16.06.2023

Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete bei teilgewerblicher Nutzung einer Mietwohnung

Die verfahrensfehlerfreie Bestimmung der ortsüblichen Vergleichs- und der preisrechtlich zulässigen Miete erfordert bei einer dem Mieter nicht ausschließlich zu Wohnzwecken, sondern auch zur teilgewerblichen Nutzung überlassenen Wohnung grundsätzlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Umfang der vom Mieter nach Vertragsschluss in der Mietsache tatsächlich entfalteten gewerblichen Nutzung ist für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichs- und der preisrechtlich zulässigen Miete ohne Belang.

LG Berlin v. 13.6.2023 - 67 S 160/22
Der Sachverhalt:
Die klagenden Mieter hatten mit ihrer Klage die Feststellung der preisrechtlich zulässigen Miete und die Rückzahlung preisrechtswidrig überzahlter Miete für eine 139,94 qm große Wohnung geltend gemacht. Die Parteien sind aufgrund eines am 13.8.2018 geschlossenen Mietvertrages über "Mieträume mit teilgewerblicher Nutzung" miteinander verbunden.

Das AG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Dabei hat es eine zulässige Nettokaltmiete von 1.052,35 € festgestellt und die Beklagte zur Zahlung von 2.029,95 € für im Zeitraum Dezember 2020 bis Februar 2021 überzahlte Miete nebst anteiliger Zinsen verurteilt. Die mietvertraglich vereinbarte Miete verstoße gegen die §§ 556d ff. BGB, da sich die ortsübliche Vergleichsmiete auf lediglich 956,68 € beliefe. Die gerichtliche Ermittlung habe es unter ausschließlicher Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels vornehmen dürfen. Die mietvertragliche Einräumung einer teilgewerblichen Nutzungsmöglichkeit an einer Teilfläche ändere daran nichts.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil teilweise abgeändert. Es hat festgestellt, dass die zulässige monatliche Nettokaltmiete für den Zeitraum März 2020 bis August 2022 1.694 € betrug. Außerdem hat es die Beklagte verurteilt, an die Kläger 105 € zu zahlen.

Die Gründe:
Die vom AG unter ausschließlicher Heranziehung des Berliner Mietspiegels vorgenommene Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist nicht verfahrensfehlerfrei erfolgt. Das AG hat nämlich nicht berücksichtigt, dass die Mietsache den Klägern ausweislich der Anlage zum Mietvertrag im Umfang einer nicht unerheblichen Teilfläche von 39,94 qm zur teilgewerblichen Nutzung überlassen worden war. Dem musste die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichs- und der preisrechtlich zulässigen Miete Rechnung tragen. Die verfahrensfehlerfreie Bestimmung der ortsüblichen Vergleichs- und der preisrechtlich zulässigen Miete erfordert in einem solchen Fall grundsätzlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Der Berliner Mietspiegel stellt zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete allein auf Mietsachen ab, die vollständig zur Wohnnutzung und nicht ganz oder jedenfalls teilweise zur gewerblichen Nutzung überlassen worden sind. Damit ist die verfahrensfehlerfreie Ermittlung der preisrechtlich zulässigen Miete bei einer auch teilgewerblich vermieteten Wohnung im Wege der richterlichen Schätzung unter ausschließlicher Heranziehung des Mietspiegels gem. § 287 ZPO nur dann verfahrensfehlerfrei möglich, wenn entweder der Mietspiegel selbst eine hinreichende Schätzgrundlage darstellen würde oder dem Gericht gerichtsbekannte sonstige Erkenntnisse zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete bei teilgewerblich nutzbaren Mietobjekten zur Verfügung ständen. Hier fehlte und fehlt es aber an beidem.

Es kommt auch nicht darauf an, wie die Mieter die Mietsache tatsächlich nutzten. Entscheidend ist allein, welche teilgewerbliche Nutzung ihnen vom Vermieter vertraglich gestattet wurde. Der Frage, ob die von den Mietern tatsächlich ausgeübte Nutzung nicht ohnehin erlaubnisfrei ist, kommt für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete allenfalls dann entscheidungserhebliche Bedeutung zu, wenn auch die vertraglich eingeräumte Nutzungsbefugnis unter den Begriff des "Wohnens" fällt. Um einen solchen Fall handelte es sich hier aber nicht, da die von der Beklagten mietvertraglich eingeräumten Nutzungsbefugnis abstrakt gefasst und damit umfassend war und sich nicht auf solche Tätigkeiten beschränkte, die ohnehin dem Begriff des "Wohnens" unterfielen.

Eine den Klägern günstigere Beurteilung wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen gewesen, wenn die Einräumung der teilgewerblichen Nutzungsmöglichkeit zu einer unangemessenen Benachteiligung geführt hätte (§ 307 Abs. 1 und 2 BGB) oder überraschend gewesen wäre (§ 305c Abs. 1 BGB). An diesen Voraussetzungen fehlte es aber ebenfalls. Die auch auf der teilgewerblichen Nutzbarkeit der Mietsache beruhende Mietzinsabrede selbst war einer Klauselkontrolle gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen, da es sich dabei um eine sog. Preishauptabrede handelte.

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Aufsatz
Keno Zimmer
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MietRB 2023, 81

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