Berufungsfrist versäumt: Rechtsanwaltsverschulden durch vorschnelles Aufgeben der Telefaxübermittlung
BGH v. 26.8.2021 - III ZB 9/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangt Schadensersatz im Zusammenhang mit seinem Beitritt zu einem Fonds. Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die Berufungsschrift ging einen Tag zu spät beim OLG ein.
Der Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Am Tag des Fristablaufs, dem 28.12.2020, hätten die von ihm mandatierten Prozessbevollmächtigten zwischen 14.00 und 15.05 Uhr fünf Mal erfolglos versucht, die Berufungsschrift per Telefax an das OLG unter der ihnen bekannten Nummer des Telefaxanschlusses zu übermitteln.
Das OLG den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Der BGH hat jetzt auch die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Gründe:
Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers mit Recht zurückgewiesen, weil seine Prozessbevollmächtigten die Frist zur Einlegung der Berufung schuldhaft versäumt haben. Das beruht darauf, dass sie die Versuche, die Berufungsschrift an das Berufungsgericht per Telefax zu übermitteln, am Tag des Fristablaufs bereits um 15.05 Uhr und damit vorschnell aufgegeben haben.
Zwar dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Vielmehr hat er mit der Wahl einer Telefaxübertragung bei ordnungsgemäßer Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis zum Fristablauf - hier am 28.12.2020 bis 24.00 Uhr - zu rechnen ist. Das gilt auch, wenn das Empfangsgerät des Gerichts gestört ist. Denn in diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumung in der Sphäre des Gerichts.
Auch Störungen der Übermittlungsleitungen sind dem gewählten Übertragungsmedium immanent, weil ein Telefax nur über sie zum Empfangsgerät gelangt. Leitungsstörungen, die zur fehlenden Erreichbarkeit des angewählten Faxgerätes führen - eine solche macht der Kläger geltend -, sind daher ebenfalls der Risikosphäre des Gerichts zuzuordnen.
Dies befreit den Prozessbevollmächtigten indessen nicht davon, alle noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Fristwahrung zu ergreifen, wenn wegen einer technischen Störung eine Telefaxverbindung (zunächst) nicht zustande kommt, wobei die Gerichte die Anforderungen an die dem Prozessbevollmächtigten obliegende Sorgfalt nicht überspannen dürfen.
Der Prozessbevollmächtigte ist gehalten, bis zum Fristablauf weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen, um auszuschließen, dass die Übermittlungsschwierigkeiten in seinem Bereich liegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn er auch eine lediglich zeitlich beschränkte - das heißt bis zum Fristablauf wieder behobene - technische Störung in Betracht ziehen muss. Es gereicht ihm deshalb zum Verschulden, wenn er unter diesen Voraussetzungen seine Übermittlungsversuche vorschnell weit vor Fristablauf aufgibt und die für ihn letztlich nicht aufklärbare Ursache der aufgetretenen Übermittlungsschwierigkeiten dem Empfangsgericht zuschreibt.
Danach ist der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht zurückgewiesen worden.
Der Kläger hat vorgetragen, dass sein Wiedereinsetzungsantrag nicht so zu verstehen sei, er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass die Übermittlung der Berufungsschrift per Telefax an der Belegung des Telefaxgerätes des Berufungsgerichts durch andere eingehende Sendungen gescheitert sei; die Faxprotokolle hätten nämlich nicht den Vermerk "Belegt" getragen. Als Vermerk auf den Faxprotokollen mit der Überschrift "Fax fehlgeschlagen" sei vielmehr am rechten Rand unter der Rubrik "Status" der Hinweis "Keine Antwort" erschienen, was auf eine fehlende Erreichbarkeit des angewählten Faxgeräts habe schließen lassen.
Dies ist jedoch unerheblich. Denn der Kläger hat nichts zur Dauer der von seinen Prozessbevollmächtigten - infolge des Vermerks "Keine Antwort" in den Faxprotokollen - angenommenen fehlenden Erreichbarkeit des angewählten Faxgeräts vorgetragen. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine bis zum Fristablauf ununterbrochen andauernde technische Störung lassen sich weder seinem Vorbringen noch beigefügten oder sonstigen Unterlagen entnehmen.
Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass im Fall eines nach 15.05 Uhr vorgenommenen Wiederholungsversuchs die Berufungsschrift noch fristgerecht an das Berufungsgericht übermittelt worden wäre, wofür im Übrigen - ohne dass dies noch entscheidungserheblich ist - spricht, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vom Nachmittag des 28.12.2020 bis 24.00 Uhr noch mehrere Telefaxsendungen bei ihm eingingen.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten daher (auch) in Betracht ziehen müssen, dass das Scheitern der Übermittlungsversuche am 28.12.2020 in der Zeit von 14.00 Uhr bis 15.05 Uhr auf einer lediglich vorübergehenden technischen Störung beruhte, und deswegen nach dieser Zeit weitere Versuche unternehmen müssen. Dass sie dies nicht getan, sondern stattdessen die Berufungsschrift noch am 28.12.2020 auf dem Postweg an das Oberlandesgericht versandt haben, ist ihnen als - dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnender - schuldhafter Verstoß gegen die sie treffende erhöhte Sorgfaltspflicht bei Übersendung eines Schriftsatzes am letzten Tag der Frist vorzuwerfen.
Es wird offen gelassen, ob ein Rechtsanwalt in einer derartigen Situation gehalten ist, die Übermittlungsversuche ggf. bis 24.00 Uhr fortzusetzen. Jedenfalls die Beendigung der Versuche bereits um 15.05 Uhr ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers als vorschnelles Aufgeben im Sinne der Rechtsprechung anzulasten.
