Berufung auf einen außergewöhnlichen Umstand (hier: Fluglotsenstreik) bei Annullierung eines Fluges
AG Hamburg v. 29.4.2022 - 48 C 315/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt Ausgleichsansprüche i.H.v. 800,- € nach der Fluggastrechteverordnung. Die Fluggäste waren auf einen Flug von Malaga nach Hamburg gebucht, welcher jedoch am Tag des geplanten Abflugs annulliert wurde. Eine Ersatzbeförderung erfolgte nicht.
Die Beklagte beruft sich auf einen außergewöhnlichen Umstand. Grund für die Annullierung sei ein Fluglotsenstreik in Frankreich gewesen, angesichts dessen sie der Situation angepasst und angemessen habe reagieren müssen. Wegen des von ihr verfolgten Geschäftsmodells als Low-Cost-Carrier ohne signifikante Kapazitätsreserven sei eine Annullierung notwendig gewesen.
Das AG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der Klägerin steht die Klageforderung gemäß Art. 5 und 7 Abs. 1 der Verordnung EG 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) zu. Die Beklagte kann sich nicht auf den Ausschlussgrund des Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung berufen.
Die Annullierung geht nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand zurück. Eine Annullierung geht nur dann i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung auf einen außergewöhnlichen Umstand zurück, wenn der außergewöhnliche Umstand die Annullierung zurechenbar verursacht. Ein Zurechnungszusammenhang ist anzunehmen, wenn die Annullierung des Fluges als unmittelbare Folge des außergewöhnlichen Umstands anzusehen ist.
Eine Annullierung ist dann nicht als unmittelbare Folge eines außergewöhnlichen Umstands anzusehen, wenn das Luftfahrtunternehmen den (absehbaren) Eintritt eines außergewöhnlichen Umstands zum Anlass nimmt, einen potenziell davon betroffenen Flug zu annullieren. Denn dann ist die Annullierung letztlich eine freie Ermessensentscheidung des Luftfahrtunternehmens und keine unmittelbare Folge jenes außergewöhnlichen Umstands.
Insofern kommt es nicht darauf an, aus welchen betrieblichen, organisatorischen oder wirtschaftlichen Gründen das Luftfahrtunternehmen zu der Entscheidung für eine Annullierung gelangt und inwiefern das von dem Luftfahrtunternehmen verfolgte Geschäftsmodell eine Annullierung in der konkreten Situation zweckmäßig erscheinen lässt.
Nach dem Vorbringen der Beklagten war die Durchführung von Flügen auch während des Streiks prinzipiell möglich. Die konkrete Annullierung ging nicht auf bindende hoheitliche Anordnungen oder eine vollständige Einstellung des Luftverkehrsbetriebs zurück. Vielmehr traf die Beklagte ihre Entscheidung für die Annullierung anlässlich des angekündigten Streiks aus betrieblichen, wirtschaftlichen und/oder organisatorischen Gründen der Zweckmäßigkeit.
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Die Klägerin begehrt Ausgleichsansprüche i.H.v. 800,- € nach der Fluggastrechteverordnung. Die Fluggäste waren auf einen Flug von Malaga nach Hamburg gebucht, welcher jedoch am Tag des geplanten Abflugs annulliert wurde. Eine Ersatzbeförderung erfolgte nicht.
Die Beklagte beruft sich auf einen außergewöhnlichen Umstand. Grund für die Annullierung sei ein Fluglotsenstreik in Frankreich gewesen, angesichts dessen sie der Situation angepasst und angemessen habe reagieren müssen. Wegen des von ihr verfolgten Geschäftsmodells als Low-Cost-Carrier ohne signifikante Kapazitätsreserven sei eine Annullierung notwendig gewesen.
Das AG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der Klägerin steht die Klageforderung gemäß Art. 5 und 7 Abs. 1 der Verordnung EG 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) zu. Die Beklagte kann sich nicht auf den Ausschlussgrund des Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung berufen.
Die Annullierung geht nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand zurück. Eine Annullierung geht nur dann i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung auf einen außergewöhnlichen Umstand zurück, wenn der außergewöhnliche Umstand die Annullierung zurechenbar verursacht. Ein Zurechnungszusammenhang ist anzunehmen, wenn die Annullierung des Fluges als unmittelbare Folge des außergewöhnlichen Umstands anzusehen ist.
Eine Annullierung ist dann nicht als unmittelbare Folge eines außergewöhnlichen Umstands anzusehen, wenn das Luftfahrtunternehmen den (absehbaren) Eintritt eines außergewöhnlichen Umstands zum Anlass nimmt, einen potenziell davon betroffenen Flug zu annullieren. Denn dann ist die Annullierung letztlich eine freie Ermessensentscheidung des Luftfahrtunternehmens und keine unmittelbare Folge jenes außergewöhnlichen Umstands.
Insofern kommt es nicht darauf an, aus welchen betrieblichen, organisatorischen oder wirtschaftlichen Gründen das Luftfahrtunternehmen zu der Entscheidung für eine Annullierung gelangt und inwiefern das von dem Luftfahrtunternehmen verfolgte Geschäftsmodell eine Annullierung in der konkreten Situation zweckmäßig erscheinen lässt.
Nach dem Vorbringen der Beklagten war die Durchführung von Flügen auch während des Streiks prinzipiell möglich. Die konkrete Annullierung ging nicht auf bindende hoheitliche Anordnungen oder eine vollständige Einstellung des Luftverkehrsbetriebs zurück. Vielmehr traf die Beklagte ihre Entscheidung für die Annullierung anlässlich des angekündigten Streiks aus betrieblichen, wirtschaftlichen und/oder organisatorischen Gründen der Zweckmäßigkeit.
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