c die Vornamen A. Çan und den Familiennamen K. erhalten." Entsprechend dieser Angabe wurden eine Geburtsurkunde und im April 2018 ein Reisepass ausgestellt.
Im Juni 2021 beantragten die Beteiligten, die Schreibweise des zweiten Vornamens in Geburtsurkunde und Reisepass in Can zu ändern, also die Cedille unter dem ersten Buchstaben zu streichen. Zur Begründung führten sie aus, es handele sich um einen durch den Kindsvater verursachten Schreibfehler. Der Buchstabe Ç komme in der deutschen Sprache nicht vor. Das führe dazu, dass der Betroffene Schwierigkeiten mit der Aussprache wie mit der Schreibweise haben werde. Die Wiedergabe eines im Namen enthaltenen Akzents, der nicht nach den DIN-Regeln für das Maschinenschreiben wiedergeben werden könne, stelle eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.
Das Standesamt und dessen Aufsichtsbehörde sind dem Antrag entgegengetreten. Dass der erste Buchstabe des zweiten Vornamens im deutschen Alphabet nicht enthalten sei, stehe einer entsprechenden Namenswahl nicht entgegen. Die Bestimmung von Vornamen sei gesetzlich nicht geregelt; eine Grenze sei nur bei einer Beeinträchtigung des Kindeswohls erreicht. Die Standesbeamtin habe den Eltern die Geburtsurkunden persönlich ausgehändigt; dabei werde gewöhnlich noch einmal gebeten, die Schreibweise zu überprüfen. Dabei und bei der Ausstellung des Kinderpasses müsste den Eltern die falsche Schreibweise aufgefallen sein.
Das AG wies den Antrag zurück. Auf die Beschwerde änderte das OLG den Beschluss des AG ab und wies das Standesamt an, das Geburtenregister zu dem Beteiligten zu 1) dahin zu berichtigen, dass der Vorname A. Can lautet. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen einer Anordnung der Berichtigung des abgeschlossenen Registereintrags zum Vornamen des Beteiligten zu 1 (§§ 48 Abs. 1 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 PStG) liegen vor.
Ein - wie hier - abgeschlossener Registereintrag darf zunächst in den Fällen des § 47 PStG vom Standesamt berichtigt werden. Außer in diesen Fällen darf die Berichtigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen; den Antrag auf diese Anordnung können alle Beteiligten stellen, § 48 Abs. 2 Satz 1 PStG; zu diesen gehören auch die hier Antrag stellenden Eltern des Beteiligten zu 1). Voraussetzung für die Anordnung einer Berichtigung durch das Gericht ist dessen Überzeugung davon, dass die vorhandene Eintragung unrichtig, die beantragte Eintragung richtig ist. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen.
Eine der Berichtigung fähige Unrichtigkeit des Geburtenregisters kann auch darin liegen, dass die Eltern bei der Anmeldung der Geburt den Namen des Kindes unrichtig angeben. Maßgeblich ist nicht der bei der Anmeldung angegebene Name, sondern der Name, den die Eltern dem Kind tatsächlich gegeben haben. Das ist für offensichtliche Schreibfehler nicht zweifelhaft. Entscheidend ist, welchen Namen die Eltern dem Kind gegeben haben. Die Vornamensgebung wird nicht durch Anzeige gegenüber dem Standesbeamten ausgeübt, sondern durch die formlose Einigung der Eltern auf einen Vornamen. Die Anzeige des Namens an den Standesbeamten stellt keine rechtsgestaltende Willenserklärung dar, ihr kommt vielmehr, ebenso wie der Eintragung im Geburtenregister, lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Daher kann der Geburtseintrag auch dann unrichtig sein, wenn die Anmeldung der Eltern nicht deren wahrem Willen entspricht. In diesem Zusammenhang kommt daher grundsätzlich auch die Berichtigung von Unrichtigkeiten in Betracht, die ihre Ursache in einem Schreibfehler der Eltern in der Geburtsanzeige an das Standesamt (§ 18 PStG) haben.
Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt gehen ersichtlich auch Standesamt und AG aus, haben sich aber nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die Anmeldung der Eltern nicht deren wahren Willen entsprach. Dem schließt sich der Senat nicht an. Zu Recht hat es das AG zwar für unerheblich erachtet, dass der Buchstabe Ç im deutschen Alphabet nicht vorkommt. Wie das Standesamt zu Recht hervorhebt, bestehen keine gesetzlichen Regelungen, die es ausschließen würden, Vornamen mit Buchstaben zu wählen, die im deutschen Alphabet nicht enthalten sind. Die Geburtsanzeige stimmt vorliegend jedoch nicht mit dem wahren Willen der Eltern überein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Vorname Çan auch in anderen Sprachen nicht vergeben wird, sondern in dieser Schreibweise lediglich eine Stadt und ein Landkreis in der Türkei existieren. Can ist in dieser Schreibweise dagegen ein Vorname, der in mehreren Sprachräumen - vor allem in der Türkei - gebräuchlich ist. Es spricht mithin nichts dafür, dass die Eltern in keiner Sprache gängigen Vornamen wählen wollten; nahe liegt im Gegenteil, dass ein gängiger Vorname gewählt werden sollte. Vor diesem Hintergrund scheint die eidesstattliche Versicherung des Vaters, er habe sich in der Aufregung verschrieben, durchaus plausibel.
Der vom Standesamt hervorgehobene Umstand, dass ein Schreibfehler nicht plausibel erscheine, weil die Eltern die Geburtsurkunde und den später ausgestellten Reisepass über einen mehrere Jahre umfassenden Zeitraum (von der Ausstellung der Geburtsurkunde im September 2017 über die Ausstellung des Reisepasses im April 2018 bis zum Juni 2021) nicht beanstandet hätten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Personenstandsgesetz enthält keine Ausschlussfrist für Anträge auf Berichtigung der Eintragungen; vielmehr gilt nach § 5 Abs. 5 Nr. 2 PStG für eine Fortführung des Geburtenregisters, wozu nach § 5 Abs. 1 PStG auch die Berichtigung gehört, eine Frist von 110 Jahren.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Beteiligten zu 2) und 3) (fortan: die Beteiligten) sind die Eltern des 2017 geborenen Beteiligten zu 1). Nach der Geburt des Beteiligten zu 1) gaben die Beteiligten zu 2) und 3) die nachfolgende Erklärung zum Namen des Kindes ab: "Unser Kind soll c den c die Vornamen A. Çan und den Familiennamen K. erhalten." Entsprechend dieser Angabe wurden eine Geburtsurkunde und im April 2018 ein Reisepass ausgestellt.
Im Juni 2021 beantragten die Beteiligten, die Schreibweise des zweiten Vornamens in Geburtsurkunde und Reisepass in Can zu ändern, also die Cedille unter dem ersten Buchstaben zu streichen. Zur Begründung führten sie aus, es handele sich um einen durch den Kindsvater verursachten Schreibfehler. Der Buchstabe Ç komme in der deutschen Sprache nicht vor. Das führe dazu, dass der Betroffene Schwierigkeiten mit der Aussprache wie mit der Schreibweise haben werde. Die Wiedergabe eines im Namen enthaltenen Akzents, der nicht nach den DIN-Regeln für das Maschinenschreiben wiedergeben werden könne, stelle eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.
Das Standesamt und dessen Aufsichtsbehörde sind dem Antrag entgegengetreten. Dass der erste Buchstabe des zweiten Vornamens im deutschen Alphabet nicht enthalten sei, stehe einer entsprechenden Namenswahl nicht entgegen. Die Bestimmung von Vornamen sei gesetzlich nicht geregelt; eine Grenze sei nur bei einer Beeinträchtigung des Kindeswohls erreicht. Die Standesbeamtin habe den Eltern die Geburtsurkunden persönlich ausgehändigt; dabei werde gewöhnlich noch einmal gebeten, die Schreibweise zu überprüfen. Dabei und bei der Ausstellung des Kinderpasses müsste den Eltern die falsche Schreibweise aufgefallen sein.
Das AG wies den Antrag zurück. Auf die Beschwerde änderte das OLG den Beschluss des AG ab und wies das Standesamt an, das Geburtenregister zu dem Beteiligten zu 1) dahin zu berichtigen, dass der Vorname A. Can lautet. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen einer Anordnung der Berichtigung des abgeschlossenen Registereintrags zum Vornamen des Beteiligten zu 1 (§§ 48 Abs. 1 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 PStG) liegen vor.