BGH online
Der Kläger verlangt Schadensersatz im Zusammenhang mit seinem Beitritt zu einem Fonds. Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die Berufungsschrift ging einen Tag zu spät beim OLG ein.
Der Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Am Tag des Fristablaufs, dem 28.12.2020, hätten die von ihm mandatierten Prozessbevollmächtigten zwischen 14.00 und 15.05 Uhr fünf Mal erfolglos versucht, die Berufungsschrift per Telefax an das OLG unter der ihnen bekannten Nummer des Telefaxanschlusses zu übermitteln.
Das OLG den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Der BGH hat jetzt auch die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Gründe:
Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers mit Recht zurückgewiesen, weil seine Prozessbevollmächtigten die Frist zur Einlegung der Berufung schuldhaft versäumt haben. Das beruht darauf, dass sie die Versuche, die Berufungsschrift an das Berufungsgericht per Telefax zu übermitteln, am Tag des Fristablaufs bereits um 15.05 Uhr und damit vorschnell aufgegeben haben.
Zwar dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Vielmehr hat er mit der Wahl einer Telefaxübertragung bei ordnungsgemäßer Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis zum Fristablauf - hier am 28.12.2020 bis 24.00 Uhr - zu rechnen ist. Das gilt auch, wenn das Empfangsgerät des Gerichts gestört ist. Denn in diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumung in der Sphäre des Gerichts.
Auch Störungen der Übermittlungsleitungen sind dem gewählten Übertragungsmedium immanent, weil ein Telefax nur über sie zum Empfangsgerät gelangt. Leitungsstörungen, die zur fehlenden Erreichbarkeit des angewählten Faxgerätes führen - eine solche macht der Kläger geltend -, sind daher ebenfalls der Risikosphäre des Gerichts zuzuordnen.
Dies befreit den Prozessbevollmächtigten indessen nicht davon, alle noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Fristwahrung zu ergreifen, wenn wegen einer technischen Störung eine Telefaxverbindung (zunächst) nicht zustande kommt, wobei die Gerichte die Anforderungen an die dem Prozessbevollmächtigten obliegende Sorgfalt nicht überspannen dürfen.
Der Prozessbevollmächtigte ist gehalten, bis zum Fristablauf weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen, um auszuschließen, dass die Übermittlungsschwierigkeiten in seinem Bereich liegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn er auch eine lediglich zeitlich beschränkte - das heißt bis zum Fristablauf wieder behobene - technische Störung in Betracht ziehen muss. Es gereicht ihm deshalb zum Verschulden, wenn er unter diesen Voraussetzungen seine Übermittlungsversuche vorschnell weit vor Fristablauf aufgibt und die für ihn letztlich nicht aufklärbare Ursache der aufgetretenen Übermittlungsschwierigkeiten dem Empfangsgericht zuschreibt.
Danach ist der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht zurückgewiesen worden.
Der Kläger hat vorgetragen, dass sein Wiedereinsetzungsantrag nicht so zu verstehen sei, er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass die Übermittlung der Berufungsschrift per Telefax an der Belegung des Telefaxgerätes des Berufungsgerichts durch andere eingehende Sendungen gescheitert sei; die Faxprotokolle hätten nämlich nicht den Vermerk "Belegt" getragen. Als Vermerk auf den Faxprotokollen mit der Überschrift "Fax fehlgeschlagen" sei vielmehr am rechten Rand unter der Rubrik "Status" der Hinweis "Keine Antwort" erschienen, was auf eine fehlende Erreichbarkeit des angewählten Faxgeräts habe schließen lassen.
Dies ist jedoch unerheblich. Denn der Kläger hat nichts zur Dauer der von seinen Prozessbevollmächtigten - infolge des Vermerks "Keine Antwort" in den Faxprotokollen - angenommenen fehlenden Erreichbarkeit des angewählten Faxgeräts vorgetragen. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine bis zum Fristablauf ununterbrochen andauernde technische Störung lassen sich weder seinem Vorbringen noch beigefügten oder sonstigen Unterlagen entnehmen.
Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass im Fall eines nach 15.05 Uhr vorgenommenen Wiederholungsversuchs die Berufungsschrift noch fristgerecht an das Berufungsgericht übermittelt worden wäre, wofür im Übrigen - ohne dass dies noch entscheidungserheblich ist - spricht, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vom Nachmittag des 28.12.2020 bis 24.00 Uhr noch mehrere Telefaxsendungen bei ihm eingingen.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten daher (auch) in Betracht ziehen müssen, dass das Scheitern der Übermittlungsversuche am 28.12.2020 in der Zeit von 14.00 Uhr bis 15.05 Uhr auf einer lediglich vorübergehenden technischen Störung beruhte, und deswegen nach dieser Zeit weitere Versuche unternehmen müssen. Dass sie dies nicht getan, sondern stattdessen die Berufungsschrift noch am 28.12.2020 auf dem Postweg an das Oberlandesgericht versandt haben, ist ihnen als - dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnender - schuldhafter Verstoß gegen die sie treffende erhöhte Sorgfaltspflicht bei Übersendung eines Schriftsatzes am letzten Tag der Frist vorzuwerfen.
Es wird offen gelassen, ob ein Rechtsanwalt in einer derartigen Situation gehalten ist, die Übermittlungsversuche ggf. bis 24.00 Uhr fortzusetzen. Jedenfalls die Beendigung der Versuche bereits um 15.05 Uhr ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers als vorschnelles Aufgeben im Sinne der Rechtsprechung anzulasten.