Ein - wie hier - abgeschlossener Registereintrag darf zunächst in den Fällen des § 47 PStG vom Standesamt berichtigt werden. Außer in diesen Fällen darf die Berichtigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen; den Antrag auf diese Anordnung können alle Beteiligten stellen, § 48 Abs. 2 Satz 1 PStG; zu diesen gehören auch die hier Antrag stellenden Eltern des Beteiligten zu 1). Voraussetzung für die Anordnung einer Berichtigung durch das Gericht ist dessen Überzeugung davon, dass die vorhandene Eintragung unrichtig, die beantragte Eintragung richtig ist. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen.
Eine der Berichtigung fähige Unrichtigkeit des Geburtenregisters kann auch darin liegen, dass die Eltern bei der Anmeldung der Geburt den Namen des Kindes unrichtig angeben. Maßgeblich ist nicht der bei der Anmeldung angegebene Name, sondern der Name, den die Eltern dem Kind tatsächlich gegeben haben. Das ist für offensichtliche Schreibfehler nicht zweifelhaft. Entscheidend ist, welchen Namen die Eltern dem Kind gegeben haben. Die Vornamensgebung wird nicht durch Anzeige gegenüber dem Standesbeamten ausgeübt, sondern durch die formlose Einigung der Eltern auf einen Vornamen. Die Anzeige des Namens an den Standesbeamten stellt keine rechtsgestaltende Willenserklärung dar, ihr kommt vielmehr, ebenso wie der Eintragung im Geburtenregister, lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Daher kann der Geburtseintrag auch dann unrichtig sein, wenn die Anmeldung der Eltern nicht deren wahrem Willen entspricht. In diesem Zusammenhang kommt daher grundsätzlich auch die Berichtigung von Unrichtigkeiten in Betracht, die ihre Ursache in einem Schreibfehler der Eltern in der Geburtsanzeige an das Standesamt (§ 18 PStG) haben.
Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt gehen ersichtlich auch Standesamt und AG aus, haben sich aber nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die Anmeldung der Eltern nicht deren wahren Willen entsprach. Dem schließt sich der Senat nicht an. Zu Recht hat es das AG zwar für unerheblich erachtet, dass der Buchstabe Ç im deutschen Alphabet nicht vorkommt. Wie das Standesamt zu Recht hervorhebt, bestehen keine gesetzlichen Regelungen, die es ausschließen würden, Vornamen mit Buchstaben zu wählen, die im deutschen Alphabet nicht enthalten sind. Die Geburtsanzeige stimmt vorliegend jedoch nicht mit dem wahren Willen der Eltern überein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Vorname Çan auch in anderen Sprachen nicht vergeben wird, sondern in dieser Schreibweise lediglich eine Stadt und ein Landkreis in der Türkei existieren. Can ist in dieser Schreibweise dagegen ein Vorname, der in mehreren Sprachräumen - vor allem in der Türkei - gebräuchlich ist. Es spricht mithin nichts dafür, dass die Eltern in keiner Sprache gängigen Vornamen wählen wollten; nahe liegt im Gegenteil, dass ein gängiger Vorname gewählt werden sollte. Vor diesem Hintergrund scheint die eidesstattliche Versicherung des Vaters, er habe sich in der Aufregung verschrieben, durchaus plausibel.
Der vom Standesamt hervorgehobene Umstand, dass ein Schreibfehler nicht plausibel erscheine, weil die Eltern die Geburtsurkunde und den später ausgestellten Reisepass über einen mehrere Jahre umfassenden Zeitraum (von der Ausstellung der Geburtsurkunde im September 2017 über die Ausstellung des Reisepasses im April 2018 bis zum Juni 2021) nicht beanstandet hätten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Personenstandsgesetz enthält keine Ausschlussfrist für Anträge auf Berichtigung der Eintragungen; vielmehr gilt nach § 5 Abs. 5 Nr. 2 PStG für eine Fortführung des Geburtenregisters, wozu nach § 5 Abs. 1 PStG auch die Berichtigung gehört, eine Frist von 110 Jahren.
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